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Vera Gäde-Butzlaff, deutsche Managerin. Sie war von 2007 bis 2014 Vorsitzende des Vorstandes der Berliner Stadtreinigungsbetriebe. Vom 1. März 2015 war sie bis 28.2.2018 Vorstandsvorsitzende der GASAG AG

© Kai-Uwe Heinrich

Ehemalige Chefin der BSR: „Ich habe immer zugegriffen und Risiken nicht gescheut“

Früher leitete Vera Gäde-Butzlaff mit viel Durchsetzungskraft die BSR. Jetzt feiert sie ihr einjähriges Jubiläum als Chefin der Bürgerstiftung. Ein Portrait.

Ins kalte Wasser zu springen, ist eine Spezialität von Vera Gäde-Butzlaff. Dass man das nicht nur bei hohen Führungspositionen wagen kann, sondern auch bei einem Ehrenamt, hat sie vergleichsweise spät im Leben erfahren. Im vergangenen Jahr übernahm die langjährige Chefin der Berliner Stadtreinigung und der Gasag das Amt als Vorstandsvorsitzende der Berliner Bürgerstiftung.

Wenn sie am 20. September die Gäste des diesjährigen Art Dinners begrüßt, das seit einigen Jahren ein wichtiger Fundraising-Abend ist, liegt ein Jahr an der Spitze der Stiftung hinter ihr, das viel arbeitsreicher war, als sie es erwartet hatte. Dabei mangelt es ihr auch sonst nicht an Arbeit. Vera Gäde-Butzlaff ist Aufsichtsratsvorsitzende von Vivantes und sitzt in den Aufsichtsräten bei Dussmann, Volksbank und Hertha. Gerade dem Dritten Sektor tut es gut, wenn professionelles Management den guten Willen pragmatisch ergänzt, damit am Ende auch die Ergebnisse stimmen.

„Es gibt so eine große Kluft“

Sowieso findet sie es gut, die Stadt, in der sie lebt, voranzubringen. Die hohe Qualität von Projekten wie „Zauberhafte Physik“ oder „Umweltdetektive“ haben sie letztlich ebenso überzeugt wie der Einsatz der 500 Lesepaten. „Es gibt so eine große Kluft zwischen den Kindern, die nachmittags zum Klavier- oder Ballettunterricht gefahren werden, und denen, deren Eltern sich so etwas überhaupt nicht leisten können. Da sind solche Angebote einfach sehr wichtig.“ Sie bekommt auch reichlich positives Feedback von den Lesepaten. Schließlich bringt denen der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen, denen sie in Schulen vorlesen, auch selber viele neue Eindrücke und Erkenntnisse.

Zupackend, wie es sich gehört für eine Spitzenmanagerin, hat sie sich gleich verschiedenen Baustellen gewidmet. Sponsorenakquise kannte sie vor dem Seitenwechsel aus der Perspektive der Umworbenen. „Es hat schon manchmal genervt, wenn man darauf immer angesprochen wurde.“ Da sie aber so überzeugt ist von dem guten Wirken der Stiftung für die ganze Stadt, von der letztlich auch die Unternehmen profitieren, ging sie dennoch auf Überzeugungstour. Ein Unternehmen will nun über fünf Jahre jeweils 25 000 Euro im Jahr spenden, andere Firmen haben bereits Interesse signalisiert. Dass beim Art Dinner immer nur ein Hauptsponsor aus jeweils einer Branche vertreten sein kann, hat sie auch beendet. „Wenn es darum geht, Gutes für die Stadt zu tun, kann es keine ausschließende Konkurrenz geben“, ist sie überzeugt.

Eine steile Karriere

Vera Gäde-Butzlaff weiß, wie wichtig Vertrauen ist. Sie hat es an sich selbst erlebt. Dass sie aufs Gymnasium gehen würde, war keineswegs selbstverständlich in ihrer Familie. Der Bruder ging auf die Realschule. In Fallersleben, wo die Familie wohnte, gab es nicht mal ein Gymnasium, aber als sie sagte, sie wolle das, unterstützten die Eltern sie – obwohl das in den 60er Jahren für Mädchen noch keinesfalls selbstverständlich war.

Auch als sie nach dem Abitur zum Jurastudium nach Berlin gehen wollte, vertrauten sie ihr, obwohl sie die Tochter lieber in der Nähe behalten hätten. „Es waren aufregende Zeiten damals“, erinnert sich Vera Gäde-Butzlaff heute. „So kurz nach der 68er-Revolution hat man nicht unbedingt auf der Überholspur studiert.“ Sie genoss die Zeit, begann 1983 ihre Karriere bei der Senatsverwaltung für Inneres unter dem Senator Heinrich Lummer.

Zwei Jahre später wechselte sie zum Verwaltungsgericht, wo sie viele Jahre lang als Richterin tätig war. Manchmal sprach sie mit den Frauen der Kollegen, die voller Bewunderung für die immensen Arbeitslasten ihrer Männer waren. Sie lächelt, wenn sie das erzählt. Schon damals nutzte die Mutter einer Tochter die Möglichkeiten aus, sich Arbeit frei einzuteilen. Saß lieber nachmittags mal auf dem Spielplatz und arbeitete sich dann spätabends durch die Akten. Als sie pendeln musste, erst als Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), später als Abteilungsleiterin und dann Staatssekretärin im Umweltministerium in Sachsen-Anhalt, übernahm ihr Mann, der als Lehrer arbeitete, den Löwenanteil der Familienarbeit.

Ohne diese Unterstützung hätte sie ihre Karriere so nicht machen können, sagt sie rückblickend. Erst 2002 wurde Vera Gäde-Butzlaff einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als sie die Leitung der Berliner Stadtreinigung (BSR) übernahm. Wertschätzung bestimmte ihren Führungsstil, und das wusste man in dem männlich geprägten Haus zu schätzen.

Bus statt Dienstwagen mit Chauffeur

Nach ihrem Abschied 2014 tauchte sie an der Spitze der Gasag wieder ins Licht der Öffentlichkeit – und blieb dort bis Februar 2018. Dass sie immer wieder zum Thema Frauen in Führungspositionen gefragt wurde, hat sie zwischenzeitlich schon ein bisschen genervt. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema durch die Interviews. Sie fand es immer wichtig, neben Frauen- auch Männernetzwerke zu haben.

Privat interessiert sie sich fürs Ballett und die Oper, geht gerne zu Fußballspielen, und vor allem reist sie gern. Kurztrips in ihre Lieblingsstadt Rom, nach Triest und Amsterdam sind für die nächsten Monate schon geplant. Sie würde auch gerne bald mal wieder nach Hawaii, wo die Familie Freunde hat.

Noch muss sie sich daran gewöhnen, nicht dauernd einen Stab von Mitarbeitern um sich zu haben, der sie an Termine erinnert und ihr lästige Kleinigkeiten abnimmt. Nach 20 Jahren ist es für sie beispielsweise ungewohnt, nicht in einen Dienstwagen einsteigen zu können, um einen Termin zu erreichen. So patent, wie sie die Unternehmen zum Erfolg geführt hat, so geht sie aber auch mit der neuen Lebensphase um. Sie fährt wieder mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Bei der BSR hat sie den Müllwerkern rasch klargemacht, dass sie nun mal eher leise spricht, weshalb man ihr mit besonders gespitzten Ohren zugehört hat.

Unterstützung soll von Start-ups kommen

„Ich habe immer zugegriffen und Risiken nicht gescheut“, verrät die 64-Jährige ein Karriererezept. Ihre sympathisch unprätentiöse Ausstrahlung mag neben der fachlichen Kompetenz auch geholfen haben. Die Tochter hat Sozialpädagogik studiert. Da sehe sie zwar nicht die Einkommenschancen, die sie für sich selbst erschlossen hat, sagt sie freimütig. Aber es war ihr selber wichtig, etwas zu machen, was ihr Spaß macht, und das gesteht sie natürlich auch dem Rest der Familie zu.

Zu ihren neuen Projekten bei der Bürgerstiftung zählen die Lesepaten für ältere Menschen. Das sind 30-Jährige, die in Seniorenheimen alten Menschen vorlesen und begeisterte Reaktionen auslösen. Das möchte sie gerne ausbauen. Auch kann sie sich vorstellen, dass noch mehr Berliner runde Geburtstage oder Firmenjubiläen für Spendensammlungen nutzen wollen zugunsten der Bürgerstiftung.

Zudem will sie mehr junge Unternehmer erreichen, mehr Start-ups, um sie davon zu überzeugen, sich für die Stadt zu engagieren. Da sei ganz viel Offenheit für diese Thematik vorhanden, ist sie sich sicher. Man müsse sie nur gezielt erreichen, zum Beispiel über soziale Medien. Über die Bezirksbürgermeister will sie auch die Präsenz der Lesepaten in den östlichen Bezirken noch weiter ausbauen.

Als Schirmherrn fürs diesjährige Art Dinner hat sie den langjährigen Unterstützer der Stiftung, Wolfgang Thierse, gewonnen. Das hat ihr erstes Jahr schon eindrucksvoll gezeigt: Auch mit leiser Stimme kann man viel bewegen.

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