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Die Band Von Wegen Lisbeth beim Minigolf in der Hasenheide in Neukölln.

© Madlen Haarbach

Eine Partie Minigolf mit der Band Von Wegen Lisbeth: Was das Westkreuz mit der Liebe zu tun hat

Die fünf Bandmitglieder kennen sich schon aus der Schule: Heute sind sie Mitte 20 und haben mit ihrer Musik an zwei Tagen hintereinander die Columbiahalle gefüllt.

Beim Vulkan wird es herausfordernd. Doz Zschäbitz haut den Ball sechsmal mit Schwung über die Minigolfanlage – er landet nicht im Loch. Nach sechs Versuchen muss er aufgeben und bekommt einen Strafpunkt, sagen die Regeln. Auf der Nachbarbahn locht Matthias Rohde beim sechsten Versuch ein.

Das gibt sechs Punkte, für jeden Schlag einen, am Ende gewinnt der Spieler mit den wenigsten Punkten. „So sieht’s nämlich aus“, sagt Rohde, streicht die Haare aus der Stirn und lacht. Auch Julian Zschäbitz braucht sechs Anläufe. Robert Tischer, mit Zigarette im Mundwinkel, versenkt den Golfball beim ersten Versuch. „Wie früher in der Schule“, kommentiert Julian Hölting.

Die fünf gingen früher am Lankwitzer Beethoven-Gymnasium in zwei Parallelklassen und gründeten, so der Mythos, in einer Freistunde eine Schülerband. Aus dieser Band, die irgendwann mal mit Punk – „Wir konnten halt nichts anderes“, sagt Doz Zschäbitz – anfing und die irgendwann auch mal „Igitt Pferde“ geheißen haben soll, ist mittlerweile die Popband „Von Wegen Lisbeth“ geworden.

Mitte Mai spielten die fünf Lisbeths, wie sie sich selber gerne nennen, zwei Abende hintereinander in der ausverkauften Columbiahalle. Kurz vorher brachten sie ihr zweites Album „sweetlilly93@hotmail.com“ heraus. Gerade sind sie auf Festivaltour, im September startet die Clubtour „Britz-California“. Es ist ihre zweite Tour als Headliner.

„Alles Wahrheiten, wir singen nur Wahrheiten“

Mythen und Insider gibt es bei der Band viele, was sich in den Texten zeigt – und auch beim Minigolfen in der Hasenheide in der lisbethschen Wahlheimat Neukölln. Aber eines ist klar: „Alles Wahrheiten, wir singen nur Wahrheiten“, sagt Keyboarder Tischer.

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Für ihre Heimatstadt Berlin hegen die Lisbeths gemischte Gefühle. Da ist der Eindruck, dass sich alles zu schnell wandelt, dass das, was immer da war, plötzlich weg ist. „Ich finde es schon schwierig, die Gentrifizierung nicht mitzubekommen“, sagt Rohde, zuständig für Gitarre und Gesang. Die Band probt an der Rummelsburger Bucht, für die Ende April ein neuer Bebauungsplan verabschiedet wurde. Wo heute Obdachlose campieren, soll demnächst ein modernes Aquarium entstehen.

Im Dezember veröffentlichten die Lisbeths ein Video, in dem sie ihre Solidarität mit der Neuköllner Kiezkneipe Syndikat erklärten, der vor einigen Monaten der Mietvertrag gekündigt wurde. Früher, vor dem Abi, seien sie nach Prenzlauer Berg auf Konzerte gefahren. „Und jetzt macht gerade selbst in Kreuzberg und Neukölln alles zu, was ewig offen war“, sagt Doz Zschäbitz (Gitarre). Überhaupt bestehe Prenzlauer Berg nur noch aus Eigentumswohnungen. „Das ist einfach keine soziale Politik“, sagt Tischer, „aber wenn man reiche Leute nach Berlin holen will, ist das der richtige Weg.“

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In Berlin findet man immer einen Laden

Und dann ist da ja noch das andere, was Berlin auszeichnet. „So ein bisschen das Gefühl zu haben, dass so eine Stadt nicht komplett zu Ende gedacht sein muss“, sagt Hölting, der Bassist. Die Möglichkeiten, die Subkultur. „In Berlin hatte man das Glück, mit allem Angebot was es so gibt, aufzuwachsen“, sagt Tischer.

„Auch als Band bringt es einem ja voll viel, wenn man, egal wie schlecht man ist, halt immer irgendeinen Laden findet, wo man reinpasst und Leute, die sich das anhören“, sagt Doz Zschäbitz.

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Der Vulkan ist die vierte Bahn der Minigolfanlage an der Hasenheide, die vierte von 18. Spätestens bei der siebten Bahn, einer Art Rampe mit Loch in der Mitte, kommt Frust auf. Hölting locht wieder nicht ein. „Das geht jetzt aber schon auf mein Golferego“, sagt er, halb genervt, halb im Spaß.

Ein bisschen mehr „Diss-Hiphop-Battle-Rap“

„Mach doch mal was Krasses“, ruft Rohde dem anderen Julian zu, Drummer Julian Zschäbitz, dem Bruder von Doz, der wiederum über Tischer (ein Versuch, ein Punkt) herzieht: „Robert ist halt so’n echter Steglitz-Minigolfer.“ Hölting lacht. „Da spricht der blanke Neid aus uns“, sagt er. Doz Zschäbitz haut den Ball auf die Nachbarbahn und locht ihn einfach da ein. „Ich finde, das kann man schon mal machen“, sagt Hölting. „Kann man machen, ist aber nicht ehrenhaft“, sagt Tischer.

Die fünf kommentieren Technik und Schlägerhaltung der anderen, Geschwindigkeit, Beinstellung. Sie lachen, wenn der Ball ihrer Kontrahenten danebengeht, fluchen, wenn es sie selber trifft. Ungefähr so muss das auch im Tourbus zugehen, bei fünf Jungs Mitte 20, die sich einfach schon immer kennen. Hier hat es Konjunktur, gegenseitig übereinander herzuziehen. Überhaupt, ein bisschen mehr Konkurrenz, ein bisschen mehr „Diss-Hiphop-Battle-Rap“, wie Doz Zschäbitz es ausdrückt, würde auch dem Popbusiness guttun, finden die fünf. „Ich finde es in diesen Popgenres manchmal so weichgespült, dass es schon fast nicht mehr okay ist zu sagen, ich finde die Mucke kacke“, sagt Hölting. Dabei sei direkte Kritik doch viel ehrlicher.

Ehrlichkeit, darum dreht sich auch viel in den Texten der Lisbeths. „Wir haben aber nicht den Anspruch zu sagen, okay, wir wollen jetzt ein mega aktuelles Album machen und müssen genau beobachten, was gerade passiert“, sagt Sänger Rohde, der die meisten Texte schreibt. Stattdessen fließen die Zeilen eher einfach so, weil es um Themen geht, die die Band gerade selbst beschäftigen.

Am achten Loch scheitern alle

Da geht es um Dönerläden, die jetzt Friseursalons sind, die Frau, die einen verlassen hat und Ratten in der U8. Eher Alltagsgefühl als Pathos, eher Gameboy-Synthesizer-Musik als Klarinette. „Alltägliche Sachen beschreiben ist vielleicht persönlicher, eingängiger, weil man sich damit identifiziert und irgendwie merkt, das passiert in einem Leben und nicht im Happy-Hollywood-Life“, sagt Hölting.

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Im echten Leben muss der Ball an der achten Bahn über eine Rampe in ein Netz. Alle scheitern. Dann ist Rohde dran. Bei seinem vierten Versuch sagt er: „So, ich hau ihn jetzt mal rein.“ Er schlägt, der Ball landet im Netz. Vier Versuche, vier Punkte.

Er habe meistens eine Textzeile, mit der ein Song anfängt, sagt Rohde. Eher ein paar Worte als ein Thema. Dann kann es schon mal passieren, dass er „Der Fahrstuhl am Westkreuz riecht noch immer nach Pisse“ auf „und du weißt nicht, wie doll ich dich vermisse“ reimt. „In dem Fall war das einfach ein Verlegenheitsreim“, sagt Rohde. Er habe gar nicht vorgehabt, ein Liebeslied zu schreiben und dann überlegt: Was reimt sich auf „der Fahrstuhl riecht nach Pisse“? Disse? Fahne hisse? „Gut, wurde dann wohl doch ein Liebeslied“, sagt er und lacht.

„Nur Wahrheiten, nur absolute Wahrheiten“

Zumindest der Teil mit dem Fahrstuhl und dem Uringeruch ist wahr. „Das kann man auch in den Youtube-Kommentaren unter dem Song lesen“, sagt Tischer und zitiert: „Ich war extra im Fahrstuhl am Westkreuz und ich kann bestätigen, er riecht wirklich nach Pisse.“ Das sei der Faktencheck gewesen. „Nur Wahrheiten, nur absolute Wahrheiten.“

Minigolfen statt Musizieren: Die fünf kommentieren Technik und Schlägerhaltung der anderen, Geschwindigkeit, Beinstellung.
Minigolfen statt Musizieren: Die fünf kommentieren Technik und Schlägerhaltung der anderen, Geschwindigkeit, Beinstellung.

© Madlen Haarbach

Die neunte Bahn. Der Ball muss in eine Art Nest, das mit Teppich ausgelegt ist. Der Ball landet beim ersten Schlag oben auf der Kante und bleibt liegen. Tischer schiebt es auf den Teppich, will, dass der Versuch zählt. Die anderen fordern einen zweiten Versuch, diskutieren. Nach Doz Zschäbitz, drei Versuche, drei Punkte, versucht Tischer es noch mal. Der Ball landet an derselben Stelle, er flucht, alle lachen. Laut Regelwerk müsste der Ball nun zurück zum Start. Tischer diskutiert. Zwei Versuche, vier Punkte.

Määääääääääääh

„Ist das anstrengend, Kinners“, sagt Rohde. Die Schafe im benachbarten Tierpark blöken, Hölting ahmt sie nach, „Määääh“, zieht das äääh lang. „Klingt so ähnlich wie bei uns im Proberaum“, sagt er und kichert. „Warum sind wir eigentlich nicht im Streichelzoo?“, fragt Rohde.

Die Motivation ist im Keller, die Jungs denken sich Sonderregeln aus. Wer durch den Tunnel auf Bahn 16 schießt, kriegt drei Minuspunkte. Die Röhre auf Bahn 17 bringt minus fünf. Die letzte Bahn zählt doppelt. Am Ende gewinnt Tischer. Das war abzusehen. Im Video zu dem Song „Chérie“ sieht man ihn in blauweiß-gestreiftem Hemd und beiger Hose im Golfcart über eine Abschlagfläche cruisen und, ja genau, golfen. Profi also. Sind ja schließlich alles Wahrheiten.

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