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In der Oderstraße starb die Radfahrerin durch einen Rechtsabbieger.

© Jörn Hasselmann

„Eigenverschulden ursächlich“: ADFC und Hinterbliebene entsetzt über Chef der Berliner Verkehrspolizei

Der ADFC protestiert gegen Aussagen des Chefs der Verkehrspolizei. Er hatte gesagt, Radfahrer seien zu einem großen Teil selbst schuld an Unfällen. 

Der Berliner Fahrradclub ADFC protestiert gegen Aussagen des Leiters der Berliner Verkehrspolizei, dass ein großer Teil der 17 im vergangenen Jahr getöteten Radfahrer durch eigenes Verschulden tödlich verunglückte. In einem Radiointerview mit dem RBB hatte der Chef der Berliner Verkehrspolizei, Frank Schattling, wörtlich gesagt, dass „zu einem großen Teil auch das Eigenverschulden unfallursächlich“ sei. Zuvor hatte er die hohe Zahl der Opfer "eine ganz traurige Zahl genannt". 

ADFC-Vorstand Frank Masurat schrieb einen Brief an die Beschwerdestelle des Präsidiums, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Masurat kritisierte die Behauptungen des hochrangigen Beamten als "nachweislich falsch". Schattling ist seit 2018 Leiter der Berliner Verkehrspolizei.

Gegenüber dem Tagesspiegel wollte er sich nicht äußern. Auch die Pressestelle des Präsidiums lehnte eine Stellungnahme ab. Eine Sprecherin sagte lediglich: "Die Beschwerde des ADFC Berlin ist bei der Polizei Berlin eingegangen und wird durch die Beschwerdestelle bearbeitet."

Der Fahrradclub nannte die Zahlen für 2020: "Neun der 17 Opfer wurden von Rechtsabbiegern getötet, einer von einem Raser, einer von einem aufgefahrenen SUV." Nach Recherchen des Tagesspiegels starben zwei weitere Radfahrer bei Alleinunfällen. 

"Irreführend und verletzend"

Die Witwe des von einem Raser in der Kantstraße getöteten Radfahrers hatte im Tagesspiegel-"Checkpoint" ebenfalls eine Gegendarstellung verlangt: "Mein Mann Bernd Wissmann wurde – an der roten Ampel dieser 30er-Zone stehend – von einem rücksichts- und hemmungslosen Fahrer eines 625 PS starken mit mehr als 80 km/h getötet. Ich fordere Sie auf, Herr Schattling, diese falsche Aussage ebenso öffentlich zu korrigieren, wie Sie sie in die Welt gesetzt haben.“ 

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Der Großteil der getöteten Radfahrer sei durch Fremdverschulden ums Leben gekommen, sagte Masurat. "Solche Falschaussagen sind aus mehreren Gründen problematisch, irreführend und verletzend." Innerhalb der Polizei Berlin sollten die Fakten zu den Ursachen tödlicher Unfälle bekannt sein, damit entsprechend der Unfallursachen auch Prävention betrieben werden kann, so der ADFC. 

Die Aussage der Polizei „durch eigenes Verschulden gestorben zu sein“ ist eine strukturelle Verursacher-Opfer-Umkehr und Opferbeschuldigung. Es gehört zu den zentralen Aufgaben der Behördenleitung, Mechanismen dieses sogenannten "Victim Blamings" zu erkennen, und die Beamten und Beamtinnen bis in die untersten Ebenen darüber aufzuklären. Das gilt umso mehr für Leitungspositionen.

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