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Reinhold Habel sorgt sich um sein Geschäft.

© Robert Klages

Dieselfahrverbote in Berlin: "Ein Flugzeugverbot wäre uns hier lieber!"

In acht Straßen soll es bald Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geben. Doch wie sieht es dort aus? Und was sagen die Anwohner? Unser Autor hat sich mal umgehört.

Es sei ein guter Tag für saubere Luft, jubelte Jürgen Resch Anfang Oktober. Und Resch hatte auch allen Grund für gute Laune: Er ist Geschäftsführer der deutschen Umwelthilfe (DUH), die vor dem Berliner Verwaltungsgericht ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge eingeklagt und auch recht bekommen hatte.

Bis Ende Juni 2019 müssen auf besonders belasteten Straßen in Berlin nun Fahrverbote für Dieselfahrzeuge eingeführt werden. Resch fordert, dass der Senat die Verbote schnell umsetzt. Denn: Die Bürger bräuchten Planungssicherheit. Hört man sich unter den Anwohnern der betroffenen Straßen jedoch um, herrscht weitgehend Unverständnis über das geplante Verbot. Es sind elf Abschnitte auf acht Straßen, jeweils kaum länger als 100 bis 200 Meter, auf denen künftig keine Dieselwagen mehr fahren sollen (siehe Karte).

„Auf diesem kurzen Stück ist es einfach Schwachsinn“

Ortsbesuch in Lankwitz, hier könnte es den Abschnitt zwischen Kaiser-Wilhelm-Straße und Saarburger Straße treffen. „Auf diesem kurzen Stück ist es einfach Schwachsinn“, meint Reinhold Habel, Inhaber eines Einzelhandelgeschäfts. Seit 1925 bekommt der Laden seine Waren angeliefert.

Nun macht sich Habel Sorgen, dass er diese mit einer Schubkarre von der Straßenkreuzung abholen muss, weil der Diesel-Transporter nicht mehr in die Straße fahren darf. Zudem hat er eine Paketstation von Hermes im Laden.

„Ich hoffe, dass Hermes eine Diesel-Ausnahmegenehmigung bekommt“, sagt Habel. „Sollte das nicht der Fall sein, entsteht hier ein kleines Chaos.“ Aber er hat noch Glück: sein Geschäft liegt direkt an einer Kreuzung, an der das Dieselfahrverbot aufhören würde. Ein Fahrradkurier von „Pin Mail“, der gerade in den Einzelhandel kommt, hat hingegen kein Problem mit dem Verbot.

„Mein Treibstoff heißt Kaffee“, sagt er. Und der sei bislang noch nicht verboten worden. Habel lacht. Und er fragt sich, wie das Fahrverbot überhaupt kontrolliert werden soll. Die größten Schadstoffverursacher in der Straße seien ohnehin die BVG-Busse. Diese halten am anderen Ende der Straße, direkt neben einer Bäckerei – „und die bekommen bestimmt eine Ausnahmegenehmigung, genau wie die Taxen.“

Auch auf der Brückenstraße in Mitte staut es sich oft.
Auch auf der Brückenstraße in Mitte staut es sich oft.

© Robert Klages

Auch Brückenstraße in Mitte wäre betroffen

Auch die Brückenstraße in Mitte wäre von dem Verbot betroffen. Ebenfalls nur ein kurzes Stück, vom Sage-Club an der Köpenicker Straße, vorbei an der chinesischen Botschaft bis hin zum S-Bahnhof Jannowitzbrücke. Auf der einen Seite das Büro- und Geschäftshaus Jannowitzcenter.

Auf der anderen Seite ist mehr los: Spätkauf-Geschäfte, Restaurants und Bäckereien, viele Fußgänger. Die Bedienung eines Traditionslokals weiß noch nichts von dem Fahrverbot. Und scheint sich auch nicht weiter drum zu kümmern: „Eigentlich ist mir ditt och egal. Die Kunden finden bestimmt trotzdem her“, hofft sie.

Die Brückenstraße, ebenso die anderen Straßenabschnitte, sind geprägt durch Bushaltestellen und Ampelstau – häufig sind es Tempo-30-Zonen. Der Straßenabschnitt Alt-Moabit zwischen Gotzkowskystraße und Beusselstraße besteht zu Hochzeiten quasi nur aus vor einer roten Ampel wartenden Fahrzeugen. „Ja, gute Luft wäre hier schon schön“, ruft ein Mann auf Nachfrage von seinem Balkon. Dann drückt er seine Zigarette aus und verschwindet in seiner Wohnung.

Der betroffene Abschnitt auf der Reinhardstraße ist nur 20 Meter lang.
Der betroffene Abschnitt auf der Reinhardstraße ist nur 20 Meter lang.

© Robert Klages

Unweit davon und ebenfalls betroffen: die Stromstraße von der Budenhagenstraße bis kurz vor die Turmstraße. Eine Straßenseite wird vollständig ausgefüllt durch das Schultheiß-Quartier, ein Einkaufszentrum. Die Warenanlieferung erfolgt jedoch über die Perleberger Straße und die Zufahrt zum Parkhaus ist in der Turmstraße. „Wir sind also nicht betroffen“, freut man sich beim Center-Management. Auf der anderen Straßenseite: Casinos, Sportwettengeschäfte, Spätkauf, ein Blumenhandel. Ein Anwohner sagt, ihm sei das alles egal, er habe kein Auto.

Auf elf Abschnitten in acht Straßen könnte es bald Fahrverbote geben.
Auf elf Abschnitten in acht Straßen könnte es bald Fahrverbote geben.

© Tagesspiegel

Leipziger Straße gleich dreimal betroffen

Die Leipziger Straße im Stadtzentrum ist gleich dreimal betroffen. Jeweils auf kurzen Abschnitten: von Wilhelmstraße bis Bundesrat, von Charlottenstraße bis Friedrichstraße und von Friedrichstraße bis Leipziger Straße. Hier ist der Fußweg quasi in das Einkaufszentrum „LP12 Mall of Berlin“ integriert – der Abgasqualm staut sich unter der Decke, verursacht durch lange Ampelphasen und Busse.

Die Tempo-30-Zone zwischen Charlotten- und Friedrichstraße ist nahezu unnötig, hier kann kaum schneller gefahren werden. Der 100 Meter lange Abschnitt besteht eigentlich nur aus wartenden Fahrzeugen. Auf der einen Seite Wohnungen, auf der anderen Restaurants und Discounter. „Ja, es ist schon laut hier und ungemütlich“, sagt eine Anwohnerin mit Kinderwagen. Sie gehe nie länger als notwendig auf die Straße.

Der wohl kürzeste Abschnitt befindet sich in der Reinhardstraße – und ist keine 20 Meter lang. Auf beiden Seiten: Bürogebäude. Der vordere Abschnitt einer Ampel, eine wichtige Verbindung zum Hauptbahnhof, permanenter Verkehr. „Wie soll denn hier kontrolliert werden, ob ein Diesel-Auto durchfährt“, meint eine Fußgängerin. „Und sollen die dann außenrum fahren? Ich sehe da keinen Sinn.“

„Ein Flugzeugflugverbot wäre uns hier lieber“

Etwas länger ist der Kapweg. Einen Baumarkt sieht man hier auf der einen – und das Einkaufszentrum „Clou“ auf der anderen Seite – jeweils mit großen Parkplätzen. Stetiger Verkehr auf der Straße und Flugzeuge im Zehnminutentakt über den Köpfen. „Ein Flugzeugflugverbot wäre uns hier lieber“, sagt eine junge Frau, die im Kapweg arbeitet.

Nebenan ist auch die Autowaschanlage „Car Royal“. Murat saugt hier gerade sein Auto. „Zum Glück kein Diesel“, sagt er. Aber Freunde von ihm, mit Diesel-Fahrzeug, würden hier auch ihre Autos waschen. „Und ich glaube nicht, dass die jetzt extra zum Autopolieren in die Innenstadt fahren.“ Wer soll das denn kontrollieren?, fragt er sich. „Aber wenn die das machen würden, wäre es schon doof für die Diesel-Fahrer“, sagt er – und lacht.

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