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Nur 10 Meter Mauer blieben an der Dolomitenstraße Ecke Maximilianstraße stehen.

© Oliver Voss

Erst nach dem Abriss kam der Denkmalschutz: Berliner Mauerrest in Pankow wird gesichert

Ein großes Stück Berliner Mauer wurde vor Kurzem in Pankow abgerissen - wenigstens die verbliebenen zehn Meter stehen nun unter Denkmalschutz.

Von Christian Hönicke

Für Manfred Wichmann ist es ein bittersüßer Moment. Am Freitag lädt der Kurator der Stiftung Berliner Mauer nach Pankow. Dort will er öffentlich verkünden, dass ein Reststück der Berliner Mauer soeben unter Denkmalschutz gestellt wurde. Es handelt sich um knapp zehn Meter Hinterlandmauer in der Dolomitenstraße Ecke Maximilianstraße. „Das ist ein Erfolg, denn wir haben das Stück nun hoffentlich dauerhaft gesichert“, sagt Wichmann. Doch: „Eine kleine Träne ist dabei, weil wir natürlich wissen, wie es vorher ausgesehen hat.“

Denn der Mauerstummel war noch bis vor wenigen Wochen sechsmal so lang – er war einer der größten zusammenhängenden Originalabschnitte der Berliner Mauer. Dennoch hatten Berlins Denkmalschützer tatenlos dabei zugesehen, wie er trotz Warnungen von Historikern fast komplett abgerissen wurde.

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Es handelte sich um ein Teil der DDR-Hinterlandmauer, die dort ursprünglich mehrere hundert Meter entlang der Bahnstrecke Berlin-Stettin verlief. Etwa 60 Meter davon hatten die Jahrzehnte versteckt am Bahndamm in Pankow überdauert – bis zu diesem Frühjahr. Das Grundstück gehört einer Genossenschaft, die hier den Bau neuer Wohnungen plant und die Fläche kürzlich deswegen komplett abräumte. Sie verwies auf eine gültige Baugenehmigung, die Bedeutung des Mauerstücks sei ihr nicht bewusst gewesen. Die abgerissenen Mauerteile sind inzwischen zertrümmert und auf dem Müll gelandet.

Das sei ein Versäumnis der Denkmalschützer, kritisiert der renommierte Historiker Bert Hoppe. Er wohnt in der Nähe und hatte die Untere Denkmalbehörde des Bezirks und das Landesdenkmalamt (LDA) im Februar alarmiert. Damals begannen die Baumfällarbeiten „und es war abzusehen, dass die Hinterlandmauer dort durch ein Bauvorhaben in Gefahr ist“. Das LDA habe ihm jedoch mitgeteilt, man habe keinen Beleg dafür, dass es sich tatsächlich um ein Stück der Berliner Mauer handele. Für Hoppe völlig unverständlich: Das LDA habe das Teilstück doch selbst auf einer Website mit der Dokumentation aller verbliebenen Mauerspuren gelistet. „Doch die Seite ist vom LDA pünktlich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls abgeschaltet worden.“

Teilstück der Berliner Mauer wurde im Herbst der Öffentlichkeit vorgestellt

Auch die Stiftung Berliner Mauer hatte jenes Teilstück gemeinsam mit dem DDR-Museum noch im vergangenen Herbst zum Mauerfall-Jubiläum der Öffentlichkeit vorgestellt und dessen Bedeutung betont. Vergeblich. Der Teilabriss sei „ein deutlicher Verlust originaler Mauerreste“, bedauerte Wichmann.

Zu oft werde die Berliner Mauer nur mit den bemalten Betonelementen gleichgesetzt, die von der Westseite aus millionenfach fotografiert wurden, sagte Wichmann. Dabei war gerade die versteckte 3,40 Meter hohe Hinterlandmauer mitten im Pankower Wohngebiet nach Ansicht der Historiker ein besonders wichtiges Relikt. „Das Stück gehörte zur sogenannten Vorfeldsicherung des Grenzstreifens“, sagt Wichmann. „Es zeigte damit – als steinernes Zeugnis –, wie tief das Grenzregime der DDR in das Alltagseben der Menschen in Ost-Berlin eingriff.“

Die Dolomitenstraße ist laut Wichmann ein klassisches Beispiel dafür gewesen. „Sie war einer der letzten Orte in Berlin, wo diese Grenzsicherung auch für den Laien noch erkennbar war. Deshalb ist es doppelt schade, dass der größte Teil davon nun verschwunden ist.“ Immerhin seien die verbliebenen zehn Meter „sehr gut von der Straße aus sichtbar“. Dass der Rest vom Mauerrest überhaupt noch steht, hängt ironischerweise mit dem aktuellen Grenzverlauf zusammen: Er befindet sich auf einem anderen Grundstück, das der Deutschen Bahn gehört.

Verbleibende Mauerreste stehen oft nicht unter Denkmalschutz

Noch etwa 2000 bis 2500 Meter Original-Mauer existieren laut Wichmann noch in Berlin – je nachdem, ob man zum Beispiel Metallzäune mit dazuzählt. Die großen Teilstücke an der East Side Gallery, der Niederkirchnerstraße und der Bernauer Straße machen mehr als vier Fünftel davon aus. Bleiben also noch knapp 500 Meter im restlichen Stadtgebiet. „Die verschwinden mehr und mehr“, bedauert Wichmann – auch deshalb, weil sie in der Regel nicht unter Denkmalschutz stehen.

Man habe gemeinsam mit den Denkmalschutzbehörden anhand des Pankower Falls nun erkannt, dass es ein Informationsdefizit gebe, erklärt Wichmann. „Hier müssen wir nacharbeiten, Politik, Kulturverwaltung und Landesdenkmalamt müssen dazu Hand in Hand arbeiten.“ Um weitere Nacht-und-Nebel-Abrisse zu verhindern, soll im ersten Schritt eine öffentlich zugängliche Mauerreste-Datenbank aufgebaut werden. Wichmann: „In die soll dann jeder vom Denkmalschutz bis zum Anwohner schauen können, um zu sehen, wo noch Reste der Mauer stehen - damit so ein Abriss nicht wieder passiert.“

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