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Eckart von Hirschhausen und Aktivistin Luisa Neubauer bei der "Fridays for Future"-Demonstration in Berlin.

© epdd/Christian Ditsch

Eckart von Hirschhausen zum Klimastreik: „Die Erde gehört auf die Intensivstation“

Comedian und Arzt Eckart von Hirschhausen unterstützt „Fridays for Future“. Er fragt: Wenn der Mensch so intelligent ist, warum zerstört er die Welt?

Herr Hirschhausen, Sie sind nicht nur erfolgreicher Comedian und Moderator, sondern auch Arzt. Welche Diagnose geben Sie der Erde?

Die Erde hat Fieber und das Fieber steigt. Sie gehört auf die Intensivstation. Sie hat „Multiorganversagen“, wenn man die Symptome zusammenzählt, und das ist ein echter Notfall. Die Lunge im Amazonas wird abgeholzt, der Jetstream-Kreislauf bricht zusammen, die Meere sind verstopft mit Plastik und können bald keine Wärme mehr aufnehmen. Die Erde hat eine schwere Infektion mit Homo sapiens und anderen Rindviechern.

Welche Behandlung schlagen Sie vor?

Müll sortieren wird nicht reichen. Die Behandlung muss an mehreren Bereichen ansetzen, wie Energieerzeugung, Mobilität und Ernährung. 100 Prozent erneuerbare Energie ist in Deutschland technisch möglich, ökonomisch sinnvoll und erst recht ökologisch geboten. Es gibt die Lösungen längst, es fehlt der politische Wille, sie umzusetzen. Und aus Angst um die 20.000 Arbeitsplätze in der veralteten und desaströsen Kohle wird ein Eiertanz aufgeführt, statt dass wir über die Zukunftschancen sprechen, die wir gerade verspielen.

Wie könnte man Klimaschutz sexy machen? Nicht nur für Politiker, sondern für jeden Menschen?

Wenn die Menschen wissen, was sie tun, und was sie anrichten, verhalten sie sich anders. Weniger Fleisch zu essen ist sinnvoll, weil wir die Erde zugrunde richten mit Ackerflächen, die für Futtermittel gerodet werden, und und und – alles bekannt, aber wir erleben das nirgends. Es bleibt so herrlich abstrakt, dass für eine Kalorie aus Fleisch, 20 Kalorien erstmal verfüttert werden müssen und die lösen sich ja nicht in Luft auf, sondern in Klimagasen – als Rülpse, Pupse und Fäkalien – um mal deutlich zu werden. Wie wäre es, wenn man ein Kilo Fleisch im Supermarkt kauft und an der Kasse dazu dann automatisch einen 20 Liter Eimer Gülle mit ausgehändigt bekommt. „So, Herr von Hirschhausen, das gibt es ab heute nur noch im Doppelpack, das haben sie mit eingekauft, brauchen Sie einen Deckel oder geht das so mit? Viel Spaß beim Grillen!“

... oder einem vergeht sowieso schon die Lust auf Fleisch. Was sind sonst konkrete Dinge, die jeder sofort umsetzen kann?

Man könnte sich einen Pulli anziehen statt die Heizung aufzudrehen, möglichst viel mit dem Fahrrad fahren und die eigene Ernährung umstellen. Außerdem sollten wir aufhören, ein Drittel der Lebensmittelproduktion wegzuwerfen. Weltweit sind rund zwei Milliarden Menschen übergewichtig und eine Milliarde mangelernährt. Das ist doch absurd. Die einen hungern, die anderen sind auf Diät, und beiden Gruppen könnte es gesundheitlich viel besser gehen. Die Idee einer „Planetary health Diet“ verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten gut tut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Gemüse. Das kann man den Menschen nicht ,vorschreiben‘, aber ,verschreiben‘. Denn es kann Millionen Herzinfarkte und Schlaganfälle, praktisch alle großen Zivilisationskrankheiten, verhindern, wenn wir uns mehr bewegen und weniger Übergewicht anhäufen. Wir müssen viel mehr betonen, welche Vorteile wir selber haben, wenn wir für den Klimaschutz handeln. Wir brauchen den positiven Spirit. Es gibt keinen Plan B, weil es keine Erde B gibt. Aber bei den Veränderungen geht es langfristig um einen Zugewinn an Lebensqualität.

Was würden passieren, wenn wir heute nicht handeln?

Wir zerstören massiv unsere Umwelt, und machen damit immer weiter; es wird fraglich, ob nachfolgende Generationen auf unserer Erde noch leben können. Es wird Kriege geben, um Wasser und um andere Ressourcen. Wir müssen umdenken, und zwar kollektiv. „Nach mir die Sintflut“ ist die falsche Einstellung. Dass die Hitze schlimmer wird, hat schon jetzt konkrete Folgen, weltweit, aber auch hier. Ältere Leute sterben, weil sie den Kreislaufbelastungen nicht standhalten können. Dann werden sich zahlreiche tropische Infektionskrankheiten ausbreiten und zurück nach Deutschland kommen: Malaria, Dengue-Fieber oder Gelbfieber zum Beispiel. Die asiatische Tigermücke siedelt sich gerade in Heidelberg und Freiburg an. Da die Winter milder und kürzer werden, werden auch Allergien extremer. Alles nicht lustig.

Sie sind in so vielen Stiftungen und Projekten engagiert. Ist da überhaupt Zeit für den Klimaschutz? Wo liegt Ihre Priorität?

Der Zusammenhang von Klimakrise und Gesundheit hat meine persönliche Priorität. Ich habe erst vor gut einem Jahr realisiert, welche Dimension das eigentlich hat. Dabei steht das schon seit vielen Jahren in internationalen, führenden medizinischen Fachzeitschriften wie dem „Lancet Climate Count Down“ oder „Nature Climate change“.

Was haben Sie denn vor einem Jahr genau erlebt?

Ich habe Jane Goodall für ein Interview beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis getroffen, und diese Dame von über 80 Jahren ist eine der charismatischsten Menschen, denen ich je begegnet bin. Sie ging als junge Frau in den Dschungel und revolutionierte unser Bewusstsein für Menschenaffen. Sie stellte mir eine zentrale Frage: Wenn der Mensch die intelligenteste Art auf dem Planeten ist – warum zerstört er dann sein eigenes Zuhause?

Und was haben Sie geantwortet?

Ich habe erst dreimal schlucken müssen, weil es ja tatsächlich so absurd ist, dass wir die einzige Art sind, die in die Zukunft schauen können und alles daran setzen, da nicht hinzugucken! Stattdessen kaufen wir uns Zeug, was wir nicht brauchen, von Geld und Ressourcen der künftigen Generationen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen.

Sie sind in Deutschland für Ihren Humor bekannt. Kann man diese ernste Situation noch mit Humor nehmen?

Ja, kann man. Ich habe letztens einen Facebook-Post gemacht, dass ich lieber die Abgase von Fahrradfahrern als von Autofahrern einatme. Das merkt man sich, und das kommt an. Nicht bei allen, aber das ist mir auch klar, dass es Abwehr-Reflexe gibt.

Abgesehen von humorvollen Facebook- Posts unterstützen Sie den Klimaschutz auch mit der Vereinigung Scientists for Future. Vergangene Woche haben Sie im Namen von 23 000 Wissenschaftlern in Berlin die „Fridays for Future“-Demonstration begleitet. Was sagen Sie zu der Kritik, dass die Schüler doch in die Schule gehen und stattdessen am Samstag streiken sollten?

Ich finde es Quatsch, den Schülern zu unterstellen, dass sie alle schwänzen wollen. Die, die ich erlebt habe, denen geht es wirklich um was. Piloten streiken ja auch nicht in ihrer Freizeit.

Waren Sie selbst in dem Alter schon auf Streiks oder anders politisch aktiv?

Ja. Ich war in dem Alter sehr friedensbewegt, in der Kirchengemeinde aktiv und habe auch in Wackersdorf am Zaun gestanden und nach Tschernobyl für den Ausstieg aus der Atomenergie demonstriert. Hat ja auch geklappt – mit etwas Geduld.

Wird es Scientists for Future auch nach der Unterschriftenaktion geben?

Wir sind überwältigt von dem Zulauf und der Unterstützung. Der nächste Schritt werden Regionalgruppen sein. Da werden wir dranbleiben. Es gibt auch schon die Gruppe Allianz Klimawandel und Gesundheit, mit der ich im engen Austausch bin. Und die Charité und das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung richten gerade eine Professur für das Thema ein. Es passiert endlich etwas!

Wie setzen Sie sich persönlich für Klimaschutz ein? Haben Sie schon auf Ökostrom umgestellt?

Ja klar, schon vor mehr als zehn Jahren.

Fliegen Sie noch?

Ich bin Bahnfahrer. Aber gelegentlich fliege ich noch. Privat fahre ich auch einen VW-Diesel. Kein Mensch muss perfekt sein, um seine Stimme erheben zu dürfen.

Zahlen Sie dann zumindest für jeden Flug einen CO2-Ausgleich?

Natürlich. Ich bin auch Botschafter von Atmosfair. Ich fände es wichtig, dass man bei Suchmaschinen, wenn man einen billigen Urlaubsflug sucht, neben der Kostenaufstellung noch eine CO2-Angabe bekommt. Wenn ich sehe, dass ein Flug bei gleichem Preis eine höhere Bilanz hat, wäre es ein gutes Kriterium, den zu nehmen, der weniger schadet. Eine Studie hat gezeigt, dass Menschen sich beim Lebensmittelkauf anders entscheiden, wenn sie wissen, wie viel Kohlendioxid dort drinsteckt. Wenn ich eine Fleischsuppe statt einer Gemüsesuppe kaufen will, die aber eine zehn Mal schlechtere CO2-Bilanz hat, überlege ich mir nochmal, ob sie wirklich zehnmal so gut schmeckt.

Herr Hirschhausen, vielen Dank für das Gespräch.

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