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So wünscht es sich Signa. Der Immobilienzweig des Konzerns möchte den Karstadt-Neubau gemischt nutzen – auch für Büros, Wohnungen und Sport. Die Terrasse mit Bäumen soll als Rückzugsort dienen und Habitat für Insekten sein.

© Rendering: Signa/Chipperfield

Diskussion zu Neubauplänen am Hermannplatz: Karstadt-Investor Signa hält „Dresche“ aus

In einer Diskussionsrunde stellt sich der Signa-Chef der Kritik an den Neubauplänen. Müller verteidigt zudem die Absichtserklärung zwischen Investor und Senat.

Über die Zukunft des Karstadt-Standortes am Hermannplatz diskutierten am Mittwochabend Vertreter von Politik und Wirtschaft in einer Podiumsdiskussion – und der Deutschlandchef des Investors Signa, Timo Herzberg, stellte sich der Kritik an den Neubauplänen.

„Heute ist ein guter Tag!“, sagte Herzberg gleich zu Beginn der Veranstaltung, die im Restaurant im vierten Obergeschoss des Warenhauses stattfand. Der Grund für die Freude des Managers: Wenige Stunden zuvor hatte das Amtsgericht Essen die Insolvenzverfahren für den Warenhauskonzern und seine Tochterunternehmen Karstadt Sport, Karstadt Feinkost, Le Buffet und Dinea aufgehoben. Herzberg sagte am Abend, dass für alle verbleibenden Karstadt-Filialen bereits Mietverträge abgeschlossen seien. „Galeria Karstadt Kaufhof kann ab morgen schuldenfrei in die Zukunft blicken“.

Die Gläubiger hatten zuvor den von der Unternehmensführung ausgearbeiteten Insolvenzplänen zugestimmt und damit auf Forderungen in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro verzichtet.

Für Tausende Mitarbeiter bedeutet die Neuaufstellung allerdings den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Denn die Sanierungspläne sehen deutschlandweit die Schließung von mehr als 40 Warenhäusern vor. Das betrifft in Berlin auch Karstadt Sports am Bahnhof Zoo in Charlottenburg, außerdem die Galeria-Kaufhof-Filialen im Linden-Center in Hohenschönhausen und in den Gropius-Passagen in Neukölln.

Auch die Mitarbeitenden der Filiale am Hermannplatz würden um ihre Arbeitsplätze bangen, sagte Ulrich Wiegard, der Vorsitzende des Betriebsrats. „So ein Bau löst Ängste aus.“ Viele der größtenteils weiblichen Beschäftigten würden sich fragen: „Finden wir uns nachher in relevanter Größe in diesem Gebäude wieder?“

Müller: „Signa erpresst uns nicht“

Ülker Radziwill, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, forderte: „Der Konzern soll sich zu den Arbeitsplätzen bekennen.“ Signa stehe in der Verantwortung, „beim Umbau mit Bedacht vorzugehen.“

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In einer umstrittenen Absichtserklärung Anfang August hatte sich der Berliner Senat mit Galeria Karstadt Kaufhof und Signa ein Gesamtpaket auf ein gemeinsames „Gesamtpaket“ verständigt. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der eine Stunde verspätet eintraf, verteidigte den „Letter of Intent“ als notwendigen Schritt zur Rettung von Arbeitsplätzen. „Signa erpresst uns nicht“, sagte Müller. Der Investor schreibe der Politik auch keine Entscheidungen vor. Auf dem Landesparteitag der Linken im August war von einer „Erpressung“ Berlins durch die Kaufhaus-Betreiber die Rede gewesen.

„Die Angst geht um“

Doch auch Anwohner sehen die Neubaupläne am Hermannplatz kritisch. „Die Angst geht um“, sagte eine Frau aus der Nachbarschaft bei einer offenen Fragerunde. Im Kiez würden immer mehr Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen umgewandelt. Ihre Befürchtung sei, dass sich diese Situation durch den Kaufhausneubau noch verschärfen könnte: „Das Problem ist auch die Ausstrahlung, die so ein Gebäude hat.“

Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel und die Abgeordnete Ülker Radziwill (beide SPD).
Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel und die Abgeordnete Ülker Radziwill (beide SPD).

© Christoph M. Kluge

Man nehme diese Sorgen ernst, entgegnete Herzberg. Der Investor suche den Dialog mit skeptischen Anwohnern und dem Bezirk, das entspreche dem „Demokratieverständnis“ seines Unternehmens. „Ich bin aber überzeugt, dass ein überwiegender Teil der Berliner den Handlungsbedarf sieht.“ Das Kaufhaus sei in seiner jetzigen Form nun einmal nicht zukunftsfähig, ein Neubau unausweichlich. „Wir haben einen Vorschlag gemacht, dafür kriegt man Dresche“, sagte Herzberg. „Das halten wir auch aus.“

Die Kritik kam vor allem aus dem grün regierten Friedrichshain-Kreuzberg, zu dem das Grundstück gehört. Insbesondere Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte sich gegen das Projekt gestellt. Die Bezirksgrenze zu Neukölln verläuft allerdings genau am Hermannplatz.

Hikel: Neubau soll dazu beitragen, den Hermannplatz zum „Wohlfühlort“ zu machen

Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) betonte die Bedeutung für seinen Bezirk: „Der Hermannplatz ist ein Identifikationspunkt für viele Neuköllner.“ Zurzeit biete der Platz aber nur wenig Aufenthaltsqualität. Der Kaufhausneubau müsse dazu beitragen, den Platz zu einem „Wohlfühlort“ zu machen.

Wenn es nach Hikel geht, sollte der Platz in Zukunft zumindest auf einer der beiden langen Seiten nicht mehr von Fahrbahnen für Autos begrenzt werden. Ob die Fahrbahnen vor dem Kaufhaus oder die auf der gegenüberliegenden Seite weichen sollten, ließ er offen.

Die Verkehrswende sei auch für Karstadt ein wichtiges Thema, entgegnete Herzberg. Ein Drittel des Parkhauses sei zurzeit nicht ausgelastet. Dort könnten in Zukunft zum Beispiel Fahrradstellplätze eingerichtet werden. Auch für den Kiez werde der Neubau eine Bereicherung sein, versprach der Manager. Die Dachterrasse werde zudem öffentlich zugängliche Flächen bieten, eine Kita und soziale Einrichtungen wie Stadtteilinitiativen würden Räume finden. Diese „Mischung“ mache auch das Kaufhaus selbst attraktiver. Denn klar sei am Ende auch, dass sich das Ganze unter dem Strich rechnen müsse.

Moderatorin Nicola Böcke-Giannini (SPD), Timo Herzberg (Signa) und Betriebsratschef Ulrich Wiegard (l.-r).
Moderatorin Nicola Böcke-Giannini (SPD), Timo Herzberg (Signa) und Betriebsratschef Ulrich Wiegard (l.-r).

© Christoph M. Kluge

Hikel lobte die Bereitschaft des Investors, mit der Zivilgesellschaft in Dialog zu treten, um dann gleich hinzuzufügen, dass das eigentlich „selbstverständlich“ sei. Dass der Neubau architektonisch an die goldene Zeit der Warenhäuser zu Beginn des 20. Jahrhunderts anschließe, sei ein gutes Zeichen. Damals sei das Haus ein „Gebäude der Menschen“ gewesen, daher solle heute die Öffentlichkeit teilhaben. Die Integration eines sozialen Angebots würde einen „echten Mehrwert“ schaffen, argumentierte der Politiker.

Busch-Petersen: „Diese Stadt wird nicht ausverkauft“

Wichtig sei aber: „Das Beteiligungsverfahren muss von der Politik getragen werden“, betonte Hikel. Ein Seitenhieb in Richtung der Signa-Gruppe, die mit ihrer Kampagne „Nicht ohne euch!“ um die Anwohnerschaft wirbt. Kritiker wie die „Initiative Hermannplatz“ werfen dem Investor vor, auf diese Weise Verdrängung schönreden und Lobbyismus auf Kosten echter Initiativen betreiben zu wollen.

„Diese Stadt wird nicht ausverkauft“, betonte Nils Busch-Petersen, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg. Dass Mietpreise steigen, sei nicht allein die Verantwortung eines Kaufhauses, denn diese Entwicklung würde auch bei einem Einfrieren des jetzigen Zustands fortschreiten. Kritik sei aber sinnvoll, zumindest solange alle Parteien miteinander diskutierten und „nicht nur die Trillerpfeifen rausgeholt werden“.

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Auch wenn die Kritik am Bauprojekt bei der SPD-Veranstaltung, die auch im Livestream online übertragen wurde, insgesamt milde ausfiel, wirkte der Signa-Manager Timo Herzberg gegen Ende eher angespannt. Der Deutschlandchef, der gewissermaßen Gast im eigenen Haus war, hörte mit eingefrorenem Lächeln und vorgezogenen Schultern zu.

Zu seinem Glück zog Busch-Petersen die Aufmerksamkeit auf sich und erzählte zur Freude der Anwesenden, wie er einst mit seinem ersten Westgeld eine Geldbörse von Picard im Karstadt am Hermannplatz gekauft habe. „Die habe ich immer noch. Das ist Qualität!“

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