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Profiler und Autor Axel Petermann sagt über Serientäter: "Serien sind eher die Ausnahme"

© Carmen Jaspersen/dpa

Ein Profiler über den flüchtigen Vergewaltiger: „Serien sind eher die Ausnahme“

Serientäter treiben meist in Krimis ihr Unwesen. Nun versucht die Polizei, einen mutmaßlichen Serienvergewaltiger zu fassen. Ein Profiler erklärt das Phänomen.

Ein noch flüchtiger, 30 Jahre alter Mann soll für mehrere Vergewaltigungen in Berlin und Brandenburg innerhalb kurzer Zeit verantwortlich sein: Solche Taten sind laut einem Kriminalexperten recht selten. „Serien sind doch eher die Ausnahme“, sagte der frühere Bremer Mordermittler Axel Petermann der Deutschen Presse-Agentur. Sie kämen aber immer wieder einmal vor. „DNA-Untersuchungen haben es stark vereinfacht, Serien zu erkennen.“

Mit Spuren etwa von Sperma oder Haut, die am Opfer oder am Tatort gesichert werden, könnten Ermittler innerhalb kurzer Zeit an den genetischen Fingerabdruck des Täters gelangen. Mit Datenbank-Abfragen lassen sich bekannte Kriminelle unter Umständen identifizieren.

Die Berliner Ermittlungsbehörden hatten im aktuellen Fall in der Vorwoche gut erkennbare Bilder des Tatverdächtigen aus einer Überwachungskamera von einem Bahnsteig in Bernau veröffentlicht und konnten ihn inzwischen identifizieren, wie am Montag mitgeteilt wurde. Wo sich der 30-Jährige aufhält, ist jedoch weiter unklar. Bis Montag waren rund 300 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen.

Hinter Serienvergewaltigungen können laut Bestsellerautor Petermann völlig unterschiedliche Motive stehen. „Manchen geht es um Machtausübung. Diese Täter haben selbst wenig soziale Kompetenzen, zweifeln an sich und sind unsicher im Umgang mit Frauen.“ Genauso gebe es aber auch Täter mit machohaftem Auftreten, die keine Zweifel an der eigenen Dominanz hätten. Manche Serientäter hätten Aggressionen gegen Frauen, wollten sie erniedrigen und gingen mit extremer Brutalität vor, schilderte er.

Während manche Vergewaltiger mit der Tat aus der Situation heraus Frust abbauen wollten, zielten andere auf eine immer stärkere Annäherung an das Opfer, indem sie zunächst voyeuristisch vorgehen - also eine bestimmte Frau auskundschaften.

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Der Experte sieht bei Vergewaltigern ein grundsätzliches Risiko des Tötens, etwa um die Tat zu verdecken oder im Gerangel mit einem Opfer, das Widerstand leistet. Um die Gefährlichkeit eines Serientäters einzuschätzen, müsse man wissen, ob er von Tat zu Tat mit zunehmender Intensität vorgeht und ob er sadistische Züge zeigt, sagte Petermann.

Um mehr über die Täterpersönlichkeit zu erfahren und mögliche Serien zu erkennen, seien die Aussagen der Opfer wichtig. Der Kriminalist nannte mögliche Fragen, die Ermittler interessieren: Auf welche Art erfolgte der Angriff - unvermittelt oder nach versuchter Kontaktaufnahme? Ging er mit großer Gewalt vor? Was sagte er? Wurden Forderungen gestellt? Ging er auf Bitten oder Flehen ein? Nimmt er Gegenstände mit? Will er gelobt werden?

Der Täter scheint viel unterwegs zu sein

Auch durch die Art der Verletzungen und des Missbrauchs, durch zeitlich-räumliche Faktoren oder eine etwaige Vorgeschichte zwischen Täter und Opfer könnten Ermittler zu dem Schluss gelangen, dass von einer Serie auszugehen ist, so Petermann.

Zu den in Berlin und Brandenburg bekannt gewordenen Taten - alle zwischen dem 12. und 30. Juni - sagte Petermann, dass er die Chancen der Polizei auf einen Ermittlungserfolg für hoch halte. Es sei von einem Täter auszugehen, der zumindest zeitweise im Großraum Berlin-Brandenburg gelebt habe, der eher allein lebe und kein Auto habe. Der Täter scheine viel unterwegs zu sein, offenbar mit dem Fahrrad. Eines der Opfer soll laut einem Medienbericht mit dem Rad des Täters geflüchtet sein.

Als auffällig bezeichnete Petermann, dass die Taten mit „sehr hoher Frequenz“ begangen worden seien und die Serie offenbar „wie aus heiterem Himmel“ begonnen habe. Das könne darauf hindeuten, dass der Gesuchte nicht aus der Region komme.

Bevölkerung für gefährliche Orte sensibilisieren

„Er scheint Orte aufzusuchen, von denen er denkt, dass Frauen dort alleine sind“, so Petermann. Gelegenheiten zur Tat ergäben sich etwa bei einsetzender Dunkelheit und je nach Wetter, wenn eher wenig Passanten zu erwarten sind. Die Bevölkerung für möglicherweise gefährliche Orte und Zeitpunkte zu sensibilisieren, sei wichtig, sagte Petermann. Derartige Angaben machte die Polizei allerdings bislang nicht.

Nach Erkenntnissen der Polizei soll der Tatverdächtige sieben Taten begangen haben. Davon ereigneten sich fünf im Grunewald oder dessen näherer Umgebung im Berliner Südwesten. Zu einer weiteren Tat kam es im brandenburgischen Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark), kurz hinter der Berliner Stadtgrenze. Außerdem gab es einen Übergriff auf eine junge Frau in Bernau nordöstlich von Berlin. (dpa)

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