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Viel wurde probiert und verworfen - die Politik steht mit dem Rücken zur Wand.

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Drogen-Hotspot Görlitzer Park: Berlins Politik muss endlich gegen die Richtigen vorgehen

Die Vorschläge des Innensenators zum Umgang mit Dealern wirken hilflos. Etwas muss sich ändern, sonst geht das Vertrauen in die Politik verloren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Der Innensenator von Berlin ist ein seriöser Mann. Wenn SPD-Mann Andreas Geisel also Maßnahmen als Lösungen ankündigt, die sich teils längst als wirkungslos erwiesen haben, muss die Not groß sein. Im Görlitzer Park will er nun die Identitäten von Dealern feststellen lassen, was längst passiert, und es – wieder einmal – mit mehr Polizei versuchen.

Die Not, sie scheint gewaltig. Es wurde so viel probiert und verworfen – von Null-Toleranz-Politik bis zum Dealer-Fußball-Turnier –, dass die Politik mit dem Rücken zur Wand steht.

Im Juli hatte die zunehmende Kriminalität im Park die Sorgenfalten des Innensenators vertieft: Die Zahl der schweren Körperverletzungen war in den ersten fünf Monaten 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gestiegen, die Zahl der Raubtaten um 30 Prozent. Friedrichshain-Kreuzbergs grüne Bezirksbürgermeisterin, Monika Herrmann, versuchte zu beruhigen: Es seien ja Streitigkeiten unter Dealern.

Das kam etwa so an: Keine Angst, liebe Kreuzberger, die hauen sich nur untereinander um. Einige Tage später setzte sich der Regierende Bürgermeister zu Markus Lanz ins Fernsehen und verkündete, im Görlitzer Park gebe es doch einen schönen Streichelzoo für Familien und die amüsierten sich schließlich „wie Bolle“. Wieder verstanden viele Anwohner: Habt euch mal nicht so. So geht's nicht weiter.

Die Situation im Park spaltet zunehmend die Stadt. Für die einen gehören die Dealer und Drogen zur Berliner Folklore. Es ist eine eher jüngere, linke Klientel, die dort Rassismus gegen die meist schwarzen Dealer wittert, wo andere ihre Angst vor den aufdringlichen Männern artikulieren. Wer mit der Situation Probleme habe, solle eben nach Tübingen zurückgehen.

Die anderen halten den Park dagegen für das Fanal der gescheiterten Stadt und für Politikversagen geradezu biblischen Ausmaße – angeblich verursacht durch den rot-rot-grünen Senat. Sie fordern ein hartes Durchgreifen der Polizei, Abschiebungen der Dealer am Rand des rechtlich Machbaren oder, wenn nichts mehr hilft, einen Zaun um die Grünanlage zu bauen.

Wer nur gegen die Dealer vorgeht, verdrängt sie bloß

Beide Sichtweisen sind in ihrer Radikalität Quatsch. Allerdings zeigt die Debatte, was passiert, wenn Menschen das Vertrauen in die Wirkmächtigkeit der Politik verlieren. Sie wenden sich ab, wollen Taten sehen, und seien es nur symbolische. Dass Geisel dieses Problem im Gegensatz zur Kreuzberger Bürgermeisterin und dem Regierenden Michael Müller erkennt, ist ihm anzurechnen.

Innensenator Andreas Geisel (SPD).
Innensenator Andreas Geisel (SPD).

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Seine Strategie allerdings hat er, recht fantasielos, aus der politischen Mottenkiste hervorgekramt. Wer tatsächlich an die Dealer ran will, müsste die Daumenschrauben so fest drehen, dass der Rechtsstaat ächzt. Auf alles andere haben sich die findigen Männer längst eingestellt. Dauerhafte Polizeipräsenz, Abschiebehaft, niedrigere Toleranzgrenzen bei Drogenfunden – klassische CDU-Positionen.

Das ist für Innensenator Geisel mit Grünen und Linken nicht machbar. Das Problem des Parks würde es ebenso wenig lösen. Die Dealer würden zwei Straßen weiter auftauchen.

Ran an die Hintermänner, ran an die Konsumenten

Wer die Gesamtsituation verbessern will, muss massiv gegen die Hintermänner vorgehen. Es ist bekannt, dass diese ihre Laufburschen aus den Cafés in der Gegend steuern. In Neukölln wird mit massivem Polizeieinsatz gegen die Spelunken der Clans vorgegangen, die ja auch im Drogengeschäft aktiv sind.

Das ginge, spielte der Bezirk mit, auch in Kreuzberg. Zivilbeamte, Telefonüberwachung, Observation – gegen die Großdealer braucht es mehr als eine tägliche Streife durch den Park, sondern eine berlinweite Strategie gegen die organisierte Kriminalität.

Am Nötigsten wäre es, endlich an die Konsumenten zu appellieren. Die Politik muss den Berliner Koksern und Kiffern eines verdeutlichen, am besten durch mehrsprachige Hinweisschilder, die auch der ganze Easyjetset versteht: Wer im Görli seine Drogen kauft, unterstützt die sklavenähnlichen Verhältnisse, in denen die Dealer arbeiten. Wer im Görli einkauft, missbraucht den Berliner Liberalismus.

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