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Stadtentwicklungssenator Müller: "Wir beobachten ja weltweit ein Anwachsen der Metropolen."

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Eine Stadt im Wandel: Neues Leitbild für Berlin

Anwachsende Einwohnerzahlen, steigende Mieten, fehlende Schulen: Michael Müller (SPD), Senator für Stadtentwicklung, über das geplante Stadtforum 2030 und das Ziel, ein neues Leitbild für Berlin zu entwickeln.

Herr Müller, Sie laden zu einem Stadtforum 2030 ein, bei dem es um soziale und räumliche Integration, um Lebensqualität gehen soll. Warum eine solche Aktion?

Weil wir vor starken Veränderungsprozessen in der Stadt stehen, die wir jetzt schon spüren. Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung, durch den Zuzug, durch steigende Bevölkerungszahlen. Es geht darum, auch unter diesen neuen Vorzeichen den sozialen Ausgleich zu organisieren. Das muss Politik aktiv begleiten, und deshalb wollen wir ein Forum schaffen, in dem wir uns über diese Entwicklung austauschen und die unterschiedlichsten Ideen darin zusammenführen.

Was soll das Stadtforum kurz- und mittelfristig bewirken?

Mit dem Stadtentwicklungskonzept 2030, das sich aus diesem Forum und den damit verbundenen Werkstattgesprächen entwickeln soll, wollen wir ein Leitbild für die Stadt entwerfen: Wohin wird sich die Stadt entwickeln, was ist Aufgabe der Politik, was muss organisiert werden, wo brauchen wir aber auch die Einmischung der aktiven Bürgergesellschaft. Welche Ansprüche haben die Bürgerinnen und Bürger an diesen Prozess und an die Veränderungen. Das wollen wir diskutieren und daraus einen Handlungsleitfaden für die Stadt entwickeln – ein Leitbild.

Visionen gesucht: Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher auf der Baustelle der Staatsoper Unter den Linden.
Visionen gesucht: Stadtentwicklungssenator Michael Müller und Senatsbaudirektorin Regula Lüscher auf der Baustelle der Staatsoper Unter den Linden.

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Sie haben für die Eröffnungsveranstaltung des Stadtforums am Freitag mehr als 100 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eingeladen. Sie repräsentieren alle wichtigen Bereiche der Berliner Bürgergesellschaft. Was für ein Zeichen wollen Sie damit setzen?

Es geht uns wirklich um diese 100 Personen, die auch wichtige Institutionen der Stadt repräsentieren. Wir wünschen und hoffen, dass sie künftig kontinuierlich an dem Stadtentwicklungskonzept mitarbeiten. Wir wollen die unterschiedlichen Meinungen und kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Erfahrungen zusammenführen, denn diese Vielfalt macht unsere Stadt aus. Und dann wollen wir natürlich auch die gesamte Stadtgesellschaft einladen, die Diskussion mit uns weiterzuführen.

Sie berufen sich bei dem, was Sie tun, auf die Koalitionsvereinbarung. Die ist fast 14 Monate alt. Warum kommt das Zukunftsforum erst jetzt?

Erst jetzt würde ich nicht sagen. Eine solche intensive Form der Partizipation bedarf natürlich auch einer gründlichen Vorbereitung. Eine ressortübergreifende Bestandsaufnahme war uns dabei sehr wichtig. Es geht ja nicht nur um Stadtentwicklung, sondern auch um die wirtschaftlichen, sozialen und integrativen Komponenten.

Dieser Prozess kommt zum richtigen Zeitpunkt, um für die Zukunft Berlins die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Geplant: bezahlbare Wohnungen bauen und Bürger beteiligen

Hat Sie das prognostizierte Ansteigen der Bevölkerung um 40 000 Menschen jedes Jahr besorgt gemacht und zur Eile angetrieben?

Besorgt gemacht hat es uns nicht, aber es war ein zusätzlicher Antrieb. Wir beobachten ja weltweit ein Anwachsen der Metropolen. Nach Jahren der Stagnation auch in Berlin diese Dynamik zu erleben, war natürlich ein zusätzlicher Impuls, um zu sagen: Jetzt muss es losgehen.

Für viele Vorhaben in diesem Zusammenhang haben Sie keine 17 Jahre Zeit bis 2030, weder für den Bau neuer Schulen noch für den Wohnungsbau.

Umso wichtiger ist es, keine Zeit zu verlieren und Schritt für Schritt zu gestalten, Planungen voranzutreiben und sich gerade im Bereich Bildung und Wohnen weiterzuentwickeln.

Wie wollen Sie die Menschen mitnehmen? Alles protestiert zum Beispiel gegen Gentrifizierung, aber wenn irgendwo neue Wohnungen gebaut werden sollen, will die auch niemand haben.

Deshalb ist es gerade wichtig, für den Bau von neuen, bezahlbaren Wohnungen zu werben. Das ist die Aufgabe der Politik. Wichtig ist uns natürlich auch, bei großen Projekten die Bürgerinnen und Bürger frühzeitig an den Planungen zu beteiligen.

Was soll die IBA 2020, die Internationale Bauausstellung, die Sie planen, für ein Ziel haben?

Die Internationale Bauausstellung soll das Spannungsverhältnis zwischen der inneren und der äußeren Stadt thematisieren. Wir haben eine Diskussion über die Verdrängung aus begehrten Innenstadtlagen: Ist es lebenswert und erstrebenswert, am Rande der Stadt zu leben? Wir wollen die enge Verbindung zwischen beidem deutlich machen und zeigen, dass es auch in den Außenbereichen lebenswerte Wohnquartiere mit einer guten Infrastruktur gibt. Diesen Gedanken kann eine IBA folgen und sie real werden lassen.

Das Interview führte Gerd Appenzeller.

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