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Viele Elektrofahrzeuge vom Typ Tesla Model Y stehen auf dem Gelände der Tesla Gigafactory Berlin Brandenburg. Schon vor der offiziellen Eröffnung am 22.3.22 hatte die Produktion begonnen.

© dpa

Eröffnung der Tesla-Fabrik: Berlin kann aus dem Fall Grünheide lernen

Auf die Atmosphäre kommt es an: Die Politik schafft Rahmenbedingungen, daher sollte Berlin am Tesla-Eröffnungstag genau nach Grünheide blicken. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

In diesen Tagen, deren Nachrichten von einem brutalen Eroberungskrieg im Osten Europas beherrscht werden, steht kaum jemand der Sinn nach fröhlichen Einweihungsfeiern. Kann, darf man sich über den Produktionsbeginn in einer großen Autofabrik in Brandenburg freuen, wenn zur gleichen Stunde in Kiew, Mariupol und Odessa russische Granaten und Raketen unschuldige Menschen töten und ukrainische Städte zerstören?

Die Gleichzeitigkeit des Geschehens wird auch für jene Menschen nur schwer zu ertragen sein, die in Grünheide bei Berlin heute, am Dienstag, gemeinsam mit Elon Musk das Startsignal für die Produktion der Elektroautos von Tesla geben.

Weder Bundeskanzler Olaf Scholz noch der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke werden auch nur für Momente die bizarre und belastende Spannung zwischen beiden Ereignissen verdrängen können – hier die unverhohlene Freude über die für deutsche Verhältnisse geradezu unfassbar schnelle Umsetzung einer Milliardeninvestition, dort die brutale Zerstörung der Illusion eines friedlichen europäischen Miteinanders durch den russischen Machthaber Wladimir Putin.

Diese Fabrik ist mehr als eine Produktionsstätte für moderne Autos. Elon Musk kam mit seiner Investitionsentscheidung in das Ursprungsland der Automobilentwicklung. Ob er bei seinem Ja zum Standort Grünheide überhaupt wusste, dass der in Brandenburg liegt und nicht in Berlin, ist unklar.

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Fest steht, dass sich die Landesregierung in Potsdam sehr geschickt und sehr verschwiegen um diese Zukunftsinvestition bemühte und dabei wirklich clever mit dem geografischen Begriff der Region um die Hauptstadt Berlin warb. Alle realen Argumente waren ja überzeugend genug. Es gab ein großes Baugelände, eine hervorragende Verkehrsanbindung an das Autobahnnetz und einen neuen Flughafen in unmittelbarer Nachbarschaft.

[Lesen Sie auch: Europas größte E-Autofabrik wird eröffnet: „Delivery Day“ bei Tesla – ein US-Konzern mischt Deutschland auf (T+)]

Zwischen der ersten Willensbekundung zum Bau in Grünheide im November 2019 und dem Eröffnungstag vergingen keine 30 Monate. Und das in Deutschland, dem Land der komplizierten Behördenwege und der langsamen Planungsentscheidungen!

Von Grünheide bis Magdeburg

Die selbstbewussten Brandenburger verweisen nun darauf, dass alles korrekt verlaufen sei. Dass die Politik der Verwaltung nie reingeredet habe, dass alle aber wohl der Wille verbunden habe, schnell und schlüssig zu entscheiden. Wer jetzt an die mühsamen Willensbildungsprozesse beim Bau des Flughafens BER erinnert: Auch da war dem zuständigen Brandenburger Landratsamt immer akkurates Handeln bestätigt worden. Die Schlampereien hatten eher Berliner Ursprünge.

In Ostdeutschland ist offenbar der Wille da, Entwicklungsdefizite auszugleichen, die durch die Jahre der Teilung, aber auch durch den industriellen Niedergang nach dem Fall der Mauer entstanden waren.

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Schnelle Entscheidungsprozesse, die in Brandenburg die Niederlassungspläne von Unternehmen positiv beeinflussten, spielten gerade auch in Magdeburg eine Rolle. Hier beschleunigten sie den Beschluss des US-Chipherstellers Intel, nahe der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt zwei Halbleiterwerke zu errichten. 17 Milliarden Euro werden investiert, 3000 Arbeitsplätze entstehen.

Die Nähe zu Hochschulen war bei dem Votum für Magdeburg wichtig. Die gute Verkehrsanbindung kam hinzu, außerdem die Hoffnung auf zügige Behördenentscheidungen, und dann die Perspektive auf europäische und nationale Subventionen für Zukunftstechnologien.

In Grünheide wie in Magdeburg waren und sind es am Ende unternehmerische Entscheidungen, hier wie dort zu investieren. Der Staat kann die Bedingungen schaffen, erzwingen kann er nichts. Die Atmosphäre muss stimmen, und die wird ganz wesentlich von der Politik beeinflusst. Die hat in Grünheide wohl viel richtig gemacht, und in Magdeburg den gleichen Eindruck vermittelt. Berlin kann davon lernen.

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