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In Mallory Chens Laden haben die Kunden die Wahl zwischen 100 Duftstoffen.

© privat

Eine Mischung aus Tomatenblatt, Sonnenblume, Schwarztee: Mallory Chen lädt zur Weltreise der Düfte in Berlin

Die 26-jährige Mallory Chen hat ihr eigenes Kerzenatelier in Mitte eröffnet. Ihr war es wichtig, Menschen neue Sinneserfahrungen erleben zu lassen.

Von Corinna Cerruti

Kennen Sie diesen Moment, wenn ein Geruch Sie zurückversetzt an einen Ort, eine Erinnerung, ein Ereignis? Für einen Augenblick werden Sie aus dem Alltag gerissen und sind mit dem Kopf ganz woanders – und das nur durch einen Geruch.

Diesen Moment möchte Mallory Chen ihren Kunden bescheren. Vor knapp zwei Jahren hat die 26-Jährige „Lit Lab Berlin“ eröffnet, ein Kerzenatelier mit Laden in der Oranienburger Straße. Hier können Kunden Kerzen mit eigener Duftkomposition kreieren oder fertige Kerzen kaufen.

Es gibt Mischungen wie Orange, Bergamotte und Seesalz, die an den vergangenen Inselurlaub erinnern, oder Tomatenblatt, Sonnenblume und Schwarztee, die von einem heißen Nachmittag in einem Garten voller Tomaten träumen lassen.

„Der Geruchssinn ist besonders eng mit dem Teil des Gehirns verbunden, der mit Emotionen und Erinnerungen verknüpft ist“, sagt Chen. „Dies erklärt, warum wir beim Wahrnehmen eines Hauchs von bestimmten Gerüchen sofort in eine andere Zeit oder an einen anderen Ort versetzt oder an eine bestimmte Person erinnert werden.“

Nach Feierabend sei sie früher oft in Läden mit Regalen voller Duftkerzen gegangen. „Wenn ich gestresst war, habe ich an jeder gerochen, bis ich mich entspannt hatte. Mir fiel auf, dass das viele Menschen machen.

Es gibt einen Workshop zur Soja-Kerzenherstellung

Geruch ist also wichtig, so entstand die Idee zu Lit Lab Berlin.“ In ihrem Laden haben die Kunden die Wahl zwischen 100 Duftstoffen. 

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„Viele meiner Kunden wollen ein Erlebnis ihrer Reise festhalten oder einen besonderen Moment in ihrer Beziehung.“ Chen berät sie bei der Wahl der Duftnoten und kreiert innerhalb von zwei Stunden eine Kerze. Zudem bietet Lit Lab Berlin Workshops zur eigenen Soja-Kerzenherstellung an.

Normalerweise kommen hier Menschen aus unterschiedlichen Teilen der Welt zusammen. „Woher die Menschen stammen, beeinflusst, welche Gerüche sie bevorzugen und welche nicht“, sagt sie. So käme es zu spannenden Diskussionen in den Workshops. Die Teilnehmer tauschen sich über ihre Erlebnisse aus, was sie damals gerochen und empfunden haben und welche Gerüche bei ihnen zu Hause welchen Stellenwert haben.

Chen kommt ursprünglich aus Ohio in den USA. Ihre Eltern sind aus Taiwan eingewandert. Nach der Schule studierte sie Marketing und International Business in Miami, ein Kompromiss mit ihren Eltern, wie sie heute sagt.

„Google Translate ist mein bester Freund“

„Eigentlich hätte ich damals Design gewählt, doch meine Eltern wollten etwas Solides für mich.“ Auf den Abschluss folgten Jobs in der Tech-Industrie, einer davon brachte sie schlussendlich nach Berlin. Doch so richtig warm wurde sie mit der Branche nicht. Auch der Wechsel ins Marketing erfüllte sie nicht. 

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„In der Branche geht es darum, Menschen zusammenzubringen, das Leben einfacher zu machen. Doch das passiert virtuell“, sagt die Unternehmerin. Anders in ihrem Geschäft: „Ich will Menschen neue Sinneserfahrungen bereiten, sie echte Eindrücke vor Ort erleben lassen.“ Deswegen genieße sie die Workshopabende in großer Runde sehr – und ist umso trauriger über die jetzige Situation in der Coronakrise. Aktuell kann sie nur Workshops zu fünft anbieten.

Eine Gründung mit nur wenigen Deutschkenntnissen war nicht einfach. „Google Translate ist mein bester Freund“, sagt Chen und lacht. Zum Glück habe sie deutsche Freunde, die ihr bei Anträgen und Terminen auf Ämtern geholfen hätten. Als größte Stütze beschreibt Chen ihre Eltern. Sie sind selbst ausgewandert und wissen, wie es sich anfühlt, etwas Eigenes in einem fremden Land aufzubauen. „Nach ein paar Jahren als Buchhalterin hatte meine Mutter sich damals selbstständig gemacht“, erzählt Chen. 

Das empfiehlt Chen anderen Gründerinnen

Sieben Jahre habe es gedauert, bis ihr Business wirklich erfolgreich war. Sogar die Finanzkrise habe sie überstanden. „Manchmal frage ich mich, wie lange ich noch durchhalte.“ Dann spreche Chen mit ihrer Mutter, die ihr sage: „Just keep doing it!“ Die Erfolgsgeschichte ihrer Mutter gebe ihr Zuversicht: „Wenn sie das schaffte, kann ich das auch.“

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Schwierigkeiten als weibliche Gründerin habe Chen in Berlin nicht gehabt. „Ich höre das tatsächlich von anderen Leuten. Es macht aber vielleicht auch einen Unterschied, wenn man Investoren sucht“, sagt Chen. Anderen Gründerinnen empfiehlt sie, einen konkreten Plan fürs erste Jahr zu erstellen. 

Besonders als Solo-Gründerin liegt die gesamte Verantwortung auf den eigenen Schultern. „Wenn ich noch mal von vorne anfangen würde, würde ich mir einen Mitgründer suchen. Ich glaube, das würde auch die aktuelle Situation einfacher machen.“ Die Krise habe ihr jedoch Zeit gegeben, sich auf neue Projekte zu konzentrieren und Pläne für die Zukunft zu machen. Chen ist zuversichtlich: „Es sind schwierige Zeiten für Unternehmerinnen, aber man muss sich einfach anpassen.“

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