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Live-Erlebnisse sind unersetzbar. Und sei es auch in einem Zuschauerraum, in dem die Hälfte der Sitze fehlt, wie hier im Berliner Ensemble.

© Britta Petersen/dpa

Erst testen, dann Platz nehmen: Neun Berliner Bühnen sollen am 20. März in einem Pilotprojekt öffnen

Es sollen bald wieder Live-Aufführungen vor Publikum stattfinden. Wie dabei am besten der Infekttionsschutz gewahrt werden kann, wird nun getestet.

Der Barbier ist wieder geöffnet, die Bierbar weiterhin geschlossen – jetzt aber gibt es immerhin einen Hoffnungsschimmer für die Bühnen der Hauptstadt. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) will ab dem 20. März ein Pilotprojekt starten, bei dem in neun Institutionen einmalig Aufführungen mit Publikum stattfinden. Mehrfach hatten er und sein Staatssekretär Torsten Wöhlert im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses schon angekündigt, dass seine Verwaltung so einen solchen Live-Testballon vorbereite.

Am heutigen Donnerstag soll der Vorschlag nun endlich in Zusammenarbeit mit der Gesundheitsverwaltung beschlossen werden. Nach vier langen Monaten im zweiten Kultur-Lockdown brennen die Häuser der darstellenden Künste darauf, wieder öffnen zu können.

Wie genau ein Neustart organisatorisch funktionieren kann, soll in dem Pilotprojekt ausprobiert werden, über das zuerst die „B.Z.“ berichtete. Mit einer doppelten Strategie möchte Klaus Lederer den Besuch von Kultureinrichtungen besonders sicher machen: Zum einen werden ausschließlich personalisierte Tickets ausgegeben, damit die Kontaktnachverfolgung gesichert ist. Und zum anderen muss ein tagesaktueller negativer Schnelltest vorgelegt werden. Dieser Test wird zwar kostenlos sein, die potenziellen Besucher:innen werden vor dem Kulturgenuss dafür jedoch eine Menge Zeit einplanen müssen.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel erklärte Klaus Lederers Pressesprecher Daniel Bartsch: „Die neun Häuser, die teilnehmen, sollen eine Blaupause dafür liefern, wie sich das bestehende Hygienekonzept in Verbindung mit dem Testen und der personalisierten Eintrittskarte bewährt.“ Für jede Kultursparte wird dabei jeweils eine repräsentative Institution ausgewählt: ein Opernhaus, ein Theater, ein Konzertsaal, eine Popmusik-Location und so weiter. Auch ein Club darf dabei sein, allerdings werden die Gäste dort nur Musik hören, aber noch nicht tanzen können.

Daniel Bartsch lobte ausdrücklich die kooperative Haltung der Berliner Kulturinstitutionen in den vergangenen zwölf Monaten: Sie seien seit dem Beginn der Pandemie allesamt „ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht geworden“ und hätten sich „vorbildlich“ ans gemeinsam erarbeitete Rahmenkonzept gehalten. Darum wolle man jetzt testen, wie der Betrieb in den Häusern funktionieren kann, obwohl noch kein konkretes Datum für den von den Machern wie vom Publikum ersehnten Neustart feststeht.

Mit seinem Pilotprojekt reagiert Klaus Lederer auf den wachsenden Druck der Bühnenkünstler:innen, die eine verlässliche Öffnungsperspektive einfordern. Am 22. Februar hatte eine spartenübergreifende Initiative von 30 Kultur- und Sportinstitutionen zusammen mit 20 Wissenschaftler:innen einen „Leitfaden zur Rückkehr von Zuschauern und Gästen“ vorgestellt. Am 26. Februar schickten die Chefdirigenten aller großen Berliner Orchester sowie viele Intendant:innen einen offenen Brief an die Bundeskanzlerin, den Regierenden Bürgermeister sowie die Wirtschaftssenatorin und den Kultursenator, in dem es ebenfalls um die Forderung nach einem Neustart ging.

Die Bereitschaft zur Teilnahme an Lederers Pilotprojekt in der Kulturszene der Hauptstadt ist sehr groß. Zu Details der Planungen wollten sich auf Tagesspiegel-Anfrage allerdings weder die Deutsche Oper noch die Berliner Philharmoniker oder die Staatsoper äußern. Mit Klaus Lederer sei Stillschweigen vereinbart worden, bis der Vorschlag im Senat beschlossen ist, hieß es.

Klar ist nur, dass weder das Staatsballett noch die Komische Oper mitmachen werden – denn sie haben sich schon festgelegt, dass sie ihren Spielbetrieb nicht vor Ende April respektive Anfang Mai aufnehmen wollen. Die Deutsche Oper dagegen könnte Riccardo Zandonais Musikdrama „Francesca da Rimini“ präsentieren, deren Premiere bisher als Streaming-Event am 14. März geplant ist. Die Staatsoper wiederum bereitet aktuell unter der Leitung ihres Generalmusikdirektors Daniel Barenboim eine Neuinszenierung von Mozarts „Hochzeit des Figaro“ vor.

Mit seiner „Erst testen, dann Platz nehmen“-Strategie erweist sich der Senator einmal mehr als übervorsichtig, was mögliche Lockerungen in seinem Bereich betrifft. Sämtliche Studien von Wissenschaftlern, die in aufwendigen Verfahren nachgewiesen haben, dass der Besuch in einem Saal mit moderner Lüftungsanlage absolut unbedenklich ist, reichen ihm nicht aus.

Dabei hatte der Bürgermeisterkandidat der Linken den jüngst veröffentlichten „Leitfaden zur Rückkehr von Zuschauern und Gästen“ noch als „richtigen Weg“ und „starkes Signal“ beschrieben. Außerdem war am „Leitfaden“ auch der TU-Professor und Aerosol-Spezialist Martin Kriegel beteiligt, von dem sich Lederer seit Langem beraten lässt. „Lieber ein Sicherheitsnetz mehr als weniger in der aktuellen Situation“, kommentierte sein Pressesprecher jetzt die Entscheidung des Senators gegenüber dem Tagesspiegel.

Durcheinandergeraten ist damit Klaus Lederers ursprüngliche Prioritätenliste für die Öffnungen in seinem Bereich. Eigentlich sollten zuallererst Kulturangebote für Kinder und Jugendliche wieder anlaufen, dann erst Museen und im dritten Schritt die Bühnen. Nun können Museen seit dieser Woche wieder öffnen, für die Bühnen und Konzertsäle wird das Pilotprojekt gestartet – nur die Minderjährigen schauen weiterhin in die Röhre.

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