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Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin von BUENDNIS 90/DIE GRUENEN in Berlin, geht auf Immobilienwirtschaft zu.

© imago images/photothek

Enteignungsdebatte in Berlin: Grüne strecken überraschend die Hand aus

Immobilienbranche soll zu Vereinbarung gelockt werden - als kleines Übel gegenüber einer Enteignung. Das ist clever. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Schönball

Das war nicht zu erwarten: Die Berliner Grünen nutzen das Sommerloch, um der Wohnungswirtschaft die Hand zu reichen – oder jedenfalls einen Finger.

Sie wollen einen Mietenschutzschirm aufspannen und unterbreiten dazu einen für Politiker im Wahlkampf sensationell konkreten Verhandlungsvorschlag: Sie locken die Vermieter damit, die drohende Enteignung großer Wohnungsbestände auf der Zielgeraden noch zu stoppen, muten der Branche dafür aber einiges zu.

Die Idee ist einfach: Wenn nur genug Mietwohnungen – mehr als die Hälfte– zu günstigen „gemeinwohlorientierten“ Konditionen angeboten werden, dann ist der Mietenwahnsinn am Wohnungsmarkt vorbei.

Denn die vielen günstigen Wohnungen verhindern einen Anstieg der „ortsüblichen Miete“ im offiziellen Mietspiegel. Und dann können auch die auf Gewinnmaximierung zielenden Immobilienbesitzer nicht mehr so schnell an der Mietenschraube drehen.

Einführung des Mietendeckels durch die Hintertür, fürchtet die Immobilienbranche

Dazu ist zunächst an einen Mietenstopp für fünf Jahre gedacht – das ist die Einführung des Mietendeckels durch die Hintertür, ist in Branchenkreisen zu hören. Auch sei vieles nicht zu Ende gedacht. Die Pflicht zum Wohnungstausch, wenn Mieter sich einig werden, sei bei Genossenschaften beispielsweise nicht möglich.

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Zweifelhaft seien auch die Lockangebote, welche die Grünen in Aussicht stellen, sollten sie regieren: Denn staatliche Förderungen und Bürgschaften ließ die Wohnungswirtschaft bisher ungenutzt liegen.

Das ist alles richtig. Aber: Die grüne Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin, Bettina Jarasch, erklärte wiederholt, dies sei ihr Angebot und das sei verhandelbar.

Sie ließ auch keinen Zweifel daran, dass sie hart verhandeln werde – und persönlich für die Enteignungsinitiative am Wahltag votieren werde. Dieses Druckes bedürfe es, um die Wohnungswirtschaft überhaupt an den Verhandlungstisch zu locken.

Die Branche in Berlin steht schon unter Druck

Falsch ist das nicht. Das Angebot von Vonovia und Deutsche Wohnen an den Senat zum Kauf von Wohnungen, dessen tatsächlicher Wert erst bei der Verkündung des Verkaufspreises einzuschätzen ist, zeigt, unter welchem Druck die Branche in Berlin steht. Da geht es nicht nur um das Image, sondern auch um die drohende Enteignung und eine womöglich von den Grünen bestimmte Wohnungspolitik in Berlin und sogar im Bund.

So warnte Jarasch, die in Berlin die Koalition unter Führung der Grünen fortsetzen will, ihre Partner (SPD und Linke) davor, voreilig die Vorschläge vom Tisch zu wischen. Zumal der „runde Tisch“, den die SPD mit der Wohnungswirtschaft anstrebt, den Vorschlägen der CDU doch sehr ähnle. Nur: Auch andere Koalitionen sind in Berlin noch lange nicht ausgeschlossen.

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