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In den Amtszimmern der Berliner Verwaltung soll mehr auf politisch korrekte Sprache geachtet werden.

© Soeren Stache/dpa

„Diversity-Leitfaden“: Wie die Berliner Verwaltung ihre Sprache sensibilisieren will

Ein neuer Leitfaden soll Landesbedienstete auf Diskriminierung aufmerksam machen – und schlägt vor, welche Worte in den Amtsstuben zu verwenden sind.

Dass der Ton die Musik macht, darüber dürfte Einvernehmen herrschen. Sprache bestimmt, wie das Gegenüber reagiert, ob im Büro, im Freundeskreis – oder auf dem Amt.

Das hat jüngst auch der Berliner Senat erkannt und stellt den Landesbediensteten nun einen Leitfaden zum fachgerechten Gebrauch von Wörtern im Gespräch „mit den Menschen in dieser Stadt“ zur Verfügung.

Das Papier für „Mitarbeitende der Berliner Verwaltung zum diversitysensiblen Sprachgebrauch“ umfasst 44 Seiten und soll das Personal in den Amtsstuben für Diskriminierung in der Kommunikation sensibilisieren. Erstellt hat die Broschüre die bei Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) angesiedelte Landesstelle gegen Diskriminierung.

Doch, um eine weitere wahre Stanze aus dem Sprachrepertoire zu bemühen, der gute Wille allein reicht nicht. „Armes Berlin“, „bekloppt“, „wie bei Orwells 1984“ – die Empörung in den sozialen Medien ist groß. Während die einen von absurden Auswüchsen der sprachlichen Korrektheit reden, bemängeln andere die verbalen Handreichungen als unzureichend.

Denn neben grundsätzlichen Beobachtungen zur Wirkung von Sprache beschäftigt sich das Papier mit der Bedeutung einzelner Worte. In den aufgelisteten Definitionen werden alternative Lösungen angeboten.

Einen bewussteren Gebrauch wünscht sich die Broschüre etwa für den Begriff „Ausländer“. Das Wort bezeichne Einwohner ohne deutsche Staatsbürgerschaft, werde aber oft als Synonym für Einwanderer genutzt. Bevorzugt wird der Begriff „ausländischer Mitbürger“.

„Geflüchtete“ statt „Flüchtlinge“

Das Wort „Flüchtling“ wiederum reduziere Menschen auf einen einzelnen Teil ihrer Biografie. Der Text schlägt deshalb „Geflüchtete“ oder „Schutzsuchende“ als Alternative vor. Der geläufige „Migrationshintergrund“ könne bei Bedarf durch „Migrationsgeschichte“ ersetzt werden.

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Bei People of Color wird es auch orthographisch interessant. Da es sich um eine politische Selbstbezeichnung handele, müsse das „s“ in „schwarz“ großgeschrieben werden, so die Autoren.

Worte wie „farbig“ oder „dunkelhäutig“ gelten als diskriminierend aufgrund ihrer kolonialistischen Vergangenheit. Der Leitfaden geht dabei soweit, lieber vom „Fahren ohne gültigen Fahrschein” zu sprechen als von „schwarzfahren“ – ohne die Gründe hierfür näher zu erläutern.

Vor allem geht es um Gender-Themen

Viel Platz räumt die Broschüre für Themen rund um Sexualität und Geschlechteridentitäten ein. Erklärt werden Bezeichnungen wie Transgeschlechtlichkeit oder Intergeschlechtlichkeit. Ebenso wenig versäumt es der Leitfaden, sich Menschen mit Behinderung zu widmen. So bevorzugen die Autoren etwa die Formulierung „Mensch mit Lernschwierigkeiten“ gegenüber „geistiger Behinderung“.

Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).
Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne).

© Annette Riedl/dpa

Die Vorwürfe eines vermeintlich drohenden Sprachverbots weist der Senat von sich. „Selbstverständlich müssen Mitarbeitende nicht mit Sanktionen rechnen. Es geht darum, eine Sensibilität beim Thema Sprache zu schaffen“, sagt Michael Reis, Sprecher der Justizverwaltung, auf Nachfrage des Tagesspiegels. Der Leitfaden soll jetzt in der Verwaltung verbreitet und bekannt gemacht werden.

Die Verwaltung soll selbst vielfältiger werden

Erledigt hat sich das Thema Vielfalt damit nicht. Der Umgang mit Sprache ist Teil eines „Diversity-Programms“, dass der Senat entworfen hat. Ziel ist, die Vielfalt der deutschen Hauptstadt auch bald in den eigenen Reihen widerzuspiegeln. „Mit dem Diversity-Programm wurden 37 konkrete Maßnahmen beschlossen, die in den nächsten drei Jahren umgesetzt werden sollen“, erklärt Reis.

Denn der Senat muss sich für den demografischen Wandel wappnen. Mehr als ein Viertel der Landesbeschäftigten wird laut der Behörde bis 2024 aus dem Dienst scheiden. Deshalb soll der Landesdienst attraktiver für jüngere, stärker durchmischte Generationen gemacht werden. Ob das Kalkül aufgehen wird, bleibt abzuwarten.

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