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Berliner Gastronomen der nach eigenen Angaben unabhängig und privat organisierten Initiative "Leere Stühle" haben am Freitag (24. April 2020) fast 800 Stühle vor dem Brandenburger Tor aufgestellt, um auf die schwierige Lage ihrer Branche hinzuweisen.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Düstere Corona-Prognose für Berlin: Die Wirtschaft wird 2020 um bis zu zehn Prozent schrumpfen

Bei der landeseigenen Investitionsbank Berlin erwartet man, dass die Wirtschaft in der Hauptstadt stärker als andernorts unter der Corona-Krise leidet.

„Auch wenn die Krise in Berlin medizinisch in einigen Wochen überwunden sein sollte, oder zumindest Ausgangssperren in Teilen aufgehoben werden, muss davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Dienstleistungsumsätze unwiederbringlich verloren sein wird“. So lautet eine Vorhersage von Jürgen Allerkamp, dem Vorstandschef der IBB, in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel.

Der Banker, dessen Institut derzeit vor allem mit der Organisation und Auszahlung der Soforthilfeprogramme für Berlins Unternehmen befasst ist, kann sich nach eigenen Angaben gut vorstellen, "dass sich (in Berlin) nach einigen Wochen ein rascher Wiederanstieg der wirtschaftlichen Tätigkeit einstellen" wird. So könnten zum Beispiel unternehmensnahe Dienstleister von der Wiederaufnahme und Nachholeffekten in der Produktion in der deutschen Industrie profitieren.

Auch der Handel könnte von vielen Berliner Kunden profitieren, die wieder das eigene Heim verlassen dürfen. Dann würde aufgeschobene Käufe und Investitionen nachgeholt, die Produktion laufe wieder an - vorausgesetzt die Lieferketten sind nicht unterbrochen. "In diesem Fall läge ein sogenanntes V-Szenario vor, schnell hinein in die Krise und rasch wieder heraus", fasst Allerkamp die optimistische Prognose der IBB zusammen.

Gleichwohl währen Wirtschaftszweige "mit hoher wirtschaftlicher Belastung" vor allem das Gastgewerbe, mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes um 20 Prozent gegenüber 2019. Unternehmen rund um Kunst, Unterhaltung und Erholung würden ebenfalls 20 Prozent weniger volkswirtschaftliche Leistung bringen, die freiberuflichen- und unternehmensnahen Dienstleistungen würden demnach rund rund fünf Prozent verlieren, sagt Allerkamp voraus.

"In diesem Szenario kann 2020 auf der Basis der besonders negativ betroffenen Wirtschaftsbereiche mit einem Rückgang der Bruttowertschöpfung um rund 5,8 Milliarden Euro beziehungsweise einem BIP-Rückgang von etwa fünf Prozent gerechnet werden", lautet das Fazit.

 Jürgen Allerkamp (63) ist seit Anfang 2015 Chef der Investitionsbank Berlin (IBB), der Förderbank des Landes Berlin.
Jürgen Allerkamp (63) ist seit Anfang 2015 Chef der Investitionsbank Berlin (IBB), der Förderbank des Landes Berlin.

© Investitionsbank Berlin

Damit geht Berlins oberster Förderbanker davon aus, dass Berlin selbst bei einem glimpflichen Ausgang der Corona-Krise stärker getroffen sein wird als die deutsche Wirtschaft insgesamt. Hier hatten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute Ende März einen Rückgang der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung um 2,8 Prozent - im schlimmsten um 5,4 Prozent - vorhergesagt.

Was für einen noch schlimmeren Einbruch spricht

Bei einem negativeren Szenario könnte das Wiederanlaufen der Berliner Wirtschaft sogar weitaus stockender verlaufen, rechnet Allerkamp vor. Er rechnet hier mit knapp zwölf Milliarden Euro weniger Bruttowertschöpfung und einem Schrumpfen der regionalen Wirtschaft um bis zu zehn Prozent. Seine Befürchtung: Vor allem tourismusnahe Branchen könnten aufgrund von unterschiedlichen zeitlichen und regionalen Taktungen ihre Aktivitäten nicht friktionslos aufnehmen.

"Der Krisenverlauf entspräche dann eher einer U-Form und würde zu einem stärkeren wirtschaftlichen Einschnitt führen." So würde der Berliner Tourismus, selbst nach einer medizinischen Normalisierung hierzulande, weiterhin unter ausbleibenden ausländischen Touristen leiden.

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Allerkamp geht davon aus, dass Reisebeschränkungen in vielen Ländern noch eine lange Zeit aufrechterhalten bleiben. Zudem werde vielen Menschen in den Krisenregionen häufig das Geld zum Reisen fehlen. "Daher sollten wir insbesondere den innerdeutschen Tourismus intensiv bewerben", rät der Banker den Standortförderern.

Auch die "inzwischen sehr breit aufgestellte Digitalwirtschaft" wäre im negativen Szenario der IBB eher Teil des Problems als der Lösung. Denn eigentlich sollte sie per Definition auf eine Krise dieser Art besonders gut vorbereitet sein. "Allerdings handelt es sich oft um junge Start-ups, die nicht über viel Eigenkapital verfügen und in der Krise häufig nicht lange durchhalten können", lautet seine Analyse. Internationale Risikokapitalinvestoren könnten ihr Engagement zurückfahren, da deren Risikoappetit bis auf weiteres gehemmt ist. Dies dürfte die junge und dynamische Gründerszene in Berlin empfindlich treffen."

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