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Die Mode feiern. Die Kleider von Lars Wallin brauchen einen Anlass.

© Hampus Forssander

Ein Leben jenseits der Jogginghose: Die Fashion Week startet wieder in Berlin

Mit der ersten Fashion Week seit anderthalb Jahren will Berlin eine wilde Zeit in der Mode einleiten. 20 Schauen sind geplant. Ein Ausblick.

Von Jogginghosen will Florentina Leitner nichts mehr wissen. Die Designerin glaubt fest daran, dass wir auf eine wilde Zeit in der Mode zusteuern. Genau das will sie am Montag mit der Eröffnungsmodenschau der Berliner Fashion Week mit raumgreifenden Plüschfellmänteln, Overalls mit psychedelischen Spiral-Mustern und Kleidern mit Keulenärmeln unter Beweis stellen.

Es ist nicht nur die erste richtige Schau seit mehr als anderthalb Jahren im Rahmen der Berliner Fashion Week, auch für die österreichische Designerin ist es eine Premiere. Noch nie konnte sie die Mode ihres 2020 gegründeten Labels live und vor Publikum zeigen.

Auch wenn sich die 24-Jährige mit digitalen Präsentationen längst einen Namen als eines der hoffnungsvollsten Nachwuchstalente der letzten Jahre gemacht hat, so schreibt es die deutsche Vogue, sind echte Modenschauen für sie keineswegs überholt: „Die richtigen Gefühle bekommt man eben nur mit echten Menschen, wenn Musik, Models, Mode und Raum zusammenkommen“, sagt die Designerin, die in London und Antwerpen studierte.

Erstaunlich viele Kolleg:innen scheinen so zu denken wie Florentina Leitner. Auf immerhin rund 20 Modenschauen bringt es diese Fashion Week. Sie soll nach dem Wegzug der Modemessen Premium und Neonyt im vergangenen Jahr so etwas wie einen Neuanfang sein.

Den Gerüchten, die Fashion Week sei gleich mit nach Frankfurt am Main gezogen, wollte der Berliner Senat schleunigst etwas entgegensetzen. 3,5 Millionen Euro wurden für die digitale Ausgabe im Januar und der seit Montag laufenden Fashion Week locker gemacht. So soll der Modestandort Berlin erst einmal gesichert werden.

Gleich mehrere Festivals gibt es

Mit dem Geld wird jetzt fast jede der mehr als 20 Veranstaltungen unterstützt. Vielleicht ist das Programm auch deshalb noch etwas unübersichtlicher geworden, weil jeder, der in der Berliner Modebranche arbeitet, etwas von den Fördergeldern abbekommen wollte.

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So gibt es gleich mehrere Festivals, die sich über die Stadt verteilen. Dass von der Agentur Reference findet im Steglitzer Bierpinsel statt, einem von der Mode erstaunlicherweise noch nie genutzten Ort. Das Format „Berlin, Berlin“ der Streetwear-Plattform Highsnobiety ist vor allem digital ausgerichtet.

Die Lobbyvereinigung Fashion Council Germany will die Arbeitsstätten des Berliner Designs sichtbarer machen und hat sich „Studio2Retail“ ausgedacht. Designer:innen öffnen ihre Ateliers und laden zu Events ein, wie das Label Malaikaraiss zu einer Ausstellung mit Kunst und Mode im Ausbauhaus am Moritzplatz.

Die Kleider von Florentina Leitner funktionieren auch so.
Die Kleider von Florentina Leitner funktionieren auch so.

© Tom Callemin

Im Kraftwerk an der Köpenicker Straße ist das Zentrum der MBFW. Hinter dem Kürzel verbirgt sich immer noch der Autohersteller Mercedes, der seit 2007 als Namenssponsor der Fashion Week auftritt. Mit acht Modenschauen fällt der erst in der vergangenen Woche veröffentlichte Schauen-Kalender, verglichen mit früheren Jahren, etwas mager aus. Im Kraftwerk findet auch der Berliner Salon statt, bei dem wiederum Mode aus ganz Deutschland präsentiert wird.

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Geredet wird natürlich auch: Bei der Konferenz Fashion Summit geht es um nachhaltige Mode. Und gleich an drei Tagen zeigen neun deutsche Modeschulen, was ihre Studierenden gelernt haben. Nächstes Wochenende dann stellen 20 Designer:innen im Rahmen der Kunstmesse Positions ihre Entwürfe aus.

About you lädt zu eigener Modewoche

Wer jetzt noch nicht den Faden verloren hat, der kann nach dem Ende der eigentlichen Fashion Week gleich mit der nächsten weitermachen. Der Onlinehändler About you lädt in der Woche darauf zu seiner eigenen Modewoche für ein möglichst breites Publikum ein. Bekleidungshersteller wie Esprit, Levi's und Adidas stellen Produkte vor, die jetzt schon online und in den Läden zu haben sind.

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Mode gibt es in den nächsten zwei Wochen also genug zu sehen, auch wenn sich schon beim Versuch, den Überblick zu behalten, Verdruss einstellt: Noch nie war es so schwer, Relevantes von Unterhaltsamen oder schlicht Überflüssigem zu trennen. Zumal es digitale, hybride und rein physische Events gibt: Die Modenschauen mussten gezwungenermaßen schrumpfen, von normalerweise 700 auf jetzt 200 Gäste.

Aber vielleicht ist auch das von Vorteil: Niemand möchte eine Prognose abgeben, wie viel Aufmerksamkeit diese Fashion Week überhaupt bekommen wird. Viele Einladungen wurden erst in der vergangenen Woche verschickt, eine Übersicht, was wann wo stattfindet, liegt erst seit ein paar Tagen vor.

Viel Glitzer, transparente Kleider, tiefe Rückenausschnitte

Dass es eine Sehnsucht nach einem Leben jenseits der Jogginghose gibt, ließ sich schon am vergangenen Donnerstag weit ab vom Schuss in den Rathenauhallen in Oberschöneweide beobachten.

[Fast alle Formate kann man sich online anschauen, in der Stadt öffnen Ateliers, Pop-up-Shops und Ausstellungen. Infos gibt es unter fashionweek.berlin. Die Lars-Wallin-Ausstellung läuft bis zum 3. Oktober, dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, in der Wilhelminenhofstr. 83-85 in Schöneweide.]

Hierher hatte der schwedische Botschafter eingeladen: Lars Wallin, der nicht nur bekannteste, sondern auch einzige Designer für Haute Couture in Schweden, hat in der ehemaligen Werkhalle von AEG seine handgearbeiteten Roben auf Podeste gestellt, die passend zur Umgebung aus einem Baugerüst zusammengeschraubt sind.

So viel Glitzer, transparente Kleider, tiefe Rückenausschnitte hat man lange nicht gesehen – die Besucherinnen machten den Ausstellungsstücken erfolgreich Konkurrenz. Vielleicht hilft die Lust auf neue Kleider dabei, dass die neue Fashion Week ein sichtbarer Erfolg wird.

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