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Kann Spaß machen. Aber manchmal geht es auch um Leben und Tod.

© dpa

DLRG-Retter: „ ... dann sind Sie in Lebensgefahr“

Was tun, wenn ein Ertrinkender klammert? Ein DLRG-Retter über richtige Hilfe. "Halten Sie Abstand vor Ertrinkenden in Not!"

Es war eine kleine Nachricht mit einem großen Drama: Im Malchower See – gelegen in Berlin-Lichtenberg, direkt neben den Plattenbauten von Neu-Hohenschönhausen – ist ein zwölf Jahre altes Mädchen gestorben. Eine Achtjährige hatte den Halt in dem Badesee verloren, klammerte sich verzweifelt an die Zwölfjährige, die neben ihr schwamm – und zog das Kind dann in die Tiefe.

[In Berlin-Spandau liegt die Nichtschwimmer-Quote der Kinder so hoch wie in keinem anderen Bezirk. Die DLRG schlägt den Bau einer Traglufthalle über dem Freibad vor, um so mehr Schwimmflächen zu schaffen. Mehr hier konkret im Spandau-Newsletter. Den gibt es in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Das junge Mädchen konnte von Passanten gerettet werden. Alarmierte Rettungskräfte holten die Zwölfjährige zwar noch aus dem See und konnten sie auch wiederbeleben. Am Wochenende aber ist das Mädchen im Krankenhaus gestorben.

Herr Ross, Sie sind seit 30 Jahren bei der DLRG und ausgebildeter Rettungsschwimmer. Was tun, wenn sich ein Schwimmer in Not bei einem anderen im Wasser festhält?

Losreißen – das sagt sich so leicht, aber das ist es nicht. Schon gar nicht für ein zwölf Jahre altes Mädchen.

Was tun als Schwimmer?

Um Hilfe rufen, so laut es geht.

Und am Badeufer?

Holen Sie Ihr Handy raus, wählen die 112 – die Feuerwehr braucht ein paar Minuten. Aber auch dann gehen Sie nicht sofort ins Wasser.

Sondern?

Nehmen Sie ein Handtuch mit, irgendetwas, das der Ertrinkende fest greifen kann. Der hat gewaltige Kräfte in der Not – auch ein Kind. Sie kennen unsere Rettungsbojen? Die tragen wir nicht aus Spaß. Ertrinkende handeln in großer Panik, die sind voller Adrenalin, klammern nach allem, was sie greifen können – Sie sind dann selbst in Lebensgefahr. Menschen in Not müssen irgendwohin mit ihrer Kraft, deshalb ein Handtuch.

Was raten Sie?

Abstand halten auch als Schwimmer! Zwei Meter – aber Sie können Kontakt herstellen, beruhigen, wenn es irgendwie geht. Aber vor allem: Nicht anfassen! Sie wollen helfen, klar. Der Mensch will Ihnen nicht schaden, der will leben, ebenso klar. Aber er hat 150 Prozent mehr Kraft, wenn er um sein Leben kämpft. Sie sind dann im Wasser in großer Gefahr. Wir nennen das Eigensicherung. Wir kennen spezielle Befreiungsgriffe, aber die kennt ein Laie nicht.

Aber wenn mehrere Schwimmer im Wasser sind …

… dann wird trotzdem einer von Ihnen gegriffen und in die Tiefe gezogen! Hilfe ist unterwegs, und auch schwimmende Polizisten und Feuerwehrkräfte wissen sich notfalls aus der Umklammerung zu befreien. So hart das klingt: Erst wenn der Überlebenskampf nachlässt und der Ertrinkende im See ganz erschöpft ist und schon fast untergeht, dann kann man zugreifen und ihn an Land ziehen.

Was macht man am Ufer?

Wenn der Mensch untergeht, merken Sie sich die Stelle für die Rettungskräfte – das ist total schwierig, wenn Sie mehrere Minuten auf den See gucken müssen! Ist der Schwimmer hingegen bewusstlos, holen Sie ihn waagerecht aus dem Wasser, legen Sie ihn hin. Noch wichtiger als die Beatmung ist dann die Herz-Druck-Massage im unteren Drittel des Brustkorbs. Sie drücken fünf, sechs Zentimeter tief, bei Kindern müssen Sie natürlich vorsichtiger sein. Und das machen Sie dann so lange, bis die Feuerwehr neben Ihnen steht.

Wann ist ein Kind ein guter Schwimmer?

Ein „Seepferdchen“ ist eine Scheinsicherung. Das reicht nicht. Wir sagen immer: Wer den Jugendschwimmschein Silber oder Bronze hat, kann schwimmen. Aber es sind spielende Kinder – die dürfen diese Verantwortung nicht alleine tragen. Da müssen Erwachsene am Ufer einen Blick haben. Weiter als bis zur Brust darf ein Nichtschwimmer nie ins Wasser. Und das auch nur, wenn der Boden nicht schlammig ist. Sonst versinken Kinder mit den Füßchen im Schlamm, verlieren den Halt, rudern panisch mit den Armen – und schwimmen plötzlich im Wasser. Eltern müssen das den Kindern erklären.

Thorsten Ross, 49, Leiter der DLRG Spandau, die an den Badeseen und der Havel im Einsatz ist mit 100 Rettungsschwimmern

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