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Mit Brunnen am Schlossplatz. Die Südseite des Humboldt Forums auf einer historischen Ansichtskarte.

© imago/Arkivi

Diskussion zum Humboldt Forum: Warum das Schloss mehr historische Elemente bekommen soll

Im Schloss-Umfeld bauen Planer das steinerne Berlin. Zum Verdruss der in der Urania streitenden Zivilgesellschaft. Sie fordert mehr Historisches.

Verheißungsvoll hatte die Vorsitzende des Vereins „Denk Mal!“, Elisabeth Ziemer, den Abend angekündigt: Eine Podiumsdiskussion mit Senatsbaudirektorin Regula Lüscher darüber, wie viel Historisches die „geplante Umfeldgestaltung“ des Humboldt Forums verträgt – oder ob vor den rekonstruierten Schlossfassaden nicht besser eine moderne städtische Raum- und Platzgestaltung den Vorzug bekommen sollte.

Das zieht: Der Saal in der Urania war am Mittwochabend prall gefüllt. Für die Gäste sollte es ein spannender Abend werden, obwohl krankheitsbedingt gleich beide Akteurinnen absagen mussten.

In die Bresche für Moderatorin Ziemer sprang der frühere Kulturstaatssekretär André Schmitz – und der SPD-Politiker outete sich bald als Freund der historischen Rekonstruktion. „Ich war in vielen Jury-Sitzungen, aber die von 2013 war die Schlimmste.“ Er habe das Gefühl gehabt, so Schmitz, dass die Pläne zur Gestaltung des Umfelds „die Rache derjenigen sind, die das Schloss nicht wollten“.

Und Schmitz legte sogar noch nach. Er fragte den Vertreter der Senatsbaudirektorin, Abteilungsleiter Manfred Kühne, ob es die „Rache der Alt-68er“ gewesen sei, dass Berlin 13 Millionen Euro abgelehnt habe. Das Geld habe der Bund angeboten, um die Umsetzung des Neptunbrunnens vom Rathausforum an seinen ursprünglichen Platz vor der Südfassade des Schlosses zu finanzieren. Kühne wiegelte ab, das Geld sei „nie verbindlich angeboten worden“. Aus dem Publikum gab es Zwischenrufe und Widerspruch dazu.

Das Auditorium war prominent besetzt. Publizistin Lea Rosh saß in der zweiten Reihe. Außerdem waren der frühere „Schlossbauherr“ und Chef des Humboldt Forums Manfred Rettig, der langjährige Senatsbaudirektor Hans Stimmann sowie der Spendensammler und Impulsgeber für das Schlossprojekt Wilhelm von Boddien gekommen.

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Und wenngleich weder der Altersdurchschnitt des Publikums noch der Verteiler des Vereins „Denk Mal“ auf eine repräsentative Berliner Mischung schließen lassen, überraschte trotzdem die Ablehnung der modernistischen Umfeldgestaltung sowie die Forderung nach der Rückkehr historischer Kunstwerke, wie eben des Brunnens vor die Südfassade sowie der Rossebändiger im Norden.

„Wir könnten auch ohne Wippe leben“

Nicht minder groß war die Empörung darüber, dass die historischen Mosaike im Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Denkmals ohne Not verdeckt werden. Das ist den Plänen fürs „Einheits- und Freiheitsdenkmal“ (vulgo: Wippe) geschuldet, das auf dem Sockel entstehen soll.

Die „Wippe“ ist bis heute umstritten. Unter Denkmal-Freunden ohnehin. Aber auch Johannes Wien, Vorstand des Humboldt Forums, ließ sich zur Aussage hinreißen: „Wir könnten auch ohne Wippe leben“. Er weiß aber auch, dass das Projekt wiederholt durch Mehrheiten im Bundestag bestätigt wurde und nicht abzuwenden ist.

Die viel kritisierte Ostfassade bei den Bauarbeiten im Januar 2017.
Die viel kritisierte Ostfassade bei den Bauarbeiten im Januar 2017.

© Kitty Kleist-Heinrich

Den schwersten Stand hatte Timo Herrmann. Der Chef von „bbz landschaftsarchitekten“ hatte den Wettbewerb für die Umfeldgestaltung gewonnen. In seinem präzisen Vortrag berief er sich auf die „Charta von Athen“. Demnach dürfe der Städtebau der Moderne „nicht Altes wiederherstellen, wohl aber dessen Bezüge“.

Kritik an Ostfassade des Schlosses

Ähnlich hatte das Senatsbaudirektorin Lüscher einmal im Tagesspiegel-Interview begründet und die schmucklose, ja brachiale Ostfassade des Schlosses aus Beton gerechtfertigt. Jede Zeit habe gleichsam ihre Baukunst – und aus dieser Sichtweise ist es unzulässig, Altes vollständig ohne sichtbare Brüche und Hinweise auf die zeitgenössische Wiederherstellung zu rekonstruieren.

Nur: Auf der Suche nach einem zeitgenössischen Ersatz für das Schloss waren mehrere Wettbewerbe ergebnislos abgebrochen worden. So gesehen, war der Wettbewerb für die Umfeldgestaltung von 2013 nicht konsequent – und wird vielleicht deshalb so stark attackiert: Warum begnügten sich die Gestalter nicht damit, vor der modernen Schlossfassade ihren zeitgenössischen Gestaltungswillen auszuleben? Auf den historischen Seiten hätten sie das historische Abbild ergänzen dürfen.

Immerhin hat sich Berlin so weit bewegt, die Voraussetzungen für die Rückkehr der beiden Großskulpturen zu schaffen. Also auf der Lustgartenseite die zwei Skulpturen der Rossebändiger sowie vor dem früheren Haupteingang im Süden den “Schlossbrunnen“. Die Fundamente sind gelegt.

Aber damit der eigentliche Umzug geschieht, müssten Zivilgesellschaft und Bund nicht nur den Senat nötigen, sondern auch den Landschaftsplaner. Herrmann sagte: „Eine Rückführung des Brunnens näher ans Portal ist mit uns nicht machbar.“ Wenn überhaupt, dann müsse der Brunnen an seinen ursprünglichen Platz. Dazu müssten aber „zentrale Anlagen“ für die Versorgung Berlins mit Fernwärme umgebaut die Straße verlegt werden. Der Streit wird wohl fortdauern.

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