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Zweisamkeit. In der Kita unserer anonymen Interviewpartnerin gibt es noch eine alleinerziehende Mutter, aber das sei nicht dasselbe, findet sie. Den anderen Eltern dort hat sie nur erzählt, dass sie mit dem Vater ihrer Tochter befreundet ist.

© Julian Stratenschulte/dpa

Eine Solo-Mutter erzählt: "Ich konnte mir nicht vorstellen, dass aus so einer weißen Pampe ein Kind entsteht"

Sie wollte ein Kind, aber keinen Partner. Also suchte sie im Internet nach einem Samenspender. Heute ist ihre Tochter zwei Jahre alt. Ein anonymes Interview.

Auf dem Küchentisch der Altbauwohnung in Steglitz liegt neben einer Schale mit Knabberzeug ein Bilderbuch. Auf dem Cover umarmt eine Frau ein Kind. Es heißt: „Unsere Familie. Ein Buch für Solo-Mütter mit Wunschkindern nach Samenspende.“ Die eher schmale Frau, die am Tisch sitzt, Tee trinkt und in dem Buch blättert, wirkt zurückhaltend, als sie zu reden beginnt. Sie will ihren Namen nicht in der Zeitung sehen, weil es ihr schwer fällt, offen über ihre Situation zu sprechen. Aber darüber sprechen möchte sie.

Wann haben Sie ihrer Tochter das Buch „Unsere Familie“ zum ersten Mal gezeigt?

Das Buch ist ein Geschenk von meiner Mutter, ich habe es mir zu Weihnachten gewünscht. Danach habe ich es mit meiner Tochter durchgeblättert, sie hatte aber kein großes Interesse daran. Mit zwei Jahren ist sie ja auch noch zu klein dafür.

Das Buch erklärt kindgerecht, wie Geburten durch Samenspenden entstehen. Sie möchten also, dass ihre Tochter weiß, wie sie gezeugt wurde?

Ja. Mir war es wichtig, von Anfang an ehrlich zu sein. Natürlich versteht sie noch nicht, wie Kinder gezeugt werden. Die Einzelheiten erzähle ich ihr, wenn die Zeit dafür reif ist. Ich lüge sie aber nicht an. Meine Tochter kennt auch ihren Vater, sie treffen sich alle paar Monate. Ich sage ihr, dass der Mann ihr Vater ist aber nicht ihr Papa – das ist für mich ein wichtiger Unterschied.

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Haben Sie Angst, dass Ihre Tochter Ihnen eines Tages Vorwürfe macht? Oder dass sie deshalb in der Schule gemobbt wird?

Natürlich habe ich diese Ängste. Aber ich hoffe, dass ich meiner Tochter genug Selbstbewusstsein geben kann, damit sie später offen damit umgehen kann. Ich sage ihr immer wieder, dass sie ein absolutes Wunschkind ist und dass ihr Vater mir dieses Geschenk gemacht hat. Das erzähle ich auch tausendmal lieber, als wenn ich sagen müsste, ich hätte sie versehentlich in einer betrunkenen Nacht gezeugt und wüsste nicht, wer der Vater ist.

Wie haben Sie den Vater Ihrer Tochter gefunden?

Mir wurde irgendwann klar, dass ich unbedingt ein Kind möchte. Ich hatte aber keinen Partner und wollte auch keinen. Schon als ich klein war habe ich immer gesagt: Ich will ein Kind aber keinen Mann. Ich habe einfach kein Bedürfnis danach. Das hat nichts mit schlechten Erfahrungen zu tun. Ich glaube, ich bin da einfach anders gestrickt. Viel mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Ich bin ein zufriedener Single, auch wenn man damit in unserer Gesellschaft als Sonderling gilt.

Also habe ich angefangen zu recherchieren und bin im Internet auf ein Forum gestoßen, wo man nach privaten Samenspendern suchen kann. Dort habe ich verschiedene Männer angeschrieben und mich letztlich mit dem heutigen Vater auf einen Kaffee getroffen.

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Ist es nicht komisch, einen fremden Mann zu treffen und darüber zu sprechen, wie man ein Kind zeugt?

Klar ist das komisch. Aber menschlich hat es zwischen uns gleich gepasst. Wir haben dann darüber gesprochen, wie wir uns die ganze Sache vorstellen. Für mich war immer klar: Ich will, dass mein Kind seinen Vater kennt und weiß, wo es herkommt. Der Vater soll aber keine Rechte und keine Pflichten haben.

Das heißt, er muss auch keinen Unterhalt zahlen?

Genau. Bei der Abmachung müssen wir uns natürlich voll aufeinander verlassen, weil diese Form der Elternschaft im Gesetz nicht vorgesehen ist. Rechtlich könnte ich jederzeit vom Vater Unterhalt verlangen oder er könnte versuchen, die Vormundschaft für unsere Tochter einzuklagen. Wir müssen uns also einfach vertrauen.

Was war denn die Motivation des Vaters, Ihnen die Samenspende zu geben?

Er hat gesagt, dass er selbst gerne Kinder möchte aber dieser Wunsch nicht zu seiner Lebenssituation passt. Er ist ein Weltenbummler, fliegt gerne mal spontan mit One-Way-Ticket in die USA. Deshalb wollte er anderen helfen, die einen Kinderwunsch haben.

Und nach ein paar Treffen haben Sie dann die Samenspende von ihm bekommen?

Genau. Das war das erste Mal, dass er zu mir nach Hause kam. Er ist dann ins Bad, ich habe in der Küche gewartet, das war schon sehr seltsam. Später habe ich mit den Samen mit einer Spritze eingeführt. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass aus so einer weißen Pampe ein Kind werden soll. Ein paar Wochen später kamen dann die ersten Symptome: Müdigkeit, Übelkeit. Da war klar, dass es geklappt hat.

Wie haben Ihre Familie und Freunde reagiert?

Ich hätte eigentlich erwartet, dass meine Eltern das befremdlich finden. Aber die waren sehr verständnisvoll. Meine beiden Schwestern haben selbst Kinder, die konnten meinen Wunsch gut verstehen und haben mich bestärkt. Mit ein paar Freundinnen habe ich auch gesprochen, da gab es schon den ein oder anderen Zweifel, ob ich das alleine schaffe. Insgesamt war ich aber überrascht, wie positiv die Reaktionen waren.

Haben Sie immer noch Kontakt zum Samenspender?

Ja, wir schreiben uns per WhatsApp, manchmal schickt er ein Foto wenn er auf Reisen ist. Und alle paar Monate kommt er vorbei, das ist dann immer sehr nett. Meine Tochter war ihm gegenüber von Anfang an extrem aufgeschlossen, man hat sofort gemerkt, dass da eine spezielle Verbindung ist. Der Vater hat auch noch an zwei weitere Frauen gespendet, es gibt also Geschwister. Mit den anderen Müttern stehe ich auch in Kontakt. Da sind richtige Freundschaften entstanden, die Kinder verstehen sich sehr gut. Der eine Junge ist nur zwei Monate älter als meine Tochter, die sind ein Herz und eine Seele.

Ein Bruder, der zwei Monate älter ist als seine Schwester - wird es für Ihre Tochter nicht schwierig, das später zu erklären?

Klar klingt das erst mal komisch. Ich hoffe einfach, dass so etwas in der Zukunft immer normaler wird: Kinder die nur eine Mutter haben, oder auch zwei Mamas oder zwei Papas. Ich habe selbst immer noch Probleme damit, vor fremden Leuten offen mit meiner Situation umzugehen. Ich schäme mich nicht dafür, aber ich würde gerne noch selbstbewusster damit umgehen. In meiner Kita gibt es zwar eine alleinerziehende Mutter, aber das ist ja nicht dasselbe. Ich fühle mich da schon oft als Sonderling.

Was sagen Sie Eltern im Kindergarten, die nach dem Vater Ihrer Tochter fragen?

Ich sage dann, dass wir befreundet sind, aber nicht zusammen. Und dass es gut ist, wie es ist. Ich bin ja mit meiner Situation sehr zufrieden.

Lucia Heisterkamp

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