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Alle Tage wieder. Das Unternehmen The Female Company stellt Tampons und Binden aus Bio-Baumwolle her.

© Thefemalecompany

Enttabuisierung der Periode: Zwei Berlinerinnen mischen den Tampon-Markt auf

Zwei Gründerinnen aus Kreuzberg wollen mit ihren Kampagnen die Menstruation enttabuisieren. Ihre Firma stellt Damen-Hygieneartikel aus Bio-Baumwolle her.

Ein spätsommerlicher Freitag in Berlin Friedrichshain, nahe der Warschauer Straße. Das Büro der Female Company sieht verlassen aus, ein junger Kollege verabschiedet sich in den Urlaub.

Normalerweise würde er keine Birkenstocks mit Jogginghose tragen, versichert er im Hinausgehen. Die Stimmung ist entspannt und herzlich, der Tisch am Empfang wird noch schnell geschrubbt.

Überall stehen Tamponboxen in bunten Farben, an der Wand ein Plakat „Läuft bei dir?“, der Werbeslogan, mit dem die Female Company den milliardenschweren Tamponmarkt gründlich aufgemischt hat.

Fragt man Gründerin Ann-Sophie Claus nach den Ursprüngen ihres Unternehmens, erzählt sie von einer Reise nach Indien im Jahr 2016, kurz nach Ende ihres Studiums.

Dort wurde sie, wie auch ihre Mitgründerin Sinja Stadelmaier, mit der radikalen Tabuisierung der weiblichen Periode in Indien konfrontiert. Junge Mädchen und Frauen hatten keinen Zugang zu Hygieneartikeln, sie galten während ihrer Menstruation als unrein und krank, blieben den Gottesdiensten und der Schule fern.

It’s Bio, Baby! Mit dieser Information werben die Gründerinnen von The Female Company, Ann-Sophie Claus (links) und Sinja Stadelmaier, auch auf ihrer Internetseite für ihre Damenhygieneprodukte. So haben die sie beispielsweise die Plastikverpackung der Binden durch Maisstärke ersetzt. Die Tampons sind in Papier, statt in Kunststoff eingepackt.
It’s Bio, Baby! Mit dieser Information werben die Gründerinnen von The Female Company, Ann-Sophie Claus (links) und Sinja Stadelmaier, auch auf ihrer Internetseite für ihre Damenhygieneprodukte. So haben die sie beispielsweise die Plastikverpackung der Binden durch Maisstärke ersetzt. Die Tampons sind in Papier, statt in Kunststoff eingepackt.

©  Thefemalecompany

Zurück in Deutschland, ließen die beiden Frauen die Erfahrungen aus Indien nicht mehr los. Schließlich kennt man auch hier die Scham, die viele Mädchen haben bei der ersten Regel haben, den Gang zur Toilette mit dem Tampon in der zusammengepressten Faust und befangene Gespräche mit der besten Freundin. „Wir wollten diesen Markt enttabuisieren“, erzählt Claus. „Unsere erste Idee war, die Verpackung zu ändern und mit knalligen, bunten Farben zu arbeiten. Alles, was normalerweise in den Läden steht, ist medizinisch und klinisch, nirgendwo die Farbe rot“, beschreibt sie.

Im Gespräch mit verschiedenen Tamponherstellern fiel den beiden Gründerinnen schnell auf, dass es neben der eintönigen Verpackung weiterer Innovationen bedurfte.

„Wir haben gemerkt, dass keiner so genau weiß, was in Tampons steckt.“ Die Hersteller haben bis heute keine Deklarationspflicht der Zusatzstoffe. Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier entscheiden sich dazu, Bio-Tampons ohne Pestizide, Duftstoffe und Plastik zu produzieren. „Die Bio-Baumwolle kommt größtenteils aus der Türkei, produziert wird in Spanien und Österreich. Unsere gesamte Lieferkette ist zertifiziert.“ Bestellen kann man die Tampons online im Abo, alle 28 Tage bekommt man Nachschub geliefert.

Laut Statista liegt der Umsatz für Damenhygieneartikel bei 589 Millionen Euro

Was als kleines Start-up in Claus’ Wohnzimmer begann, ist inzwischen zu einem Unternehmen mit fast 30 Beschäftigten herangewachsen.

Trotz der Coronakrise habe die Firma die Umsätze im ersten Quartal „deutlich gegenüber dem Vorjahr steigern können“, sagen die Gründerinnen , sie stünden jetzt bei 35 000 Kundinnen.

Frisches Kapital kommt seit 2019 von Investoren wie Burda Principal Investments, dem Münchner Wagniskapitalgeber Acton Capital der IBB Beteiligungsgesellschaft aus Berlin.

Laut dem Online-Datenportal Statista wird der Umsatz im  Segment Damenhygiene in diesem Jahr rund 589 Millionen Euro betragen. Tendenz steigend. Der durchschnittliche Erlös pro Person liegt im Jahr 2020 bei umgerechnet auf die Bevölkerungszahl bei rund sieben Euro pro Kopf. Zuletzt hatten sich die beiden Gründerinnen 2019 öffentlichkeitswirksam mit einer Informationskampagne für die Senkung er „Tamponsteuer“ eingesetzt.

Inzwischen bietet das Unternehmen auch Produkte für das Wochenbett, Menstruationscups aus medizinischem Silikon, Slipeinlagen und Binden an. Für die Zukunft sei Weiteres geplant, verraten werde jetzt aber noch nichts.

Auch die Eroberung des europäischen Marktes stehe in Aussicht.

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Am bekanntesten ist The Female Company inzwischen für die lautstarken, unverblümten und farbenfrohen Aufklärungskampagnen auf den Social-Media-Kanälen Instagram und Tik Tok, die rund 100 000 Jugendliche begeistern. Es geht dabei um die Periode, aber auch um Geschlechtskrankheiten, Schwangerschaft, Sexualität und Diversität.

„Wir glauben, dass die moderne Frauenwelt keine Lust mehr hat, sich wegen ihrer Weiblichkeit schlecht zu fühlen. Ich bin überzeugt davon, dass es einen gewissen Grad an Erstaunen und Provokation braucht, um auf dem Markt etwas zu ändern“, sagt Ann-Sophie Claus. „Auch aus unternehmensstrategischer Sicht finde ich es besser, spitz in den Markt zu gehen. Sanfter werden können wir, wenn wir genug erreicht und uns als Unternehmen etabliert haben. Bin ich also bereit, die Empörung mancher Menschen in Kauf zu nehmen? Auf jeden Fall“, sagt sie selbstbewusst.

Mit einem Hersteller für faire Kleidung habe sie ein Projekt in Indien gestartet

Die Reise nach Indien haben Claus und Stadelmaier nicht vergessen. In Kooperation mit einem Hersteller für faire Kleidung riefen sie das Projekt „Pads for Girls” ins Leben.

Aus Baumwoll-Stoffresten werden in Mumbai von ehemaligen Sexarbeiterinnen waschbare Stoffbinden hergestellt, die mindestens ein Jahr halten und in ganz Indien kostenlos verteilt werden. So entstehe mit jedem abgeschlossenen Abo bei The Female Company nicht nur eine kostenlose Binde, sondern auch ein fair bezahlter Arbeitsplatz für die aus der Sexarbeit und dem Menschenhandel befreiten Näherinnen, betonen die Gründerinnen.

Fair und vielfältig. Näherinnen in Indien werden unterstützt.
Fair und vielfältig. Näherinnen in Indien werden unterstützt.

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Dass sie mit ihrem Unternehmen Gewinn machen wollen, bestreiten sie nicht. Doch das Projekt in Indien sei keine Marketing-Idee.

Claus sagt, sie sei „davon überzeugt, dass man mit einer For-Profit-Organisation“ auf lange Sicht in dieser Weise einen größeren Einfluss ausüben könne.

Amélie Baasner

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