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Die Initiative zur Enteignung großer Immobilienkonzerne feierte in Berlin einen großen Erfolg.

© Christophe Gateau/dpa

Erfolgreicher Volksentscheid in Berlin: Die nächste Koalition kommt um das Thema Enteignungen nicht herum

Der Erfolg für den Volksentscheid „DW enteignen“ ist die Überraschung des Wahltages. Für die künftige Koalition steckt darin eine große Hypothek. Ein Kommentar.

Dieses Ergebnis sendet Schockwellen – und das nicht nur durch Berlin. Mit einer Mehrheit von 56,3 Prozent der Stimmen (Stand 2 Uhr) sprachen sich die Berliner:innen für die Enteignung von Immobilienkonzernen aus, sofern diese mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Damit sammelte die Initiative "Deutsche Wohnen und Co enteignen" ("DW enteignen") deutlich mehr Ja-Stimmen, als Umfragen ihr im Vorfeld der Abstimmung prognostiziert hatten.

Der Erfolg der zweiten Unterschriftensammlung, der stärksten in der Geschichte von Volksentscheiden in Berlin, setzte sich fort und selbst die kühnsten Hoffnungen der Initiator:innen wurden übertroffen. Kein Wunder also, dass sich Rouzbeh Taheri, Sprecher der Gruppe, umjubelt von den Aktivist:innen vor die Kameras stellte und bereits nach der Auszählung von einem Drittel der Stimmen erklärte: "Wir wollen die Spekulanten und Immobilienhaie aus dieser Stadt heraustreiben."

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Das Verrückte daran: Taheri meint es ernst und der Wohnungsmarkt in dieser Stadt ist mittlerweile derart aus den Fugen geraten, dass eine Mehrheit der Berliner:innen daran keinen Anstoß nimmt – im Gegenteil. Angesichts von Preisanstiegen bei Neuabschluss von Mietverträgen, die Bestandsmieter:innen einen Umzug sogar in kleinere Wohnungen schier unmöglich machen, scheint vielen das drastischste Mittel gerade recht.

Egal in welcher Konstellation: Die Parteien kommen um das Thema nicht herum

Was bedeutet das für Berlin und die am Wahlabend unter Hochspannung versetzten politischen Parteien? Sie kommen um das Thema nicht herum. Egal in welcher Konstellation: Die kommende Koalition wird eine gemeinsame Position zu Enteignungen formulieren und einen Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid finden müssen. In Taheris Worten gesprochen: "Ich erwarte von der kommenden Koalition, wie auch immer diese dann aussehen wird, dass sie in ihrem Koalitionsvertrag einen klaren Fahrplan für die Erarbeitung eines Vergesellschaftungsgesetzes aufschreibt und umgehend mit dessen Vorbereitung anfängt."

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Wie die aussehen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt - wenige Stunden nach der Wahl - unmöglich zu beurteilen. Fakt ist, dass sich die bislang regierende Koalition aus SPD, Linken und Grünen nicht hatte einigen können, ja die einzelnen Parteien sich intern nicht einmal einig waren. Einzig die Linke war fest positioniert und lehnte sich eng an die Seite der Enteigner – zu eng aus Sicht verschiedener Aktivist:innen.

SPD und Grüne unter Zugzwang

Die linksdominierten Berliner Grünen suchten unter ihrer Kompromisskandidatin Bettina Jarasch bis zum Wahltag nach einer klaren Haltung – und scheiterten. Die SPD-Spitzenfrau und voraussichtliche Wahlsiegerin Franziska Giffey verordnete ihrer Partei ein klares Nein zu Enteignungen und hatte dabei gemessen an einem Parteitagsbeschluss lediglich 60 Prozent ihrer Partei hinter sich. Zwar unterstützten einzelne Sozialdemokraten den Volksentscheid öffentlich, die Masse jedoch hielt während des Wahlkampfs die Füße still. Das Bild der Geschlossenheit sollte keine Risse bekommen.

Nun jedoch werden die Karten neu gemischt. Die den bisherigen Hochrechnungen zufolge wahrscheinlichste Option ist die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün. Bereits in Sondierungen, erst recht aber in Koalitionsverhandlungen werden sich die Partner - anders als vor dem Volksentscheid - auf eine gemeinsame Position einigen müssen.

Aus der Linken sind bereits gewichtige Stimmen zu vernehmen, die ein Gesetz zur Vergesellschaftung als rote Linie ziehen. Ohne ein entsprechendes Vorhaben keine Koalition, lieber Opposition statt Wortbruch heißt es dort. Ob, wie und wenn ja bis zu welchem Preis sich das durchhalten lässt, werden die kommenden Wochen zeigen. Das unerwartet klare Ergebnis setzt die Politik unter Druck und Manöver wie der kurz vor der Wahl von der SPD eingefädelte Ankauf von 14.500 Wohnungen konnten den Erfolg von "DW enteignen" nicht verhindern.

Die Schockwellen werden nicht einfach so auslaufen. Sie schwappen zurück und werden dabei ganz sicher nicht kleiner.

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