zum Hauptinhalt
Franziska Giffey und Raed Saleh, die beiden Vorsitzenden der Berliner SPD.

© Doris Spiekermann-Klaas

Doktortitel entzogen: Berliner SPD hält zu Giffey – CDU sieht „schweren Schaden“ für Exzellenzuni

Die Freie Universität hat Franziska Giffey den Doktortitel nun doch aberkannt. Grüne und CDU warnen vor den Folgen der Affäre für den Wissenschaftsstandort.

Franziska Giffey hält an ihrer Position fest. Sie bedauere die Fehler, die ihr in ihrer Dissertation passiert seien, diese wären aber „weder beabsichtigt noch geplant“ gewesen, teilte sie am Donnerstag mit. Kurz nach der Bekanntgabe des, bereits erwarteten, Titelverlusts gab ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh die SPD-Linie vor: „Die Berliner SPD konzentriert sich mit der Spitzenkandidatin Franziska Giffey auf den Wahlkampf und die Zukunft der Stadt“, teilte Saleh mit. „Nur die Berlinerinnen und Berliner werden entscheiden, wem sie das Rote Rathaus zutrauen.“ Schließlich hatte die SPD Giffey schon im Wissen um das schwebende Verfahren zur Spitzenkandidatin nominiert.

Deutliche Kritik an Giffey kam dagegen vom Berliner Koalitionspartner und wahrscheinlichen Hauptkonkurrenten um die Bürgermeisterschaft nach der Wahl: den Grünen. Wirtschaftssenatorin und Bürgermeisterin Ramona Pop (Grüne) erklärte auf Nachfrage: „Ich wünsche mir, dass eine künftige Regierende Bürgermeisterin mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit für die Wissensstadt Berlin eintritt, wie es in den letzten Jahren der Fall gewesen ist.“ Die international renommierte Wissenschaft sei „ein wesentlicher Berliner Standortvorteil“ für die Wirtschaft – etliche Unternehmen kämen vor allem deshalb nach Berlin.

Für die CDU äußerte sich der forschungspolitische Sprecher Adrian Grasse, der mit immer neuen Anfragen mit dafür gesorgt hatte, dass der Fall Ende 2020 neue aufgerollt wurde. Er forderte nun Konsequenzen – aber nicht für Giffey, sondern für die Freie Universität (FU).

CDU sieht „Vetternwirtschaft“ am Otto-Suhr-Institut

Grasse sprach vom „größten Skandal in der deutschen Wissenschaft“. Die Hochschule habe zunächst zu einer „Verschleierung der Vorgänge“ beigetragen. Grasse äußerte den Verdacht, dass im ersten Verfahren durch das Otto-Suhr-Institut (OSI) für Politikwissenschaft „gezielt“ versucht worden sei, einen Entzug des Doktortitels abzuwenden. „Damit hat das OSI den Ruf der FU aufs Spiel gesetzt und der Exzellenzuniversität schweren Schaden zugefügt.“

[Lesen Sie mehr: „Herzenssache“ statt Plagiatsskandal: Wie Franziska Giffey versucht, die Wirklichkeit zu verpacken. Ein Essay über politisches Framing (T+)]

Die Beratungen im ersten Prüfverfahren seien „offenbar nicht sachgerecht, sondern interessengeleitet“ erfolgt, monierte der CDU-Politiker. „Die Freie Universität muss klären, welche Verantwortung der Doktormutter von Frau Giffey zukommt und ob sie als Vorsitzende des Promotionsausschusses noch länger tragbar ist“, teilte Grasse mit. „Der Verdacht der Vetternwirtschaft wiegt jedenfalls schwer.“

„Ihre Arbeit war offenkundig unter hohem Druck entstanden“

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke, ein ehemaliger Professor des Otto-Suhr-Instituts, hält die neue Entscheidung der FU für richtig. „Dies ist nun endlich eine angemessene Entscheidung der Freien Universität, die den Verfehlungen der Arbeit angemessen ist“, sagte er dem Tagesspiegel. „Ihre Arbeit war offenkundig unter hohem Druck entstanden.“ Giffey habe in den reflektierenden Teilen etwa am Ende ungenau oder falsch zitiert.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Funke hält es für legitim, dass Giffey trotz der Aberkennung nun an der Kandidatur zur Regierenden Bürgermeisterin festhält: „Schließlich haben die Wählerinnen die Chance, ihr Verhalten am 26. September zu beurteilen.“

Linken-Bürgermeister: „Dann haben wir keine Maßstäbe mehr“

Die AfD forderte dagegen auch Giffeys Verzicht auf die Spitzenkandidatur – Giffey war vor kurzem bereits als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. „Wer trickst und täuscht, kann nicht Regierende Bürgermeisterin werden“, teilte Martin Trefzer, wissenschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, mit. „Berlin ist keine Resterampe für gescheiterte Bundespolitiker.“

Die Linkspartei wollte sich offiziell nicht äußern. Stefan Liebich, scheidender Bundestagsabgeordneter der Partei, twittere aber, das Problem an Giffey sei nicht die Aberkennung des Doktorgrades, sondern ihre Politik. Pankows linker Bürgermeister Sören Benn widersprach: „Wenn eine ’mindestens bedingt vorsätzliche Täuschung erheblichen Ausmaßes’ nicht auch ein Problem sein soll für Leute, die sich um Ämter bewerben, dann haben wir keine Maßstäbe mehr.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false