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An der Kundgebung nahmen auch Bundespräsident Joachim Gauck und der einstige Fußballnationalspieler Arne Friedrich (3.v.l.) teil.

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Ernste Worte am Brandenburger Tor: Sinti und Roma kritisieren Diskriminierung

Am Romaday fordern Vertreter der transnationalen Minderheit mehr Solidarität und stellen fest: "Es sind schwere Zeiten im Moment, Zeiten der Verunsicherung."

Als Romeo Franz und Aaron Weiss zum zweiten Mal an diesem Tag auf die Bühne treten, Franz die Geige an das Schlüsselbein legt und Weiss seine Hände über die Klaviertastatur bewegt, da tupfen sich einige Zuhörer Tränen aus den Augen. Sie sind zur Kundgebung des Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas am internationalen "Romaday" gekommen. Dem Bündnis gehören unter anderem Amnesty International, das Berliner Maxim Gorki Theater, die Diakonie Deutschland, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und die Arne Friedrich Stiftung an. Sie wollen ein Zeichen gegen Antiziganismus setzen, heute ganz besonders. Mit der Kundgebung am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas erinnern sie auch an die Gründung des Welt-Roma-Kongress vor 45 Jahren. Er war die erste internationale Vereinigung der in vielen Ländern lebenden Minderheit.

Zeichen gegen Antiziganismus

Auch Bundespräsident Joachim Gauck ist gekommen, sitzt auf seinem Platz in der ersten Reihe und hört zu. Sprechen wird er heute selber nicht. Trotzdem, "es erfüllt uns mit Stolz, dass Sie gekommen sind", sagt Uwe Neumärker, der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und heute Moderator. "In Europa gibt es glaube ich nicht viele Staatsoberhäupter, die ein derart sichtbares Zeichen gegen Antiziganismus setzen."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Aydan Özoğuz ist die erste Rednerin. "Sinti und Roma sind Teil der Geschichte des Landes", sagt sie und fordert "mehr Platz für die Geschichte der Roma und Sinti im Schulunterricht." Denn Unwissen sei ein Nährboden für Vorurteile.

Immer noch Klischees und Vorurteile gegenüber Sinti und Roma

"Die Geschichte wiederholt sich"

Nachdem die letzten Klänge des melancholischen Stücks "Halleluja" unter den Bäumen des Tiergartens verklungen sind, tritt Zoni Weisz auf die Bühne. Er ist niederländischer Sinto und Überlebender des Holocaust. "Auch ich sollte, wie meine ganze Familie, ermordet werden", sagt er, "Aber ich habe auf wundersame Weise überlebt und nun sehe ich es als meine Aufgabe an, den vergessenen Holocaust, den Völkermord an den Sinti und Roma, in der Erinnerung der Menschen zu behalten." Die Gesellschaft habe seitdem nichts gelernt, "sonst würde man verantwortungsvoller mit uns umgehen." Weisz kritisiert das schwache Netzwerk der Sinti und Roma. Und er sagt: "Tradition ist wichtig. Aber wir müssen unsere Opferrolle hinter uns lassen, um ein vollwertiger Teil der Gesellschaft zu sein." Er erhält viel Applaus.

"Rechtsextremismus kommt in Europa wieder an die Oberfläche, in manchen Ländern sind die Rechtspopulisten sogar Teil der Regierung", sagt Weisz ernst. "Die Geschichte wiederholt sich." Selbst das Denkmal sei nicht vor Rassisten sicher. Im vergangenen Oktober wurde es mit Hakenkreuzen und dem Wort "Vergasen" beschmiert. "Das ist respektlos und trifft uns tief ins Herz", sagt Weisz.

Hip-Hop für Solidarität

Das Hip-Hop-Duo "Kage" kommt mit wippenden Knien auf die Bühne und gibt donnernde Texte gegen Antiziganismus und Rassismus zum Besten. "Wir sind dazu da, um Mauern einzureißen", sagte Sänger Kefaet Prizreni: "Aber andere als die aus Berlin, Mauern da oben". Er tippt sich an die Schläfe. "Wir sprechen acht Sprachen und ich kann es jedem gern vermitteln, dass wir Europäer sind."

Dann verlesen Regisseur Rosa von Praunheim, MTV-Moderatorin Wana Limar und der ehemalige Fußballnationalspieler Arne Friedrich einen Aufruf des Bündnisses. In dem fordern sie eine klare öffentliche Verurteilung von Antiziganismus durch die Politik, Gewährung von Schutz für Verfolgte und die Anerkennung von Sinti und Roma als gleichberechtigte Bürger.

Jana Luck

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