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Berlin: Du sollst nicht töten

Das letzte, was der kleine Mann besaß, bevor er ins KZ kam, war ein Band mit Heinrich Heines gesammelten Werken. Er hat ihn Milo Dor geschenkt, der – selbst ein Häftling – im Wiener Gefangenenhaus arbeitete.

Das letzte, was der kleine Mann besaß, bevor er ins KZ kam, war ein Band mit Heinrich Heines gesammelten Werken. Er hat ihn Milo Dor geschenkt, der – selbst ein Häftling – im Wiener Gefangenenhaus arbeitete. Als serbischer Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg deportiert, schreckt Dor nicht der Tod, sondern das ideologisch begründete Morden. In seiner Monstrosität von den Nazis perfektioniert, muss man es in den Verbrechen auf dem Balkan wieder entdecken. Gegen dieses „Vernichten anderer Menschen“ schreibt Dor an. Er tut das mit der Klugheit eines Älteren, der Geschichte erlebt hat und Zusammenhänge sehen kann. Zugleich gelingt ihm in den 13 Essays trotz persönlicher Details eine melancholische Distanz, so dass die „Grenzüberschreitungen“ nicht zur Anklageschrift werden. Sie sind vielmehr ein Aufruf, sich der Verantwortung gegenüber der Geschichte bewusst zu sein. Texte wie „Die Mechanik des Tötens“ und „Der Witz in finsteren Zeiten“ lassen allerdings zweifeln, ob der Mensch willens ist zu lernen. Milo Dor fragt sich das auch. Und endet mit den Worten: „Ich gebe die Hoffnung nicht auf.“

Milo Dor: Grenzüberschreitungen. Positionen eines kämpferischen Humanisten. Picus Verlag, Wien. 120 Seiten, 14,90 €.

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