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Gedenken an die Shoa. Das Mahnmal in der Moabiter Levetzowstraße erinnert an die Synagoge, die dort einst stand. Die Nationalsozialisten missbrauchten sie als Sammelstelle für Juden, die später deportiert werden sollten.

© Kai-Uwe Heinrich

Ein Audiowalk erinnert Juden-Deportationen: Der Weg in den Tod begann in Moabit

Rund 32 000 Berliner wurden vom Güterbahnhof Moabit aus von den Nazis in Konzentrationslager geschickt. Am helllichten Tag trieb man sie durch die Straßen.

Die erste Etappe auf der Reise in den Tod war zwei Kilometer lang. Sie führte von der Sammelstelle in der früheren Synagoge Levetzowstraße zum Moabiter Güterbahnhof an der Quitzowstraße. Rund 32 000 Berliner wurden von den Nazis von hier aus in die Konzentrationslager und Ghettos deportiert, etwa die Hälfte aller Juden, die in Berlin lebten und umgebracht werden sollten.

Die Initiative „Ihr letzter Weg“ und der Verein „Sie waren Nachbarn“ kämpfen dafür, dass diese letzten Berliner Wege der todgeweihten Menschen sichtbar werden. Anlässlich des Beginns der Deportationen vor 79 Jahren, am 18. Oktober 1941, haben sie nun einen Audiowalk veröffentlicht. Die Führungen kann man sich kostenlos aufs Smartphone herunterladen und damit den Weg nachgehen.

Es seien Gruppen von jeweils 800 bis 1000 Menschen gewesen, die zu Fuß durch Moabit getrieben wurden, sagt Aro Kuhrt von der Initiative. Der Weg führte unter anderem über die damals noch sehr viel belebtere Turmstraße. Für die vielen Straßenbahnen müssen diese großen Gruppen ein Verkehrshindernis gewesen sein.

Es geschah ja am helllichten Tag. Tausende müssten das gesehen haben – und gewusst, dass es „aus dem Osten“, wo die Menschen hinverfrachtet wurden, keine Rückkehr gab. Fotos davon besitzt die Initiative nicht. Fotoapparate waren nicht sehr verbreitet damals, und Passanten und Zuschauer hätten wohl auch Angst gehabt, diese Szenen aufzunehmen. Lediglich aus Süddeutschland gibt es einige Bilder.

Im Audiowalk erklärt rbb-Reporter Arndt Breitfeld die Strecke und führt die Zuhörer über den Deportationsweg. Erinnerungen von Zeitzeugen werden gelesen von Reinhard Mey und der Schriftstellerin Lea Streisand. Die Berichte handeln von der grausamen Atmosphäre im Sammellager, vom Weg selbst oder der Situation auf dem Bahnhof. Gaffer in Massen und applaudierende Anwohner kommen auch vor.

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Aber auch der Widerstand gegen die Verfolgung kommt zur Sprache. Berichtet wird über Ärzte im Krankenhaus Moabit, über Pfarrer oder Bürger, die Juden versteckt haben. Kulturstadträtin Sabine Weißler findet die Umsetzung des Projekts „sehr professionell“. Auch die Zusammenarbeit mit der Initiative klappe gut. Um ein Format „der Sichtbarmachung dieses Weges“ zu finden, werde jetzt ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben.

Ein Realisierungswettbewerb – der, im Gegensatz zum Ideenwettbewerb, eine konkrete Absicht impliziert, das Projekt auch umzusetzen – wäre ihr natürlich lieber gewesen, sagt Weißler. Aber der kam nach Ablehnung des entsprechenden Antrags durch die Lottostiftung nicht mehr infrage.

Erste Ideen für ein Denkmal werden gesammelt

Weißler ist aber zuversichtlich, dass das Projekt in naher Zukunft umgesetzt wird. Da sie sich immer schon besonders engagiert habe für das Gedenken an diesen Weg, für die Restaurierung des Mahnmals in der Levetzowstraße ebenso wie für die endgültige Verwirklichung des Gedenkortes auf dem Gelände des früheren Güterbahnhofs Moabit, sei das Projekt für sie auch eine Herzensangelegenheit.

Auch Aro Kuhrt war schon früher, in seinem Kreuzberger Kiez, fasziniert von Leuten, die den Juden damals geholfen haben. Zum Beispiel mit Lebensmittelkarten, darunter „so eine richtige Kiezmutti“. Damals sei die Nachbarschaft in Kreuzberg noch anders gewesen, man habe sich gekannt.

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Für das Denkmal gibt es bereits etliche Vorschläge. Die Initiative selbst konzentriere sich auf zwei Ideen, sagt Kuhrt. Ähnlich den Stolpersteinen sollen bronzefarbene Fußabdrücke ins Pflaster eingelassen werden. Sieben Mal gehe der Weg um die Ecke, dort sollen jeweils Stäbe aus Carbonstahl eingelassen werden mit Informationen. In der zweiten Variante werden nicht Stelen aufgestellt, sondern sieben lebensgroße Scherenschnitte aus Edelstahl, die ebenfalls Informationen tragen könnten.

Was die notwendigen Mittel betrifft, hoffen die Initiatoren trotz der ersten Ablehnung weiterhin auf die Lottostiftung und natürlich aufs Bezirksamt. Damals hätten „viele Menschen weggesehen und die Klappe gehalten“, sagt Kuhrt. Seitdem sind fast 80 Jahre vergangen. Jetzt sollen die Berliner hinsehen und versuchen, die Situation nachvollziehen: wie es war, aus einem bürgerlichen, unbescholtenen Leben herausgerissen und in den Tod getrieben zu werden.

Sie finden den Audiowalk und die Route durch Moabit unter www.ihrletzterweg.de/audiowalk.

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