zum Hauptinhalt
Anschluss vorhanden. Am Glienicker Weg in Adlershof beginnt die TVO.

© imago

Drei Bezirke, Berliner Wirtschaft, Abgeordnete: Breites Bündnis fordert zügigen Bau der Schnellstraße TVO

Klimaschützer organisieren Protest gegen große Straßenbauprojekte in Berlin. Nun schlagen Wirtschaft, Politiker und Anwohner im Osten Alarm: Die TVO muss kommen.

Ein Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Anwohnern fordern den Senat auf, die Schnellstraße TVO im Osten Berlins zügig zu bauen. Das Planfeststellungsverfahren müsse „spätestens Anfang 2022“ beginnen, heißt es in einer am Mittwoch verabschiedeten Resolution. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Bürgermeister von Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick, die Industrie- und Handelskammer (IHK), Unternehmensverbände sowie Abgeordnete von SPD, Linke, CDU und FDP.

„Bei kaum einem Verkehrsprojekt ist der breite Nutzen – oder besser: die dringende Notwendigkeit – so offensichtlich wie bei der TVO", schreiben die Verfasser der Resolution (hier als PDF). „Denn hierdurch werden weit mehr als 100.000 Menschen in den genannten drei Bezirken von täglichen massiven Staus vor ihrer Haustür und den damit einhergehenden Belastungen durch Lärm und Abgase entlastet.“

Derzeit würden sich rund 100.000 Fahrzeuge jeden Tag auf hauptsächlich drei kleinere Straßen verteilen: die Köpenicker Straße in Biesdorf, die Treskowallee in Lichtenberg und die Rudolf-Rühl-Allee in Treptow-Köpenick. Das sei sowohl für die Anwohner als auch den Wirtschaftsverkehr eine „unzumutbare Situation“.

Mit dem BER werde der Verkehr nach der Pandemie weiter zunehmen. Die TVO, eine Abkürzung für Tangentiale Verbindung Ost, sei zudem als Verkehrsanbindung für die Gewerbegebiete Schöneweide, Adlershof und Berlin Eastside sowie die Unternehmensansiedlungen rund um den Flughafen „unerlässlich“.

Resolution unterstützt Rad- und Bahnverbindung

Die lange geplante Straße soll eine durchgehende Nord-Süd-Verbindung im Osten Berlins darstellen, die bisher nur in Teilen besteht: Zwischen der Märkischen Allee in Marzahn im Norden und der Straße An der Wuhlheide sowie der Spindlersfelder Straße in Treptow im Süden gilt es, eine Lücke zu schließen. Mittlerweile ist begleitend auch ein Radschnellweg vorgesehen. Zudem gibt es Überlegungen für eine „Schienen-TVO“ – parallele Gleise für S-Bahn oder Regionalbahn.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Unterzeichner der Resolution befürworten ausdrücklich auch die Rad- und die Bahnverbindung. Während sie die Radwege gleichzeitig umsetzen wollen, warnen sie vor weiteren Verzögerungen durch die Planung der Gleise. Die Schienen-TVO sei zwar „in der Zukunft ein Teil einer Entlastungsstrategie“, heißt es in der Erklärung. „Ein Ersatz für die Straßen-TVO ist sie nicht." Diese solle deshalb unabhängig von den laufenden Planungen für den Schienenverkehr gebaut werden. Dessen Trasse sei „auf jeden Fall gesichert“.

Klimaschützer: „Fast 15 Hektar Wald vernichtet“

Die Resolution ist auch eine Reaktion auf den jüngst verstärkt artikulierten Widerstand von Klimaschützern gegen große Straßenbauprojekte in Berlin. Neben dem Weiterbau der Stadtautobahn A100 betraf das auch die TVO.

[Lesen Sie mehr: Schneise der Verwünschung Darum geht es beim Kampf um die Berliner Stadtautobahn A100 (T+)]

Ende April hatten Demonstranten bei einer Fahrraddemo gegen das Vorhaben protestiert, weil dadurch „viele Tausend Bäume abgeholzt und fast 15 Hektar Wald vernichtet“ würden. Anwohner, mobilisiert von der CDU und dem Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN), der auch die Resolution initiiert hat, stellten sich ihnen entgegen.

Verwaltung: „Sämtliche Verluste sollen kompensiert werden“

Diese Kritik der Klimaschützer weisen die Unterzeichner zurück: „Mit Sorge“ sehe man die Diskussion um die Waldflächen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz werde „möglichst wenig Wald in Anspruch genommen“, steht dazu in dem Papier. „Nur in den Randbereichen der Waldgebiete Wuhlheide und Biesdorfer Busch werden einige Bäume gefällt.“

[Mehr über Berlins Osten wissen: Immer montags erscheinen unsere kostenlosen Leute-Newsletter aus den Bezirken Treptow-Köpenick und Lichtenberg, dienstags aus Marzahn-Hellersdorf.]

Ein wichtiger Bestand alter Eichen bleibe erhalten, es gebe keine Zerschneidungen. Darüber hinaus werde durch die Entsiegelung der Rudolf-Rühl-Allee und deren Umnutzung als Waldweg aus zwei kleineren sogar eine große Waldfläche entstehen, die Biesdorf und Köpenick zur Naherholung diene.

Diese Angaben entsprechen dem, was auch die Senatsverwaltung Ende April dem Tagesspiegel auf Anfrage des Leute-Newsletters für Marzahn-Hellersdorf mitgeteilt hatte. Zur von den Klimaschützern behaupteten Vernichtung von Wald hieß es zudem, es sei zwar richtig, dass 14,6 Hektar weichen müssen, doch solle es auch entsprechenden Ausgleich geben. „Sämtliche Waldverluste sollen möglichst vor Ort und gebietsnah kompensiert werden, insbesondere durch Aufforstung von Mischbaumarten und Waldumbau.“ Das heißt: Im Saldo sollen keine 15 Hektar verlorengehen, wenn auch die neuen Bäume an anderer Stelle natürlich Zeit brauchen werden, um nachzuwachsen.

Spitzenkandidatin Jarasch für TVO, aber Grüne nicht einig

Nicht zu den Unterzeichnern der Resolution gehören Politiker der Grünen. Dabei hat sich die Partei in Marzahn-Hellersdorf für den Kompromiss mit Straße, Radweg und Schiene ausgesprochen, zumal der favorisierten Trassenführung nur Kiefern weichen müssen.

Auch die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin hatte beim Landesparteitag im April die TVO befürwortet: „Eine Stadt für Menschen kann man nicht gegen die betroffenen Menschen bauen“, sagte Bettina Jarasch. Biesdorf, Karlshorst und Köpenick, „die seit Jahrzehnten unter dem Durchgangsverkehr leiden“, dürfe man „nicht noch länger vertrösten“.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die CDU verdächtigt die grün geführte Verkehrsverwaltung schon länger, die Planungen für die TVO nicht mit dem nötigen Tempo voranzutreiben, was diese bestreitet. In der Landespartei ist die Straße durchaus nicht unumstritten. Die Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität der Grünen versucht das Vorhaben in seiner jetzigen Form zu verhindern. Sie will einen Engpass ausgemacht haben, wo die Straße so nah an den Fernbahngleisen vorbeiführe, dass es nur unter hohen Kosten möglich sei, die Nahverkehrstangente noch zu realisieren. Die Verkehrsverwaltung erklärte dazu, es ständen „ausreichende Flächen“ zur Verfügung.

Bürgermeisterin Pohle: TVO „in allen Facetten“ unverzichtbar

Es habe verschiedene Verzögerungen gegeben, aber da müsse man nun nicht mehr zurückschauen, sagte die Bürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle (Linke), am Donnerstagabend in der Bezirksverordnetenversammlung. Die Tangentialverbindung Ost sei „in allen ihren Facetten“ unverzichtbar, auf Straße und Radweg will sie aber nicht länger warten.

Die Verkehrsverwaltung hat den Beginn des Planfeststellungsverfahrens bisher allgemein mit 2022 angegeben, einen Baubeginn im besten Fall für 2025 in Aussicht gestellt. Das liegt nicht weit von der Resolution entfernt. Sie dient wohl vor allem dazu, keine neuen Grundsatzdebatten über das Vorhaben aufkommen zu lassen.

Zur Startseite