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Die Berliner Spitzenkandidaten standen dem Tagesspiegel Rede und Antwort.

© Tsp

Diskussion zur Bundestagswahl: Politik, höchst persönlich

Die Kandidaten zeigten sich am Freitagabend auch von einer persönlichen Seite. Einig wurde man sich deshalb aber nicht.

Von
  • Ulrich Zawatka-Gerlach
  • Sabine Beikler

Fünf Kandidatinnen, ein Kandidat. Am Freitagabend hatte der Tagesspiegel jene Politiker zu Gast, die ihre Parteien in Berlin durch den Bundestagswahlkampf führen. Jetzt noch eine Woche lang: Monika Grütters (CDU), Eva Högl (SPD), Lisa Paus (Grüne), Petra Pau (Linke), Christoph Meyer (FDP) und Beatrix von Storch (AfD). Das sind die Spitzenkandidat(inn)en, die dem Chefredakteuer Stephan-Andreas Casdorff und dem Leitenden Redakteur Gerd Nowakowski Rede und Antwort standen. Etwa 150 Leser hörten interessiert zu.
Doch vor der Politik ging es erst einmal um Persönliches. Petra Pau zum Beispiel ist Protestantin, ihr Motto für eine lebenswerte Gesellschaft lautet „Einer trage des anderen Last“. Monika Grütters dagegen ist bekennende Katholikin, der Glaube gebe ihr „Halt und Orientierung“ In Berlin ist ihr nicht „vor Vielfalt bange, sondern eher vor der Einfalt mancher“.

Beatrix von Storch möchte die Kirchensteuer abschaffen, weil sie eine zu große Staatsnähe der Kirchen kritisiert. Eva Högl wiederum ist Protestantin, sieht sich als „transparente Politikerin mit Herz für Mitte. Ich bin permanent ansprechbar“.

Christoph Meyer war im Gegensatz zum FDP-Vorsitzenden Christian Lindner in der Schule nicht mit Aktenkoffer unterwegs. „Ich war mehr der Rucksackträger, hatte aber schon ein liberales Weltbild.“ Und Lisa Paus ist alleinerziehende Mutter eines achtjährigen Sohnes und fordert eine finanzielle Unterstützung für Kinder unabhängig vom Gehalt der Eltern.

Sicherheit in Berlin

In der Innen- und Flüchtlingspolitik wurden Unterschiede zwischen den Spitzenkandidaten sehr deutlich. AfD-Politikerin Von Storch ist der Meinung, dass Flüchtlinge, die einen befristeten Aufenthalt haben, zwar geschützt, aber nicht integriert werden müssen. Sie will eine harte Abschottungspolitik. „Wir müssen unsere Grenzen schließen, weil wir nicht alle aufnehmen können.“

FDP-Spitzenkandidat Meyer plädierte für ein Einwanderungsgesetz und temporären Schutz von Flüchtlingen, die allerdings hier die Sprache lernen, in Regelklassen gehen und arbeiten sollten. Einen von der AfD geforderten „Untersuchungsausschuss Merkel in der Flüchtlingspolitik“ forderte Meyer nicht, im Gegensatz zu FDP-Bundeschef Lindner.

Für Linkspolitikerin Petra Pau haben „Menschenrechte keine Obergrenzen“. Der Staat müsse sich auf seine Kernaufgabe innere Sicherheit konzentrieren.

Die CDU–Politikerin Monika Grütters will in einem Musterpolizeigesetz den Anspruch der Länder auf gleiche Sicherheitsstandards festschreiben. Die Bundespolizei soll mit 15 000 Beamten zusätzlich verstärkt werden. Bezogen auf Abschiebungen forderte Grütters einen „humanitären Ansatz im Umgang mit Menschen. Ich tue mich schwer mit Abschiebungen“. Im Gegensatz zu Parteifreunden ist Grütters für den Familiennachzug, der bis März 2018 ausgesetzt wurde, „Familie ist integrationsfördernd“.

Die SPD-Politikerin Eva Högl möchte keine Zentralisierung der Sicherheitsbehörden, die bei den Ländern „gut aufgehoben“ seien. Allerdings zeige der Fall Amri, dass sich die Behörden der Länder besser abstimmen und koordinieren müssten. In der Integrationspolitik lehnte Grünen-Politikerin Lisa Paus eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge als „irrige Idee“ ab. „Wir brauchen das nicht.“

Eine wachsende Stadt

In Berlin drängeln sich die Menschen, jedes Jahr kommen fast 50 000 Einwohner hinzu. So war es kein Wunder, dass Wohnungsnot und steigende Mieten ein zentrales Thema der Diskussion waren. Da standen drei gegen drei: Die Vertreter von CDU, FDP und AfD kritisierten vehement die Mietpreisbremse, die ihrer Einschätzung nach eher Schaden als Vorteile brachte. „Bei Wohnungsnot hilft doch nur: Bauen, bauen, bauen“, sagte Grütters. Auch in diesem Punkt war sie sich mit Meyer und von Storch einig. Die AfD-Politikerin forderte außerdem ein stärkere Förderung zur Bildung von Wohnungseigentum.

Dem widersprach die Linken-Spitzenkandidatin Pau heftig. Sie und ihre Grünen-Kollegin Paus sprachen sich stattdessen dafür aus, die Wohnungs-Gemeinnützigkeit wieder einzuführen. Und - "wir brauchen sozialen Wohnungsbau in Bundeshand“, forderte die SPD-Politikerin Högl. Mietenprobleme hätten aber nicht nur die sozial Schwachen. „Die Mittelschicht-Mieter sind ein großes Problem.“ Der FDP-Kandidat Meyer hatte auch noch eine Idee. In Berlin sollte höher gebaut werden, die Stadt habe ein großes „Verdichtungspotenzial“.

Volksentscheid Tegel

Und was wäre eine Diskussionsveranstaltung in Berlin, in der nicht der Volksentscheid zum Flughafen Tegel zur Sprache käme. Die Fronten waren selbstverständlich klar: Rot-Rot-Grün stand gegen Schwarz-Gelb-Blau. Die SPD-Frau Högl gab zu, dass diese Abstimmung auch eine politische Stimmung wiedergibt. „Jeder Volksentscheid richtet sich gegen die, die in der Verantwortung stehen.“

Für die CDU machte Spitzenkandidatin Grütters aber deutlich, dass nach einem erfolgreichen Votum „pro Tegel“ die Union nicht an der Seite der FDP stehen wird, sollten die Liberalen dann ein Volksbegehren zur Abwahl des Senats organisieren. „So etwas werden wir nicht mit anzetteln“, so Grütters.

Der Druck auf die Koalition werde auch so groß genug sein, um den Senat zu einer Änderung der Flugverkehrspolitik zu bewegen. Von Storch vertrat die These, dass der Großflughafen BER sowieso nie eröffnet würde – und deshalb der Flughafen Tegel nie schließen müsse. Petra Pau wiederum ist sicher, dass in ihrem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf die Mehrheit „sehr an der Schließung Tegels interessiert sind“. Das liegt an den Flugrouten.

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