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Der Aktivist Rouzbeh Taheri am Kottbusser Tor in Berlin. Er hat die Initiative "Deutsche Wohnen Co enteignen" gegründet.

© Kai-Uwe Heinrich

Trotz, Wut und persönliche Angriffe: Enteignungsinitiative trifft auf Deutsche Wohnen-Chef

Eine Berliner Initiative hat die Deutsche Wohnen zum Feind auserkoren. Initiator Rouzbeh Taheri saß nun mit Vorstandsvorsitzendem Michael Zahn auf einem Podium.

Sie waren nicht gekommen, um miteinander die Friedenspfeife zu rauchen. Im Gegenteil: Die Positionen von Michael Zahn, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Wohnen, und Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ prallten unversöhnlich aufeinander. Bei der diesjährigen ReCon Real Estate Conference zum Thema „Enteignen statt Neubau?“ trafen die beiden Protagonisten am Mittwochabend erstmals direkt aufeinander.

Während Zahn trotzig bemerkte „wir lassen uns nicht enteignen. Wir sind keine Bananenrepublik“, entgegnete Taheri „die Deutsche Wohnen ist ein Spekulationskonzern. Das ist hier kein Wildwest mehr“. Neben den bekannten Allgemeinplätzen wurde es auch etwas persönlich. Die Enteignung werde für Zahn eines Tages vielleicht noch das kleinere Übel darstellen, sagte Taheri ins Mikro. Zahn wiederum vergaß nicht, darauf hinzuweisen, dass Taheri früher bei der PDS und der Linken eine Rolle gespielt habe.

Die Veranstalter von der weltweit aufgestellten Immobilienkanzlei Greenberg Traurig hatten darauf geachtet, dass die beiden Kontrahenten nicht nebeneinander auf dem Podium im Atrium Tower am Potsdamer Platz sitzen mussten, allenfalls in Sichtweite. Man würdigte sich indes kaum eines Blickes, wie die rund 400 Teilnehmer, größtenteils aus der Immobilienbranche, feststellen konnten.

War die Diskussion schon von polarisierenden Standpunkten gekennzeichnet, so erwiesen sich auch die Umstände der Veranstaltung als ungewöhnlich. Nicht nur, dass wegen der starken Nachfrage zur Thematik eigens ein größerer Saal angemietet wurde. Vor dem Zutritt hatten alle Gäste eine Sicherheitsschleuse wie an einem Flughafen zu passieren, für manchen Medienvertreter zu einem beruflichen Anlass eine völlig neue Erfahrung. Auf dem Potsdamer Platz patrouillierten gleich an mehreren Stellen martialisch anzusehende Polizeibeamte.

Taheri: Landeseigene sollen den BBU verlassen

Trotz einiger Befürchtungen blieb es während der Veranstaltung im Umfeld ruhig. Für Zündstoff auf dem Podium sorgte jedoch Taheri, als er ankündigte, man wolle dafür sorgen, dass die sechs städtischen Wohnungsgesellschaften den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) verlassen. Sein Vorwurf an die altehrwürdige Branchen-Organisation: Sie würde die Deutsche Wohnen in Schutz nehmen.

BBU-Vorstand Maren Kern, die auch auf dem Podium saß, war sichtlich schockiert über diesen Vorstoß. Zuvor hatte sie schon gesagt, sie sei „hochgradig entsetzt“ darüber, dass auch die kirchliche Hilfswerk-Siedlung auf der Enteignungsliste stehe. Tatsächlich findet sich das Unternehmen unter den zehn vom Senat angegebenen Enteignungskandidaten mit mehr als 3.000 Wohnungen. Taheri erklärte allerdings, man wolle das Hilfswerk von der Liste streichen. Sein Unmut gegenüber dem BBU lässt sich aber wohl damit erklären, dass die Deutsche Wohnen seit langem Mitglied im Verband ist.

Sicherheitsabstand: Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn (2. v. l.) und Aktivist Rouzbeh Taheri (2. v. r.) auf dem Podium.
Sicherheitsabstand: Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn (2. v. l.) und Aktivist Rouzbeh Taheri (2. v. r.) auf dem Podium.

© Greenberg Traurig

Was halten die Parteien der Großen Koalition von Enteignungen? Klaus Mindrup, Bundestagsabgeordneter der SPD, zuständig für Pankow, Prenzlauer Berg und Weißensee, blieb zunächst vage: „Der Meinungsfindungsprozess bei der Berliner SPD ist noch nicht abgeschlossen.“ Dann aber kam doch noch eine persönliche Ansage: „Enteignung löst die Probleme nicht. Diese Debatte hilft nicht.“ Man brauche stattdessen „bessere Mietgesetze und einen vernünftigen Umgang miteinander“.

Klarer äußerte sich der CDU-Mann Jan-Marco Luczak, direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. „Die Eigentumsgarantie gehört zu den fundamentalen Säulen unserer Rechtsordnung. Sie sägen an den Grundfesten unserer Gesellschaft“, warf er Taheri vor und warnte außerdem davor, Ängste bei den Menschen zu schüren und eine reine Klientelpolitik zu betreiben.

„Wir werden diese Stadt mitbestimmen“

Was denn die Stadt davon habe, wenn sie Beträge von rund 30 Milliarden Euro für die Enteignung der Wohnungsunternehmen ausgebe, wollte nicht nur der Moderator Rainer Hank von dem Mieteraktivisten wissen. Taheris Antwort: „Eine halbe Million Menschen kann besser schlafen.“

Er machte auch kein Geheimnis aus seiner Zielsetzung: „Ja, wir wollen eine andere Stadt.“ Investoren könnten nach Berlin kommen, aber sie müssten sich an die Bedingungen der Mieterinitiativen halten. Selbstbewusst proklamierte er: „Wir werden diese Stadt mitbestimmen.“ Daraufhin konterte ein entsetzter Luczak: „Die Macht liegt nicht auf der Straße.“

Dass die Diskussion wohl grundsätzlich werde, hatte schon Christian Schede von Greenberg Traurig in seinem Eingangsvortrag angedeutet, indem er die zwei möglichen Wege skizzierte: „Konzertierte Aktion für Neubau oder Rückkehr zum Sozialismus?“ Der Jurist machte indes keinen Hehl aus seiner persönlichen Auffassung, die Enteignungsinitiative sei ein „verfassungsrechtliches Himmelfahrtskommando“. Sein Credo hingegen: „Angemessenen Wohnraum für alle schaffen.“

Wenigstens dieser Leitlinie konnten alle einigermaßen folgen. Taheri: „Es geht um die Existenz von Menschen.“ Zahn: „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Mit Ideologie werden wir das Problem aber nicht lösen.“ Doch die inzwischen heiß gelaufene Diskussion um Enteignungen sorgt schon für neue Weichenstellungen. Klaus Mindrup wittert ein „Arbeitsbeschaffungsprogramm für Juristen“. Und Jan-Marco Luczak warnt vor einer Wohnungsbau-Blockade: „Investoren werden gebremst, müssen abwarten. Wir verlieren ganz wertvolle Zeit.“

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