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Ein roter Schriftzug soll Passanten an das KZ Columbia erinnern, das einst hier stand.

© Copyright: Martin Bennis und Weidner Händle Atelier/Stiftung Topographie des Terrors/2020

Erinnerung an KZ Columbia: Entwurf für neuen Gedenkort am Tempelhofer Feld steht fest

Ein Schriftzug, der Passanten aufmerksam machen soll: Hier stand das einzige offizielle Konzentrationslager von Berlin.

Was ist denn da nicht mehr zu sehen? Das sollen sich Passanten, Menschen in vorbeifahrenden Autos und auf Fahrrädern in Zukunft fragen, wenn sie am Columbiadamm entlangfahren. „Nicht mehr zu sehen” soll in großen Lettern aus Ziegelbruchstein auf der grünen Böschung stehen, die den Fußweg innerhalb des umzäunten Flughafengeländes vom Gebäude abtrennt.

Das verkündete am Freitag die Auswahlkommission des deutschlandweiten Gestaltungswettbewerbs für einen „Temporären Erinnerungsort KZ Columbia” am Flughafen Tempelhof. Im September 2018 hatten die Bezirksverordneten in Tempelhof-Schöneberg die Einrichtung eines Ausschusses beschlossen, um einen „adäquaten Gedenkort für die Opfer des KZ Columbia-Haus am authentischen Standort” zu schaffen.

Für die Realisierung des Gedenkortes stehen 95.000 Euro zur Verfügung. Beteiligt sind neben dem Bezirk und der Senatsverwaltung für Kultur unter anderem die Stiftung Topographie des Terrors und die Tempelhof Projekt GmbH.

Der Siegerentwurf soll bis voraussichtlich Mitte 2021 realisiert werden. Er stammt vom Berliner Architekten Martin Bennis und dem Weidner Händle Atelier aus Stuttgart. Das Team hat schon Erfahrung mit Gedenkorten zu totalitären Regimen: Gemeinsam haben sie die historische Kommentierung am Olympiastadion konzipiert sowie an der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße zusammengearbeitet.

„Für viele war die Haft im Columbia-Haus der Beginn einer Odyssee durch das nationalsozialistische Lager- und Strafsystem”, schreibt die Senatsverwaltung für Kultur zum Gedenkort. Zwischen 1933 und 1936 inhaftierte das NS-Regime hier 8000 Männer, unter anderem politische Gegner, Juden, Geistliche, Künstler und Homosexuelle.

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Darunter waren prominente Häftlinge, wie der Rabbiner Leo Baeck, der Schriftsteller Kurt Hiller, der spätere SED-Generalsekretär Erich Honecker und der erste Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Hans Böckler.

Das „Columbia-Haus” wurde komplett abgerissen

Die ehemalige militärische Arrestanstalt an dieser Stelle, das „Columbia-Haus”, wurde ab 1933 zunächst als Gestapo-Gefängnis genutzt. Ab Dezember 1934 wurde es als „Konzentrationslager Columbia” geführt. Das gibt dem Ort besondere geschichtliche Bedeutung: „Es gab viele Haftstätten in Berlin, aber nur diese wurde ein Konzentrationslager”, sagt Andrea Riedle, Direktorin der Stiftung Topographie des Terrors.

Der Schriftzug "nicht mehr zu sehen" am ehemaligen Columbia-Haus.
Der Schriftzug "nicht mehr zu sehen" am ehemaligen Columbia-Haus.

© Topographie des Terrors

Mit dem Ausbau des Flughafens wurden 1936 die Gefangenen in das neugebaute KZ Sachsenhausen verlegt. 1938 wurde das „Columbia-Haus” dann komplett abgerissen. Auch deshalb steht im Entwurf der Satz „Nicht mehr zu sehen”, um diesen „Nicht-Ort” zu markieren.

Ein Entwurf, der zur Größe des Ortes passt

Zwar erinnert seit 1994 auch eine Mahnmalskulptur an das KZ Columbia. Allerdings steht diese auf der gegenüberliegenden Seite des Columbiadamms, da damals wegen dem Flughafenbetrieb das Gelände noch nicht öffentlich zugänglich war. Die Auswahlkommission begrüßt, dass der Siegerentwurf die bestehenden Elemente mit einbezieht und durch den markanten Schriftzug auch auf schon bestehende Informationstafeln am Radweg aufmerksam macht.

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„Die Irritation weckt das Interesse, sich mit den bereits vorhandenen Tafeln auseinanderzusetzen”, sagt Jutta Heim-Wenzler, Geschäftsführerin der Tempelhof Projekt GmbH. Gerade durch ihre Größe würden die Buchstaben im Schriftzug sehr gut zum Flughafengelände passen: „Das Gebäude hat eine Wahnsinnsgröße”, sagt Heim-Wenzler. Eine kleinteilige Gedenkstätte passe nicht dazu. Insgesamt wurden acht Arbeiten eingereicht, davon wurden drei ausgezeichnet.

Das riesige Flughafengebäude von Tempelhof.
Das riesige Flughafengebäude von Tempelhof.

© Doris Spiekermann-Klaas

Beim zweiten prämierten Entwurf wird das „verlorene Gebäude“ mit fragmentarischen Mauerelementen nachgezeichnet. Darauf sollen Tafeln mit Zitaten der KZ-Häftlingen stehen. Das Material Holz habe aufgrund seiner Verwitterungsqualität und dem Thema der Vergänglichkeit die Jury überzeugt, so Heim-Wenzler. Doch da das Gebäude auf die heutige Straße reichen würde, sei der Entwurf nicht realistisch umsetzbar, so Andrea Riedle.

Der dritte Entwurf hat einen partizipativen Ansatz in die Erinnerungsarbeit integriert. Tafeln sollten durch Aktionen und nach Lesungen am Ort gefüllt werden, um so einen „breiten gesellschaftlichen Diskurs über den angemessenen Umgang mit der Geschichte des Ortes anzuregen und diese Auseinandersetzung mit aktuellen Themen zu verknüpfen“. Doch die Umsetzung eines solchen partizipativen Konzeptes sei nicht nur in Corona-Zeiten schwer, sagt Heim-Wenzler: Der Ort des Gedenkens direkt am Columbiadamm sei einfach zu laut, um dort gemeinsame Aktionen zu veranstalten.

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