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Milliarden wird es kosten - die Initiative "Deutsche Wohnen & Co Enteignen"

© dpa

Enteignungsinitiative in Berlin: Entschädigung an „vergesellschaftete“ Firmen soll zwischen 14 und 23 Milliarden Euro kosten

Alle Firmen mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen, würde das Land Milliarden kosten. Zum Streit um den Betrag bringt Ex-Staatssekretär Holm nun neue Zahlen bei.

Der Senat hatte die Kosten für die Entschädigung der Firmen mit mehr als 3000 Wohnungen, die "vergesellschaftet" werden sollen, auf 28,8 bis 36 Milliarden Euro geschätzt. Laut der Volksinitiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" wird das erstmals überhaupt in Deutschland angestrebte Gesetz das Land deutlich weniger kosten, nämlich 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro. Den Streit um diese gewaltige Zahlen will eine Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Mitgliedern der Linken sowie der Initiative und um den Dozenten der Humboldt-Universität Andrej Holm durch eine "wissenschaftliche Grundlage" versachlichen - und legt gleich vier Rechenmodelle mit Kosten von maximal 22,8 Milliarden Euro vor.

Das man überhaupt trefflich über die Kosten der "Vergesellschaftung" von Wohnungen streiten kann, hat zwei Gründe: Derartiges ist in der Bundesrepublik noch nie versucht worden. Außerdem liefert der Passus im Grundgesetz, der das Unterfangen dem Grunde nach denkbar macht, nur vage Anhaltspunkte für die allerdings zwangsläufige fällige Entschädigung der Enteigneten. Diese müsse "unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" bestimmt werden. Und deshalb beginnt die Rechnung.

Die "Interessen der Allgemeinheit"

Keine Rücksicht auf die Interessen der Allgemeinheit nimmt der Senat aus Sicht der Arbeitsgruppe: Denn der rechne eine Entschädigung auf Grundlage des "Verkehrswertes". Das ist der Preis, der beim Verkauf der 20.000 Wohnungen am Markt erzielt werden würde. Für Holm indiskutabel, weil darin eine "Spekulation auf steigende Mieten" eingepreist sei. Im öffentlichen Interesse sei im Gegenteil eine "dauerhaft soziale Mietenentwicklung". Und ein Zuschussgeschäft wäre die Enteignung dann auch, weil die Arbeitsgruppe einen Mietpreis von fünf Euro je Quadratmeter vorschlägt für den Enteignungs-Bestand.

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Am weitesten den Interessen von Deutsche Wohnen & Co käme eine Entschädigung der bestehenden Verbindlichkeiten der Firmen, also deren Kredite. 22,8 Milliarden Euro würden dadurch fällig. Aus Sicht von Linken-Politikerin und Mitglied der Arbeitsgruppe Sandra Lust kommt das nicht in Frage, weil die Konzerne hohe Schulden tragen und aufnehmen, um weitere Bestände zu kaufen, zu bauen oder Renditen auszuschütten. Daher spiegelten die Schulden nicht Kaufpreis plus etwaige Investitionen.

Würden diese Kosten, für Kauf und Sanierung, zuzüglich einer Verzinsung von vier Prozent auf das eingesetzte Eigenkapital der Firmen angesetzt, errechnen die Experten eine Entschädigung in Höhe von 15,9 Milliarden Euro. Sogar noch etwas mehr Geld wäre fällig, wenn ein anderes in der Immobilienbranche typisches Verfahren angesetzt wird zur Ermittlung deren Wertes: Die Mieteinnahmen der Wohnungen, also deren Ertrag, aber gedeckelt auf die Durchschnittsmieten der landeseigenen Firmen. Und diese Summe mit dem Zinsfaktor 15 multipliziert.

Entschädigung zu "Sozialmieten"-Tarif

Die vierte Berechnung schließlich macht das gesetzlich verankerte öffentliche Interesse stark und kommt auf eine Summe von 14,5 Milliarden Euro. Grundlage hierfür ist die künftige Miethöhe von fünf Euro je Quadratmeter nettokalt, weil diese als "leistbar" von Holm & Co angesehen wird. Und von dieser Sozialmiete ausgehend wiederum das Ertragswert-Verfahren angesetzt.

Egal wie hoch die Summe letztlich ist, das Land Berlin wird immer eigenes Geld aus dem Haushalt als "Eigenkapital" beisteuern müssen, um die Zeche zu zahlen. Eine Verzinsung dieser Summe lehnt die Arbeitsgruppe ab. Bei dem Fremdkapital rechnen sie mit Kosten von 1,5 Prozent. Und dieses Geld sowie die Kosten der Bewirtschaftung ließen aus der sozialen Vermietung des enteigneten Bestandes bezahlen. Ziel sei es, auf keine Hilfen des Landes angewiesen zu sein. Würde die Entschädigung nach dem "günstigsten" Modell für die "soziale Bewirtschaftung" erfolgen, würden die Firmen auf Schulden sitzen bleiben, die dann auf ihrem Restbestand von Nicht-Berliner Wohnungen übertragen würden. Überschuldungen sind nicht auszuschließen.

"Allein Neubau entlastet Markt"

Dass nicht gedankenlos und ohne solide Berechnung enteignet werden darf, hat die links geprägte Arbeitsgruppe erreicht: "Neubau ist das einzige, das den Markt entlasten kann", sagte Sebastian Gerhardt. Hier hätten die landeseigenen Firmen die politischen Ziele verfehlt. Diese nähmen aber "vermehrt Kredite auf". Weitere Milliarden-Kredite müssten sie aufnehmen für den Ankauf von 20.000 Wohnungen aus dem Bestand der vor der Fusion stehenden Deutschen Wohnen und Vonovia. Das werde die "Finanzierungsmöglichkeiten massiv einschränken". Kurzum, im öffentlichen Interesse ist es aus Sicht der Gruppe, dass die Entschädigungen nicht zusätzlich noch den dringend erforderlichen Neubau von Wohnungen einschränkt. Zumal die "Versorgungslücke" nach Berechnungen von Holm bei mehr als 360.000 Wohnungen zu leistbaren Mieten liege.

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