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Leicht zu bekommen. Sichergestellte Ecstasy-Pillen bei einer Polizei-Presekonferenz.

© +++ dpa-Bildfunk +++

Ecstasy bei Minderjährigen: Meist verkaufen Dealer die Pillen auf dem Schulhof

Offenbar weiß die Polizei bisher wenig über die Händler, die in Berlin Kinder und Jugendliche mit Ecstasy versorgen. Sie bittet die Bevölkerung um Hinweise.

Am Montag hatte der Schulstadtrat von Marzahn-Hellersdorf, Gordon Lemm, vor Ecstasy-Konsum unter 11- bis 14-Jährigen in seinem Bezirk gewarnt - jetzt äußert sich auch die Berliner Polizei. Demnach habe die zuständige Direktion 6 von der Drogenproblematik in Marzahn-Hellersdorf bei einem Gespräch am 21. Juni erfahren. Dabei waren Lemm und Mitarbeiter von Beratungsstellen.

Ansonsten weiß offenbar auch die Polizei noch recht wenig über den gezielten Verkauf der Partydroge an Kinder und Jugendliche, wie aus der Antwort auf Anfrage des Tagesspiegel hervorgeht. Vornehmlich solle es sich bei den Konsumierenden um Kinder und Jugendliche handeln, erklärte die Polizei und bestätigte damit die Aussagen des Schulstadtrats.

Darüber hinaus hält sich die Polizei bei der Auskunft über den Handel mit der Partydroge weitgehend zurück und bittet um weitere Hinweise aus der Bevölkerung: „Auch wenn umfassende Ermittlungen geführt werden, um Händlerstrukturen zu zerschlagen, können Hinweise und Anzeigen aus der Bevölkerung diese stützen.“ Offenbar wissen die Behörde bislang wenig über die Händler.

Bislang sei der Handel mit den äußert billig angeboten Pillen nur in Marzahn-Hellersdorf bekannt geworden, erklärte die Polizei. Zugleich warnte die Behörde, die Minderjährigen Konsumenten würde zumeist noch sehr wenig wissen über die Einnahme und Wirkung solcher Drogen. „Auf Grund des oft geringen Körpergewichts kommt es schneller zu Ausfallerscheinungen.“

Pillen ab 1,50 Euro

Laut Lemm registriert das Bezirksamt seit drei bis vier Monaten vermehrt Fälle von Ecstasy-Konsum unter Jugendlichen im Alter von elf bis vierzehn Jahren. Die hochdosierten Pillen seien schon ab 1,50 bis drei Euro zu bekommen.

Etwa zehn bis fünfzehn Kinder mit ihren Eltern hatten in der jüngeren Zeit wegen Ecstasy beim Drogenbeauftragten des Bezirks Hilfe gesucht – so viel wie noch nie. Vermutlich gebe es eine noch deutlich größere Dunkelziffer an Fällen, das genaue Ausmaß sei unklar. An die Öffentlichkeit hatte sich der Schulstadtrat gewandt, um die Eltern zu sensibilisieren.

Anfangs seien auf den Schulhöfen Schulfremde gesehen worden, die die Verkäufer gewesen sein könnten. Das sei von den Schulen inzwischen unterbunden worden. Wie Lemm erklärte, sollen die Verkäufer inzwischen aber mobiler und gezielt unterwegs sein, um sich neue Märkte zu erschließen. Die Polizei bestätigte nun: „Die bekannt gewordenen Handelsplätze befinden sich vornehmlich an verschiedenen Schulen, jedoch auch an Plätzen und Bereichen des Öffentlichen Personennahverkehrs, die von Kindern und Jugendlichen häufig frequentiert werden.“

Nur bei den Preisen kann die Polizei den Angaben des Schulstadtrates nicht folgen. Lemm hatte erklärte, die Händler boten die Ecstasy-Pillen „deutlich unter üblichen Marktpreisen“ für an – für 1,50 bis drei Euro. In ihrer auch mit den Drogenfahndern des Landeskriminalamtes abgestimmten Antwort erklärte die Polizei, ihr seien die „genannten Preise so nicht bekannt“.

Auch Schulen in guten Vierteln sind betroffen

Auch ein Verschenken von Drogen an potenzielle Konsumenten könne bislang nicht bestätigt werden. „Im Jahr 2018 sind dem zuständigen Fachkommissariat des Landeskriminalamtes Preise von 3 bis 10 Euro pro Ecstasy-Tablette bekannt geworden. Der übliche Preis lag bei 5 Euro.“ Aus Justizkreisen heißt es, dass die Produktion der Pillen immer effizienter und günstiger wird.

Ob das Phänomen sich tatsächlich nur auf Marzahn-Hellersdorf beschränkt, ist fraglich. Zwar haben die anderen Bezirke und die Polizei bislang keine Kenntnis vom Ecstasy-Verkauf schon an 12- bis 14-Jährige – doch das bedeutet nicht, dass es das nicht gibt. In Marzahn-Hellersdorf haben die Behörden auch erst durch Eltern davon erfahren. Auch Lemm geht nicht davon aus, dass das Problem auf Marzahn-Hellersdorf beschränkt ist.

Praktisch alle Oberschulen des Bezirks haben Lemm zufolge seit Jahresbeginn Erfahrungen mit dem Phänomen gemacht. Auch in den gut situierten Vierteln komme es vor. In zwei Fällen seien Elfjährige auffällig geworden. „Es beginnt in der Grundschule“, sagt der Stadtrat.

Nach dem Glücksgefühl kommt die Depression

Vor allem seien Mädchen betroffen, für die das auch „Empathikum“ genannte MDMA in Gestalt der bunten Pillen offenbar besonders attraktiv sei. Nachdem das erste Glücksgefühl, das Ecstasy beziehungsweise der Wirkstoff MDMA auslöst, verfliegt, kommt es zu Gereiztheit, depressiven Verstimmungen oder Unkonzentriertheit. Bei Überdosierungen und längerer Einnahme sind auch stärkere Reaktionen bis zu gesundheitlichen und psychischen Schäden möglich.

Auch Kerstin Jüngling, Geschäftsführerin der Berliner Fachstelle für Suchtprävention, glaubt nicht, dass das Problem auf Marzahn-Hellersdorf beschränkt ist. „Es gibt nach meiner Einschätzung an den Schulen alle Substanzen, auch Medikamente. Jetzt wurde wieder etwas entdeckt. Doch das ist immer nur die Spitze des Eisberges“, sagte sie. Es sei auch seit Jahren bekannt, dass die Konsumenten immer jünger werden. Derzeit nehme unter Jugendlichen in Berlin vor allem der Cannabis-Konsum rapide zu.

Das bestätigte auch die Polizeidirektion 6 in Marzahn-Hellersdorf. Dort laufen seit Jahresbeginn 81 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Cannabis. Auch die für Jugend- und Gruppengewalt zuständigen Ermittler und die Abschnitte 62 und 63 sind nach Angaben der Polizei an den Drogenverfahren beteiligt.

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