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Diverse unbeliebte Weihnachtsgeschenke umtauschen? Gelingt im Einkaufszentrum ganz beiläufig.

© Jörg Carstensen/ dpa

Einkaufszentren sind ein Segen: Ein Hoch auf die Shopping-Malls!

Schuldgefühle, weil ich den Einzelhandel zerstöre? Ganz ehrlich: nein. Die Monotonie der Einkaufszentren hat ihre eigene Poesie.

Von Julia Prosinger

Neulich im Nachweihnachtsstress. Erst das Fondue (wir haben schon drei!) gegen ein Raclette-Gerät getauscht. Dann die Laufschuhe eine Nummer kleiner besorgt und den Lego-Doppelrotor-Hubschrauber gegen den Rettungshelikopter (wie kann man das verwechseln!) eingelöst. Schließlich im Aufzug zur Tiefgarage zusammen mit den anderen Müttern, Tanten und Omas (wer sonst erledigt so was?) erleichtert aufgeatmet und den Arkaden, Carrés und Zentren dieser Welt gehuldigt. Denn nach nur 45 Minuten Sündigen im Konsumtempel blieb ganz viel Zeit für pädagogisch wertvolles Spielen und richtig gute Gespräche.

Sich später schuldig gefühlt, weil man mit seinem Geshoppe den Einzelhandel zerstört hat? Nein. Wie elitär ist es, von Familien zu erwarten, sie sollen durch die weit voneinander entfernt gelegenen Boutiquen schlendern, mit Tüten bepackt auf den einen, überforderten Verkäufer warten, nur um nächste Woche wiederzukommen, weil der Patensohn es sich anders überlegt hat? Und wie überheblich, jene zu verspotten, die sich über eine Fontana auf der Piazza im „Centro“ freuen, weil sie sich eine Reise nach Italien nicht leisten können?

Das erste Date im Eiscafé Venezia

Zumal – das da im Aufzug war eine echte Begegnung. Wo sonst kommen Marzahnerinnen noch mit Charlottenburgerinnen zusammen? So lange Museen teuer und Parkbänke versifft sind, treffen sich Senioren und Teenager eben im Food Court auf eine Chinapfanne.

Vielleicht haben die anderen Frauen im Aufzug sich auch an ihre Jugend in der Kleinstadt erinnert. An ihr erstes Date im Eiscafé Venezia im OG des örtlichen Shoppingzentrums. Ans Herumlungern mit der Clique vor dem Penny-Markt im Keller, weil es an der Bushaltestelle zu kalt geworden war. Und an den Obdachlosen vergangene Woche, der durch die „Passage“ streifte, auf den weichen Sesseln ein Nickerchen machte, während er sein Handy an der Steckdose auflud. Möglicherweise schwören die anderen Frauen im Aufzug ebenfalls auf die beruhigende Kraft der Mall. Wie eine Vorabendserie, deren Protagonisten einen seit Jahren begleiten, reiht sich Mango an Hallhuber, Vodafone an Yves Rocher. Nichts ist neu – und das ist auch gut so. Die Monotonie der Mall hat eine ganz eigene Poesie.

Man findet sich in Spandau genauso zurecht wie in Garmisch-Partenkirchen. Das Shoppingzentrum in Montreal hat die gleiche Temperatur wie das in Bangkok, die Luft ist überall zu trocken. Welch Arroganz der Kosmopoliten, zu behaupten, eine Fahrt auf der Rolltreppe könne keinen Trost spenden, wenn man gerade auf Kapstadts Straßen beklaut wurde!

Das Alexa Center bringt Berliner zusammen. Und sei es in ihrer Abneigung: Wie scheußlich!
Das Alexa Center bringt Berliner zusammen. Und sei es in ihrer Abneigung: Wie scheußlich!

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlins Alexa verbindet Menschen

In den USA, dem Heimatland der Malls seit Victor Gruens Southdale Center von 1956, sterben sie schon lange aus. Wo bleiben die Unterschriftenlisten für diese bedrohte Spezies? Auch in Deutschland müssen sich die Betreiber Achterbahnen auf Dächern einfallen lassen, um ihr Center wieder zum Zentrum zu machen. Seid doch froh, dass wir nicht nur noch online handeln!

Außerdem – wann war sich Berlin, diese Stadt der vielen Stimmen, jemals so einig wie 2007, als das Alexa eröffnete? Die hässlichste Bausünde aller Zeiten, wer hat die nur wieder genehmigt?

Ein Hoch auf unseren guten Geschmack! Oder noch besser: einen Frappe Latte Caramel.

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