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Japanische Studenten an der Gedenkstätte in der Bernauer Straße am 9. November 2012.

© dapd

Erinnerung an den 9. November: An neuen und alten Gedenkmauern

In Spandau wurde ein Mahnmal eingeweiht, in Mitte wurden Rosen abgelegt: Viele Menschen erinnerten am Freitag an „Reichspogromnacht“ und die Wende.

Die Ereignisse der Pogromnacht vom 9. November 1938 und der Fall der Mauer vor 23 Jahren sollten nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck nicht getrennt voneinander betrachtet werden. Geschichte gehöre zusammen, sagte Gauck am Freitag nach Gesprächen mit Schülern eines Jüdischen Gymnasiums. Für die junge Generation sei es wichtig, den 9. November 1989 in ihr Gedenken mit einzubeziehen. Es sei zwar richtig, niemals zu vergessen, „was die Nazi-Barbarei gemacht hat“. Ebenso wichtig ist es nach Ansicht Gaucks jedoch, „die glückhafte Geschichte des Mauerfalls“ darzustellen. Wenn Jugendliche ausschließlich die Geschehnisse im Dritten Reich betrachteten, „dann würden sie die Wirklichkeit Deutschlands verfehlen“, fügte der Bundespräsident hinzu. Gauck rief zugleich zur Zivilcourage auf. Der Staat könne zwar nicht fordern, dass sich Einzelne „Schlägertypen in den Weg stellen“. Jedoch „können wir Zeuge sein“.

An vielen Orten der Stadt ist am Freitag an den Fall der Mauer vor 23 Jahren sowie an die „Reichspogromnacht“ 1938 erinnert worden. Bei der zentralen Feier an der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße waren knapp 300 Menschen, unter anderem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn und der ehemalige Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), Horst Teltschik. Eingeleitet wurde das Gedenken mit einem Posaunenruf an der Hinterlandmauer der alten Grenzanlagen. Nach einer Andacht in der Kapelle der Versöhnung auf dem ehemaligen Grenzstreifen wurden am Denkmal Kerzen in Erinnerung an die friedliche Revolution und den Mauerfall entzündet. „Menschen, die für ihre Freiheit gekämpft haben, haben diese unsägliche Mauer zum Einsturz gebracht“, sagte Wowereit. Dass das friedlich möglich war, sei ein Glücksfall in der Geschichte.

Bundespräsident JoachimGauck mit Schülern in derAusstellung „7xjung“ in der Flensburger Straße.
Bundespräsident JoachimGauck mit Schülern in derAusstellung „7xjung“ in der Flensburger Straße.

© dpa

An die Zerstörung von jüdischen Gotteshäusern und die Ermordung von Juden durch die Nationalsozialisten am 9. November 1938 erinnerte am Freitag eine Gedenkfeier am Spandauer Lindenufer. Dort wurde die Erweiterung des 1988 errichteten Mahnmals für die von den Nazis zerstörte Synagoge feierlich eingeweiht. Eine Rundmauer aus Ziegelsteinen trägt jetzt die Namen der 115 bekannten Holocaust-Opfer aus dem Bezirk.

Unter dem Motto „Jeder Mensch hat einen Namen“ hatten zahlreiche Bürger für 100 Euro die Patenschaft für einen Namensstein erworben. Vor aus verschiedenen Ländern angereisten Angehörigen der Opfer verlasen Mitglieder der AG Christen und Juden des Evangelischen Kirchenkreises die 115 Namen von Frieda Arnheim bis Siegfried Zilversmit. Schüler der Martin-Buber-Oberschule berichteten vom Schicksal der schwer kranken und dennoch lebensfrohen Paula Gumpert, die im Alter von 29 Jahren im März 1943 mit ihrer sieben Monate alten Tochter Bela nach Auschwitz verschleppt und ermordet wurde.

Dass einige 100 000 Nazis damals ihre Gräueltaten verüben konnten, habe auch an der Passivität der breiten Masse ganz normaler Menschen in Deutschland gelegen, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe. Das Böse könne sich nur durchsetzen, wenn die Masse zu träge und inaktiv ist. Fälle wie der Mord an einem Jugendlichen auf dem Alexanderplatz würden auch heute immer wieder zeigen, „wie wild Menschen werden können“, so Joffe. „Wir dürfen nie wieder zulassen, dass Gleichgültigkeit die Oberhand gewinnt. Ab heute sollen die 115 Namen für uns alle zusätzlicher Anlass und Ansporn sein, uns zu erinnern und nicht zu vergessen.“ (-du, sawe, dapd)

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