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Die Hände zum Himmel. Die Theatertruppe des Kabaretts „Die Lückenbüßer“ zeigt Stücke rund ums Thema Engagement und Ehrenamt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Ehrenamtliches Kabarett in Berlin: Sie machen ordentlich Theater

Sie wollen auch die schwierigen Seiten zeigen: Das Berliner Kabarett „Die Lückenbüßer“ spielt Kreatives und Kritisches zum Thema Engagement.

„Ich spende gern, ich spende viel, ich tu so gerne Gutes und ist die Spende abgebucht, dann bin ich frohen Mutes“, so gehen die ersten Zeilen des „Chansons einer Spenderin“ von den „Lückenbüßern“. Das Berliner Kabarett kennt sich mit dem Thema Spenden und Gutes tun aus: Die Gruppe behandelt die Themen Ehrenamt und Gemeinwohl kritisch und humorvoll. Sie wollen zu Engagement anregen, dabei aber nicht moralisieren. Und einfach viel Spaß verbreiten.

Auch die Gruppe arbeitet rein ehrenamtlich. Mit Liedern und kurzen Sketchen wollen sie die gesellschaftliche Funktion von ehrenamtlicher Arbeit verdeutlichen und die Zuschauer auch zum Engagement ermutigen. Gerade proben sie für den nächsten Auftritt. Sybille von Soden steht selbstbewusst im Raum und singt mit klarer Stimme das „Chanson einer Spenderin“. Begleitet wird sie von Renate Ullmann am Klavier. Zehn Mitglieder hat die Kabarettgruppe insgesamt.

Nach Angaben von „Aktion Mensch“ engagieren sich in Deutschland mehr als 31 Millionen Menschen ehrenamtlich, in Berlin ist es jeder Dritte. Da gibt es eine Menge Leute, die sich angesprochen fühlen könnten vom Kabarett der „Lückenbüßer“, bei dem der Name Programm ist: „Jeder Ehrenamtliche fühlt sich manchmal als Lückenbüßer. Wir wollen wir allem zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Ehrenamt anregen“, sagt Jürgen Bianchi, der die Theatergruppe vor sechs Jahren gründete. Auch alle „Lückenbüßer“ arbeiten rein ehrenamtlich.

"Wir wollen auch die blinden Flecken zeigen"

„Allen Akteuren, die sich mit dem Ehrenamt befassen, soll ein Spiegel vorgehalten werden, damit die Arbeit qualifizierter gestaltet werden kann“, sagt Bianchi weiter. Die Reflektion des Ehrenamts solle zum kritischen und auch selbstbewussten Handeln im Ehrenamt führen. Und: „Wir wollen auch die blinden Flecken zeigen.“ Die Gruppe richtet sich an bereits aktive Bürger ebenso wie an Menschen, die sich gerne engagieren wollen, an Träger ehrenamtlicher Arbeit und an Politik und Verwaltung. Gerade studieren sie einen Programmtitel ein, der sich mit der Frage beschäftigt, was eigentlich passierte, wenn alle Ehrenamtlich streiken würden.

Ihre Botschaft senden die Theatermacher vor allem äußerst humorvoll. In kurzen, selbst geschriebenen Sketchen nehmen sie die Tücken und alltäglichen Schwierigkeiten der ehrenamtlichen Arbeit aufs Korn – wie auch im bereits zitierten Chanson, das mit kritischen Zeilen weitergeht: „Ja, zugegeben, die Organisationen, die Spenden sammeln, sind nicht alle seriös.“ Gut fühle sich die Spenderin aber dennoch. Im weiteren Verlauf des Liedes aber entwickelt sie ihren Gedanken weiter – und endet mit dem Appell, doch lieber mit ehrenamtlicher Arbeit zu helfen: „Da ist man näher an den Problemen, aber auch näher an der Lösung.“

Alle Mitglieder der Truppe haben sich auch selbst engagiert

Viele solcher Lieder haben die Lückenbüßer im Repertoire. Ihre kurzen Theaterstücke verdeutlichen auch die vielen Schwierigkeiten, auf Menschen stoßen können. Da ist zum Beispiel der zynische, gesellschaftskritische Sketch über den Mann, der zum Bezirksamt kommt, um einen gemeinnützigen Verein anzumelden. Der Beamte zeigt nur auf seinen großen Stapel mit Dokumenten, um den Antrag könne er sich jetzt nicht kümmern. „Wir wollen etwas Gutes tun“, sagt der Mann verzweifelt. „Das ist doch nicht mein Problem“, entgegnet der Beamte knapp. Da klingelt das Telefon: „Ach, eine Bürgerwehr in unserem Kiez wollen Sie gründen? Das wird gleich bis heute Abend erledigt“, sagt der Beamte liebenswürdig in den Hörer. Der Mann traut seinen Ohren nicht.

„Ehrenamt gehört zu unserer Gesellschaft“, sagt von Soden. „Aber es muss auch kontrolliert werden.“ Probleme gebe es immer wieder: „Oft fehlen Ansprechpartner für die Ehrenamtlichen. Wir wollen dazu beitragen, dass diese Probleme öffentlich werden.“

Es war im Jahr 2009, als Bianchi die Idee hatte, ein Kabarett zum Thema ehrenamtliches Engagement zu gründen. Nach dem Schneeballprinzip habe er Leute getroffen, „jeder kannte jemanden“, erzählt er. Alle Mitglieder kommen aus sozialen oder pädagogischen Berufen, alle haben sich dazu auch ehrenamtlich engagiert.

Meist spielen die Lückenbüßer vor anderen Ehrenamtlichen

Bis ein Stück fertig ist, vergehen oft drei bis vier Monate. Die Mitglieder sind alle zwischen 65 und 75 Jahre alt, das Texte lernen sei eine der schwersten Aufgaben, erzählen sie. „Aber das hält jung“, sagt von Soden und lacht. Ihren ersten Auftritt hatte die Truppe dann 2010. Über das Netzwerk „Berlin Aktiv“ bekam das Kabarett erste Aufträge von Vereinen oder Wohlfahrtsverbänden. Im Moment spielen die „Lückenbüßer“ etwa 25 Aufführungen pro Jahr, vor allem in Einrichtungen, in denen Ehrenamtliche arbeiten oder gewonnen werden sollen. Eine eigene Bühne hat die Truppe nicht. Sehr gern treten sie bei Jahresversammlungen von ehrenamtlichen Organisationen auf. „Wenn die Leute wissen, von was wir sprechen, ist es immer besonders toll“, sagt Bianchi.

Am Schluss jedes Auftritts steht der „Choral für die Ehrenamtlichen“: „Oh, wenn wir euch nicht hätten, dann wär's um uns gescheh'n! Wer würde uns denn retten? Es ist kein Mensch zu sehn. Wir bitten und wir flehen euch Ehrenamtler an, ihr werdet's nicht bereuen, bleibt bei uns lebenslang!“.

Am 11. November feiert die Truppe wegen des großen Andrangs bei der Feier im März zum zweiten Mal Jubiläum, die Veranstaltung ist öffentlich, alle sind herzlich eingeladen. Infos im Internet: http://lueckenbuesser.com. Und per Post und Telefon: Die Lückenbüßer, c/o Jürgen Bianchi, Gartenstrasse 104, 10115 Berlin, Telefon: 030 5514 7147.

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