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Der Montag begann für die Nutzer des "Lernraum Berlin" mit Frust: Die Plattform funktionierte nicht (Symbolbild).

© Ulrich Perrey/dpa

Update Exklusiv

Digitale Schule beginnt – nicht: „Lernraum Berlin“ floppt zum Neustart – kommerzielle Lösung soll jetzt helfen

Weil die landeseigene digitale Lernplattform völlig überlastet ist, will die Bildungsverwaltung nun eine kommerzielle Lösung suchen. Das wäre eine Zäsur.

Schlimmer hätte es zum Ende der Ferien nicht kommen können: Berlins größte digitale Lernplattform war am Montag zu Unterrichtsbeginn nicht einsatzbereit, so dass rund 100.000 potenzielle Nutzerinnen und Nutzer nicht arbeiten konnten – und das, obwohl es in dieser Woche keinen Präsenzunterricht in den Schulen gibt.

Bereits wenige Minuten nach dem Start um sieben Uhr gab es beim Nachrichtendienst Twitter die ersten Hinweise, dass der „Lernraum Berlin“ nicht funktioniere. Aufschluss über die Gründe gab es zunächst nicht, sodass die Nutzer fassungslos und verärgert, mitunter auch verzweifelt vor ihren Geräten saßen: Es war innerhalb eines Monats der zweite Flop.

Wie berichtet war der Lernraum seit Sonntag 14 Uhr nicht erreichbar. Wegen „Wartungsarbeiten“, wie es hieß – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als viele Lehrer ihr Material einstellen wollten, weil am Montag um 8 Uhr für die Schüler mit dem offiziellen Ende der Weihnachtsferien das Homeschooling anfangen sollte.

An vollständigen Präsenzunterricht ist mindestens in den nächsten zwei Wochen nicht zu denken.

Ansage: „Server nicht erreichbar“

„Gar nichts läuft. Vom der Bereichsauswahl geht es auf die Anmeldemaske. Dann gibt es ein Redirect auf die Bereichsmaske zurück. Von dort wieder auf die Anmeldemaske. Irgendwann kommt dann eine 503: Server nicht erreichbar. Und bevor jemand fragt: Ja, die Anmeldedaten sind korrekt“, twitterte eine Mutter.

Ein anderer Vater berichtet, dass der Lernraum völlig überlastet sei und deshalb die Videokonferenz mit der Klasse seiner Tochter ausfalle. Schulaufgaben könnten ebenfalls nicht erledigt werden, weil sie in der Plattform hinterlegt seien.

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Nicht nur Landeselternsprecher Norman Heise bedauerte den Fehlstart, sondern auch die Opposition. Der CDU-Vorsitzende Kai Wegner kritisierte , „das technische Unvermögen des Senats“ stehe symptomatisch für die „verkorkste“ rot-rot-grüne Bildungspolitik.

„Digitalisierung – ein Fremdwort“

„Erst Serverprobleme, dann Wartungsarbeiten und nun auch noch Verzögerungen beim Anmelden: Das ist der ,Lernraum Berlin‘“, sagte der FDP-Abgeordnete Paul Fresdorf. Digitalisierung der Schulen bleibe „ein Fremdwort für den Berliner Senat“.

Schon zu Beginn des Lockdowns Mitte Dezember hatte es vergleichbare Probleme mit dem Lernraum gegeben.

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Offenbar führen die Probleme mit dem „Lernraum“ jetzt zu einer Kehrtwende: Nach Informationen des Tagesspiegels will Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) den Schulen die kostenlose Nutzung der kommerziellen Lernplattform „Itslearning“ ermöglichen. Dies bestätigte Sprecher Martin Klesmann auf Anfrage.

Das Angebot gehe „in Kürze an den Start“. Bisher müssen Schulen für die Nutzung von „Itslearning“ selbst zahlen, was vielen zu teuer ist. „Es ist geplant, den Schulen einen Wechsel zur ,Itslearning‘ zu ermöglichen“, sagte Klesmann.

Die Plattform bietet eine gewisse Zuverlässigkeit: „Sie ist mittlerweile in den Bundesländern Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Einsatz“, teilte ein Unternehmenssprecher mit. „Unsere aktiven Nutzerzahlen in Deutschland haben sich seit Beginn des Jahres verzehnfacht auf 500.000 aktive Nutzer pro Tag“, fügte er hinzu und kündigte an, dass sein Unternehmen künftig auch in Baden-Württemberg bis zu 1,6 Millionen Schüler und Lehrkräfte versorgen will.

Die Hinwendung zu „Itslearning“ – eine Zäsur

Dieser Schritt bedeutet eine starke Zäsur, denn bislang hatte die Bildungsverwaltung beim Distanzunterricht nur auf den „Lernraum“ gesetzt, der seit 2004 von Lehrkräften entwickelt worden wird. Allerdings ist kaum Geld in die Weiterentwicklung geflossen.

Das änderte sich nur unwesentlich, als im März der erste Lockdown den Präsenzunterricht zum Erliegen brachte: Anstatt den Sommer und Herbst für Investitionen in die Verbesserung des „Lernraums“ zu nutzen, habe die Bildungsverwaltung die Möglichkeit eines weiteren Lockdowns verdrängt, lautet die Einschätzung von Schulleitern.

Die Datenschützerin fand kein Gehör

Angesichts der immensen Aufgabe, den digitalen Austausch eines Drittels der Schülerschaft mit ihren Lehrkräften aufrechtzuerhalten, sei überhaupt nicht zu verstehen, warum der „Lernraum“ nicht besser ausgestattet worden sei. Zudem habe es Scheeres monatelang versäumt, die Forderungen der Landesdatenschützerin in Bezug auf den „Lernraum“ umzusetzen. Dadurch sei die Lernplattform unverschuldet in die Schlagzeilen geraten.

Trotzdem ging es beim „Lernraum“ kontinuierlich voran: Die Zahl der regelmäßigen Nutzer hatte sich im Zuge der Pandemie vervielfacht, immer mehr Funktionen waren hinzugekommen, sodass im Dezember von 108.000 Nutzern gesprochen wurde.

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Im Dezember fiel plötzlich die Entscheidung, zum Videokonferenz-Tool „Big blue button“ zu wechseln, das als datenschutzkonform gilt. Dass dies nicht früher von der Bildungsverwaltung veranlasst wurde, gilt in Fachkreisen ebenfalls als unverständlich.

Als Schlüsselproblem gilt, dass auch innerhalb der Verwaltung das Personal nicht ausreicht, um alle Aufgaben rund um die Digitalisierung der Schulen zu lösen: Die wenigen Fachleute müssen sich nicht nur um die Umsetzung des Digitalpakts kümmern, sondern auch um die Digitalisierung der Verwaltungsaufgaben und pädagogischer Anforderungen. Dies gebe die Ausstattung des zuständigen Referates nicht her.

Die Koalitionäre sind unzufrieden

In der Folge gibt es auch innerhalb der Koalition Streit darüber, wie die vielen Aufgaben der Digitalisierung priorisiert und finanziert werden sollen: Kaum eine Hauptausschusssitzung, in der die grüne Haushälterin Stefanie Remlinger nicht Verbesserungen beim Digitalisierungskonzept fordert.

Ziel müsse sein, „den Schulen einen geschützten, funktionierenden digitalen Rahmen zur Verfügung zu stellen, in dem sie frei und unbesorgt arbeiten können, weil keine Kapazitäts-, Sicherheits-, Mitbestimmungs- oder Datenschutzfragen mehr zu lösen sind.“

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Die Bildungspolitikerin der Linken-Fraktion, Regina Kittler, kritisierte, dass es an Personal fehle, um alle Aufgaben meistern zu können. „Ich habe kein Verständnis dafür, dass der ,Lernraum‘ wieder nicht funktionierte“, sagte sie auf Anfrage. Man brauche mehr Personal sowie Alternativen, wenn es zu Engpässen komme.

Die Bildungsverwaltung weist die Verantwortung für die „Lernraum“-Probleme von sich: „Wir hatten unsere Dienstleister beauftragt, die Rechenleistungen so hochzufahren, dass die steigenden Nutzerzahlen aufgefangen werden können. Ziel war es, eine sichere Lastenverteilung für bis zu 120.000 Nutzer des ,Lernraums‘ abzusichern“, teilte Klesmann mit. Diese Kapazitäten sollten „im Moment in ausreichender Form zur Verfügung gestellt werden“.

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