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Anwohner der Kurpromenade in Kladow konnten eine Befestigung der Straße vor ihren Häusern verhindern.

© Rainer W. During

Erschließungsbeiträge: Wenn der Straßenausbau für Anlieger wieder teuer wird

Auch wenn Siedlungsstraßen schon teilweise fertiggestellt wurden, kann der Endausbau noch Kosten für Hausbesitzer verursachen. Das betrifft vor allem Berlins Randbezirke.

Anlieger von Einfamilienhaus-Vierteln könnten künftig wieder verstärkt zur Kasse gebeten werden. Es geht um Erschließungsbeiträge für Siedlungsstraßen, mit denen der Straßenausbau per Gesetz teilweise auf die Grundstücksbesitzer umgelegt wird.

Dies trifft vor allem Bewohner von Bezirken mit großen Flächen im Stadtrandbereich wie Steglitz-Zehlendorf, Spandau, Reinickendorf, Pankow, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Neukölln. Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg gilt die Befreiung von Straßen, die bereits in der Vergangenheit teilweise ausgebaut wurden, unter bestimmten Umständen nicht.

Was sind "teilweise hergestellte" Straßen?

Vor zehn Jahren war die Straße Am Kinderdorf in Gatow ausgebaut worden. Das Bezirksamt stellte den Besitzern der anliegenden Grundstücke gemäß dem Berliner Erschließungsbeitragsgesetz eine Kostenbeteiligung in Rechnung. Zwei der Betroffenen, von denen der Bezirk je 2589 Euro verlangte, zogen stellvertretend für die übrigen Anlieger vor Gericht und initiierten einen Musterprozess.

Die Anwohner argumentierten, dass die Straße bereits vor dem 3. Oktober 1990 als sogenannte Erschließungsanlage teilweise fertiggestellt gewesen sei. Denn in dem 2006 ins Gesetz aufgenommenen Paragrafen 15a heißt es: „Für Erschließungsanlagen, die vor dem 3. Oktober 1990 endgültig oder teilweise hergestellt worden sind und für Verkehrszwecke genutzt wurden, dürfen keine Erschließungsbeiträge erhoben werden.“

Als „teilweise hergestellt“ gelten demnach Anlagen, „wenn im Vergleich zu den Anforderungen an eine endgültige Herstellung einzelne Teileinrichtungen fehlen oder vorhandene Teileinrichtungen unvollständig sind“. Hier geht es um Fragen wie den Fahrbahnbelag, Entwässerung, Beleuchtung und Ähnliches. Weiter heißt es: „Eine vorhandene Erschließungsanlage wird zu Verkehrszwecken genutzt, wenn sie trotz des Fehlens von Teileinrichtungen oder der Unvollständigkeit vorhandener Teileinrichtungen die Erschließungszwecke erfüllt und für den Erschließungszweck als geeignet oder hinreichend angesehen wird.“

Es muss im Einzelfall entschieden werden

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte die Klage im Juli 2016 in erster Instanz mit der Begründung abgewiesen, dass es sich vor dem endgültigen Ausbau lediglich um ein Provisorium und keine „Erschließungsanlage“ gehandelt habe. Deshalb gelte die entsprechende Befreiungsklausel des Paragrafen 15a nicht.

Im Berufungsverfahren hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg diese Entscheidung am 13. Dezember bestätigt (5 B 54.16). Eine Revision wurde nicht zugelassen. Damit müssen die Anlieger die Erschließungsbeiträge zahlen. Nach Angaben von Gerichtssprecher Ulrich Marenbach handelt es sich bei dem Urteil um eine Einzelfallentscheidung. Bei jeder anderen Straße müsse im Zweifel individuell geprüft werden, wie der frühere Ausbaustand war.

Stadtrat Kuhn: Paragraf 15a "weich formuliert"

Dennoch hat das Urteil durchaus entscheidende Bedeutung für alle Bezirke, denn es dürfte in der Stadt zahlreiche ähnlich gelagerte Fälle geben. „Künftig wird man die Frage der Erhebung von Erschließungsbeiträgen unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung betrachten müssen“, sagt Pankows Stadtentwicklungs-Stadtrat Vollrad Kuhn (Grüne). Der Paragraf 15a sei „relativ weich formuliert“ und begünstige so strittige Fälle.

In Spandau hatte man bereits vor dem Urteil deutlich gemacht, dass vom Ausgang des Verfahrens auch abhing, ob man die Anlieger des Seegefelder Weges und des Siedlungsgebietes zwischen Ritterfelddamm und Groß Glienicker See ebenfalls für Erschließungsbeiträge heranziehe. Und auch die Bewohner vieler maroder Straßen in Weststaaken müssen jetzt damit rechnen, nach deren Befestigung zur Kasse gebeten zu werden. Da jeder Fall individuell geprüft werden muss, könnte so eine Vielzahl neuer Gerichtsverfahren drohen.

Grundstücksnutzer-Verband: Provisorischen Ausbau gibt es nicht

Beim Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) will man vor einer endgültigen Bewertung die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Man habe erfolgreich gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz gekämpft, nach dem noch wesentlich mehr Anrainer zur Kasse gebeten wurden, sagt Verbandssprecher Holger Becker. Das Landesgesetz wurde 2012 aufgehoben.

Auch mit dem Paragrafen 15a des Erschließungsbeitragsgesetzes habe man bisher leben können. Es sei bedauerlich, dass die Gerichte ihn jetzt verwaltungsfreundlich beurteilten. Aus Sicht des Verbandes gibt es keinen provisorischen Ausbau. „Die Straßen sind ja praktisch genutzt, mit Autos befahren worden“, sagt Becker. Jeder weitere Ausbau einer Straße habe nichts mit einer Erschließung zu tun.

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