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Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik.

© Paul Zinken/dpa

Update

Ermittlungsgruppe im Berliner Landeskriminalamt: Polizei will rechtsextremistische Strukturen in eigenen Reihen aufklären

Gibt es rechtsextremes Gedankengut bei Berliner Polizisten? Eine spezielle Ermittlergruppe soll Verdachtsmomenten nachgehen, kündigt Polizeipräsidentin Slowik an.

Die Berliner Polizei wird künftig mit einer eigenen Ermittlergruppe gegen rechtsextremistische Umtriebe in den eigenen Reihen vorgehen. Das hat Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses angekündigt.

Ab 1. April soll den Angaben zufolge eine spezielle Ermittlergruppe eingesetzt werden, angesiedelt beim Landeskriminalamt. Diese solle „entsprechende Spuren“ innerhalb der Berliner Polizei verfolgen.

„Mein prioritäres Interesse ist es, rechtsextremes Gedankengut in der Polizei Berlin zu verfolgen und auszumerzen“, sagte Slowik. Wer rechtsextremes Gedankengut habe, habe in der Polizei keinen Platz.

Außerdem sollen „Kennbeziehungen“ und Verbindungen zu rechtsextremen Straftaten aufgespürt werden. Das beziehe sich auch auf mögliche Kontakte in andere Bundesländer, sagte Slowik weiter. 

Konkret erwähnte sie Medienberichte, wonach es womöglich Verbindungen zu rechtsextremen Polizisten in Hessen geben könne. Diese hält sie aber für nicht belegt. 

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Der Innenexperte der Grüne-Fraktion, Benedikt Lux, begrüßte das Vorgehen der Polizeipräsidentin. „Rechtsextreme interessieren sich für Sicherheitsbehörden und es ist anzunehmen, dass sie sich in den Behörden - nicht nur in der Berliner Polizei - vernetzen", sagte Lux. „Das dürfen wir unter keinen Umständen zulassen und müssen jedem Verdachtsfall konsequent und umfassend nachgehen.“

Slowik reagiert mit der Aufstellung der neuen internen Ermittlergruppe beim LKA auf Fälle, in denen Berliner Polizisten durch rechtsextremes Gedankengut aufgefallen sind. Zugleich geht es auch um Erkenntnisse aus den Ermittlungen zu den rechtsextremistischen Anschlägen in Neukölln. In den vergangenen Jahren waren mehrfach Mitarbeiter der Berliner Polizei etwa durch rechtsextreme Chats aufgefallen, aber auch durch Aktivitäten in rechten Gruppen.

2020 hatte die Polizei 24 Strafverfahren gegen Beamte wegen rechtsextremistischer Vorfälle eingeleitet, zudem laufen 47 Disziplinarverfahren wegen des Verdachts rechtsextremistischer oder rassistischer Äußerungen. Slowik hofft, mit der Ermittlungsgruppe auch den Verdacht ausräumen zu können, dass es in der Berliner Polizei rechtsextreme Netzwerke gibt.

Am Montag ist im Innenausschuss der Zwischenbericht einer Expertenkommission zur rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln vorgestellt worden. Auf Initiative von Innensenator Andreas Geisel (SPD) soll eine Kommission mögliche Versäumnisse bei den Ermittlungen aufdecken. Ihr gehören die frühere Polizeipräsidentin von Eberswalde, Uta Leichsenring, und Ex-Bundesanwalt Herbert Diemer an.

Geisel erklärte im Innenausschuss, dass es der Kommission gelungen sei, den an sie gestellten Ansprüchen gerecht zu werden: Die beiden Experten hätten mit Betroffenen gesprochen und seien unvoreingenommen an die Untersuchung herangegangen. Der Fragenkatalog an die Kommission sei noch deutlich umfangreicher, der Abschlussbericht werde erst Ende April vorgestellt.

Innensenator Andreas Geisel kündigte zudem an, dass der Senat Hinweisen auf mögliche Datenabfragen etwa über das Meldeamt nachgehen und dafür nicht erst den Abschlussbericht abwarten wolle.

Herbert Diemer erklärte, Ziel der Kommission sei es nicht, die Ermittlungen erneut zu überprüfen – sondern ganzheitlich und behördenübergreifend zu betrachten. Dafür baue die Kommission unter anderem auf dem Abschlussbericht der Soko „Fokus“ auf, die die Ermittlungen in der Anschlagsserie zwischen 2019 und 2020 neu aufgerollt hatte. 

Abschlussbericht der Soko Fokus sei „sehr schlüssig“

Deren Abschlussbericht bezeichnete Diemer als „sehr schlüssig und gründlich“. Er könne zwar nicht gänzlich ausschließen, dass die Soko Fokus „Märchen erzählt“, sehe aber auch keinen Grund, an dem Bericht zu zweifeln.

Uta Leichsenring sagte, es sei elementar gewesen, die Betroffenen der Anschlagsserie ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Sie attestierte ein „massives Vertrauensproblem“ zwischen den Betroffenen und den Behörden. Sie schlug eine „institutionalisierende Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure“ in die Prävention, aber auch in den Kampf gegen rechtsextreme Strukturen vor. Diese könne eine „weitere Säule neben der Strafverfolgung“ sein.

Bereits im Vorfeld hatten Betroffene und Politiker den Zwischenbericht kritisiert. So blieben viele Fragen noch offen. Unklar ist etwa die Rolle des Verfassungsschutzes: Im Bericht heißt es, dass die Kommission noch „zahlreiche als Verschlusssachen eingestufte Dokumente“ der Landesbehörde für Verfassungsschutz zur rechtsextremen Szene in Berlin prüfen und auswerten wolle. Speziell gehe es auch um die Weitergabe von Erkenntnissen an andere Behörden.

Geheimes Gutachten des Verfassungsschutzes an die AfD durchgestochen

Erst kürzlich war bekannt geworden, dass offenbar ein Mitarbeiter der Behörde ein geheimes Gutachten des Verfassungsschutzes über die AfD an die Partei durchgestochen hatte. Der Referatsleiter für Rechtsextremismus und weitere Mitarbeiter müssen sich deswegen einer erneuten Sicherheitsüberprüfung unterziehen.

Die Linken-Abgeordnete Anne Helm sagte im Innenausschuss, dass es elementar sei, rechtsextremen Strukturen umfassend zu begegnen. Rechtextreme – darunter auch einer der drei Hauptverdächtigen in der Anschlagsserie – würden mittlerweile „raumgreifend“ unter anderem in Neukölln agieren. 

Das deute darauf hin, dass bei ihnen ein Gefühl der Sicherheit herrsche und sie die Strafverfolgung nicht fürchten würden – was gleichzeitig das Gefühl der Unsicherheit bei den Betroffenen der Anschlagsserie und anderen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, verstärken würde. „Wir stehen nicht nur strafrechtlich, sondern auch politisch in der Verantwortung, dem zu begegnen“, sagte Helm.

Ermittler rechnen der rechtsextremen Anschlagsserie in Neukölln mehr als 70 Straftaten seit 2013 zu. Darunter finden sich neben mindestens 23 Brandstiftungen unter anderem Drohungen und Schmierereien. Haftanträge gegen zwei der drei hauptverdächtigen Neonazis sind kürzlich gescheitert.

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