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Beatrice Kramm, 55, ist Präsidentin der IHK in Berlin.

© promo

„Endlich handeln, das wäre revolutionär“: Das hält die Wirtschaft von einer Berliner Verwaltungsreform

Muss die Verwaltung reformiert werden? Aus Wirtschaftssicht: Ja, und zwar zügig. Ein Gastbeitrag der IHK-Präsidentin.

Ein Staatssekretär der SPD, ein Bezirksbürgermeister der Linken und eine grüne Bezirksbürgermeisterin – durchaus wichtige Repräsentanten von R2G – wollen die Revolution!

Zu diesem Ergebnis könnte man kommen, wenn man den kürzlich veröffentlichten, gemeinsamen Tagesspiegel-Gastbeitrag zur Verwaltungsmodernisierung von Frank Nägele, Sören Benn und Monika Herrmann aufmerksam liest.

[Den ersten Gastbeitrag aus dieser Serie zum Vorschlag der Verwaltungsreform der Koalition lesen Sie hier. Im zweiten Teil antworten drei CDU-Politiker auf den Vorschlag, diesen Beitrag finden sie hier.]

Denn die drei fordern eine Verfassungsänderung. Sie wollen damit das untragbare Zuständigkeitswirrwarr zwischen Senat und Bezirken endlich zerschlagen und Berlin so aufstellen, wie es für eine europäische Millionenmetropole selbstverständlich sein sollte.

Revolutionär ist allerdings nicht die Forderung, denn tatsächlich sind weder die Idee der Wiedereinführung der Fachaufsicht oder der Stärkung der Bezirksbürgermeister neu.

Warum ausgerechnet jetzt?

Auch die IHK Berlin hatte ähnliche Vorschläge in der aktuellen Legislatur gemeinsam mit der Stiftung Zukunft Berlin eingebracht. Interessant ist, dass diese Forderungen nun aus der Regierungskoalition heraus kommen.

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Zwar muss die Frage erlaubt sein: Warum erst jetzt? Stolze 192 Mal steht das Wort „Verwaltung“ im Koalitionsvertrag von R2G, gerne ergänzt durch Adjektive wie „modern“, „leistungsfähig“ oder „bürgernah“.

Wie weit Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, haben uns nicht zuletzt die Monate des Lockdowns vor Augen geführt, als wesentliche Teile der Verwaltung der deutschen Hauptstadt die weiße Flagge hissen mussten.

Die Forderung ist bereits vertraglich geregelt

Wenn Nägele, Benn und Herrmann nun gemeinsam etwas fordern, was vertraglich zwischen den drei agierenden Parteien nicht vereinbart war (der Begriff „Verfassungsreform“ hatte es nämlich nicht in den Koalitionsvertrag geschafft), dann ist die Hoffnung erlaubt, dass sich doch noch etwas bewegen kann, in diesen letzten Monaten der Koalition bevor der Wahlkampf beginnt.

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Wie also sind die Ideen aus Wirtschaftssicht zu bewerten? Klar geregelte Zuständigkeiten und die Wiedereinführung der Fachaufsicht wären ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

Auch die Stärkung der Bezirksbürgermeister erscheint sinnvoll. Es ist nur schwer vermittelbar, warum der Bezirksbürgermeister in Konfliktfällen keine Durchgriffsrechte hat. Ob es dagegen ein „politisches Bezirksamt“ für eine einheitliche Aufgabenerfüllung in den Bezirken braucht, mag man dahingestellt sein, um ehrlich zu sein: Ich brauche es nicht.

Endlich eine zentrale Stelle für Digitalisierung

Viel entscheidender ist dagegen, dass die Zuständigkeit für das große und komplexe Feld der Digitalisierung endlich zentral beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt wird. Für diese Forderung der drei Politiker gibt es deshalb die uneingeschränkte Zustimmung.

Wenn das Thema Digitalisierung wie derzeit auf mehrere Senatsverwaltungen verteilt ist plus die Detailzuständigkeiten in den Bezirken und nachgeordneten Behörden – dann ist eine Digitalpolitik aus einem Guss zum Scheitern verurteilt.

Nicht zuletzt empfehlen die Autoren völlig zu Recht die Überprüfung der Finanzierungssysteme. Auch hier geht es um Gestaltung und die damit verbundene Verantwortung.

Die Vorschläge sind überfällig

Was für eine Gemeinde in einem Flächenstaat selbstverständlich ist, nämlich zum Beispiel die Entscheidung über Ansiedlungen von Unternehmen, um mögliche Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu erzielen, ist in der Einheitsgemeinde Berlin aktuell nicht vorgesehen.

Eine bezirkliche Willkommenskultur für Unternehmen könnte durch finanzielle Anreize zumindest befördert werden. Kurz: Viele der Vorschläge sind gut und die Umsetzung ist überfällig.

In einem Jahr sind die nächsten Wahlen. Die Zeit wird also knapp, aber mit einer gemeinsamen politischen Anstrengung über Parteigrenzen hinweg ist eine Umsetzung auch kurzfristig möglich.

Das haben wir in den letzten Monaten gesehen! Deshalb zum Schluss ein ganz verwegener Vorschlag: Wie wäre es jetzt mit dem nächsten Schritt: Mit dem Handeln? Das wäre dann wirklich revolutionär.

Beatrice Kramm

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