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Abgehoben. Die Tänzer der „Ballet Revolución“ sind auf hohem internationalen Niveau. Einige verlassen die Insel zum ersten Mal.

© Sven Creutzmann

Ein Stück Havanna im Admiralspalast: Berlin erwartet eine rhythmische Revolution

Die „Ballet Revolución“ bringt kubanische Klänge in den Admiralspalast. In der Show zeigt sich auch die Politik der Öffnung.

Es riecht nach Schweiß im kleinen Probensaal der Nationalen Ballettschule in Havanna. Mittagszeit, die Temperaturen kratzen an der 30-Grad- Marke, von draußen dringt das Röhren der fetten Schlitten herein, der Cadillacs und Buicks, die jede Postkarte aus Kuba zieren. Eine Klimaanlage gibt es nicht, der Strom fällt ohnehin immer wieder mal aus.

Die Trainingsbedingungen der jungen Tänzer hier sind hart. Ihr Können: auf russischem Niveau, sagen jene, die die Szene gut kennen. Mit diesem Anspruch kommt das „Ballet Revolución“ nun auf große Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Zuerst machen sie halt im Admiralspalast: ein Stück Havanna in Mitte, samt Hitze, Schweiß und Musik aus der Karibikmetropole.

Das Ensemble ist nicht zum ersten Mal in Berlin, es ist bereits die vierte Tour nach dem Debüt der Show 2011. Von Anfang an dabei ist Yuniet Meneses Solís, mittlerweile eine Art Mannschaftskapitän der Truppe. Die vielen Jahre als Tänzer, etwa beim kubanischen Fernsehballett, bei TV-Tanzshows und auf Tour, sieht man dem Kubaner, der da leichtfüßig und kraftvoll zugleich über die alten Dielen der Tanzschule fegt, nicht an – dabei sind 35 Jahre ein fast biblisches Alter für einen Tänzer.

Mehr als Mambo

Die Klassiker aus den vergangenen „Ballet Revolución“-Shows, die im Repertoire geblieben sind, kennt Solís gut. Vor allem kubanische Tanznummern sind das, Elemente von Cha-Cha-Cha, Rumba und Mambo gehören selbstverständlich zur Choreografie. Und den Begriff „Revolución“ will das australisch-kubanische Choreografenduo Roclan Gonzalez Chavez und Aaron Cash gar nicht so sehr als folkloristische Anspielung, sondern tänzerisch verstanden wissen: Die Öffnung, die das kleine Land auch dank Barack Obamas Embargo-Lockerungen, erlebt hat, spiegelt sich in der Show.

Darum tanzt die Truppe nicht nur zu Mambo, sondern auch zu Songs von Justin Timberlake und Adele, George Michael und Coldplay. Aber natürlich: Ein Twist, eine kleine Aneignung gehört dazu – die Musik kommt nicht aus der Büchse, sondern von der Live-Band, die den Songs eine eigene Färbung gibt und die Tänzer fein abgestimmt begleitet.

Die müssen derweil so ziemlich alles an Klangfarben und Stilen beherrschen, was man in den Tanzschulen des Landes lernen kann: klassisches Ballett und traditionelle kubanische Tänze natürlich. Die in der Gruppe, die nicht sowieso eine Ausbildung in Modernem Tanz haben, mussten sich die Elemente aneignen. Chavez’ und Cashs Choreografie treibt die Tänzer von einem Stil zum nächsten – am schönsten gelingt das, wenn beides gleichzeitig geschieht; wenn etwa in einer Nummer jeweils zwei Tänzer nebeneinander über die Bühne rauschen wie Naturgewalten – Contemporary Dance und Ballett, Bewegungen, die sich gegenseitig zitieren und remixen. Das Nebeneinander, es funktioniert.

In Bronze gegossen

In Kuba ist Tanz nicht nur Künstlersache, er gehört fest zur Kultur, wurzelt in der Geschichte der afrokaribischen Sklaven, die Musik nutzten, um zumindest Teile ihrer eigenen Kultur verdeckt bewahren zu können. Kuba liebt und verehrt seine großen Tänzer – die Grande Dame Alicia Alonso etwa, nach der nicht nur die staatliche Ballettschule benannt ist.

Und für Antonio Gades, ein spanischer Tänzer und Choreograf, der Ende der 70er für zwei Jahre in Kuba lebte und mit Alonso zusammenarbeitete, wurde sogar ein Denkmal am wohl meistfotografierten Ort Havannas aufgestellt: Der in Bronze gegossene Gades schaut auf die Touristenmassen, die sich täglich vor der Kathedrale einfinden.

Ob Yuniet Meneses Solís ein Denkmal bekommen wird? Zumindest arbeitet er hart daran. Für die Show hat er ein Musikstück selbst komponiert und am Computer arrangiert. Rumba, angereichert mit elektronischen Sounds und Akzenten dort, wo seine Mittänzer sie haben wollen. Das Rasseln an einer Stelle im Refrain: „Weil einer der Jungs hier etwas mit seinem Kopf machen will.“

Der Staat tanzt mit

Die Zusammenarbeit mit den Choreografen Roclan Gonzalez Chavez und Aaron Cash geschieht auf Augenhöhe – auch weil die Probenzeit in Havanna mit insgesamt zehn Wochen großzügig angesetzt ist für eine kommerzielle und privat finanzierte Show. Trotzdem, beteuern die deutschen Produzenten, würden die Tänzer nicht zum Sparpreis gekauft.

Dass von der Gage dennoch ein guter Teil nicht in ihren Portemonnaies landet, liegt demnach am kubanischen Staat, am sozialistischen Ausbildungsbetrieb: Die Tanzschulen sind gut, kostenfrei und wer die Ausbildung durchläuft, wird am Ende nicht ohne Jobs dastehen. Doch die ausgebildeten Tänzer müssen sich in die staatliche Künstlerkartei eintragen und dürfen auch nur darüber gebucht werden. Der Staat will am Ende verdienen, wo er zuvor investiert hat.

Für die Mannheimer Produktionsfirma bedeutet das auch: Papierkrieg. Die Mannheimer Verwaltung musste das Engagement sogar beim kubanischen Kulturministerium beantragen. Für einige Tänzer bedeutet die Show auch, das erste Mal die Insel zu verlassen. Ihr Niveau mag Weltniveau sein, doch die Welt müssen sie erst entdecken. Und die politische Lage ist jetzt, etwas mehr als ein Jahr nach dem Tod Fidel Castros und nach der Wahl Donald Trumps als US-Präsident, wieder schwieriger geworden.

Aber auch die Kubaner haben Internet, nutzen Facebook und YouTube, hören die Musik, die im etwa 320 Kilometer Luftlinie entfernten Miami auch gehört wird, und lassen sich von Verwandten aus den USA Kleidung mitbringen. Jetzt bringen die Kubaner der Welt etwas mit: ein bisschen Karibik in den Berliner Winter, eine Ahnung vom alten Havanna und von neuen Ufern.

„Ballet Revolución“, 26. bis 31. Dezember, Admiralspalast. Tickets unter www.ballet-revolucion.de Die Pressereise nach Havanna erfolgte auf Einladung der Produktionsfirma.

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