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„Refuse, reduce, reuse“ – das ist das Motto von Vereinsgründerin Corinna Vosse. 

© Gerd Nowakowski

Diese Initiativen machen Berlin schöner: „Was wir haben, fliegt normalerweise in den Müll“

In der Ruine des „Haus der Statistik“ am Alex widmet sich die Initiative „Kunst-Stoffe“ der Wiederverwertung aller Baumaterialien.

„Uns eint der Wunsch, etwas gegen Verschwendung zu tun“, sagt Corinna Vosse und ihr Arm weist auf die vielen Regale in der riesigen Halle. Holzplatten, Metallprofile, Plexiglasscheiben oder große Rollen mit aufgewickelten Kunststofffolien sind zu sehen. Man könnte meinen, man sei in einem Baumarkt – wenn die hier gestapelten Materialien nicht alle schon eine Nutzungsgeschichte hinter sich hätten. 

„Was wir haben, fliegt normalerweise in den Müll“, sagt Corinna Vosse. „Kunst-Stoffe – Zentralstelle für wiederverwertbare Materialien“ nennt sich der Verein, den Vosse 2006 gegründet hat. Die Idee stammt aus New York, wo die Sozialwissenschaftlerin jahrelang lebte. 

Bei der Gründung vor 14 Jahren ging es vor allem um Müllvermeidung und Nachhaltigkeit im Umgang mit den Werkstoffen. Über die Jahre aber wurde auch der Klimaschutz immer zentraler. Die Vision ist, ressourcenneutral und dadurch ökologisch zu leben und zu arbeiten – durch bewusste Zweitnutzung.

Auch der Ort, an dem Kunst-Stoffe seit Kurzem residiert, hat eine andere Nutzung hinter sich. Der einstöckige Bau gehört zu dem fast surreal anmutenden Gelände des früheren DDR-Hauses der Statistik. Zwölf Stockwerke hoch ragt die Ruine ohne Fensterscheiben direkt am Alexanderplatz in den Himmel.

Hinter dem Betonriegel, abgeschirmt vom Straßenlärm, sind die „Kunst-Stoffe“ sogenannte „Pioniernutzer“. Nach der Sanierung sollen sich in dem Gebäude sowohl Abteilungen des Rathauses Mitte und der Senatsfinanzverwaltung als auch bürgerschaftliche Initiativen den Platz teilen. 

Das Motto: „Refuse, reduce, reuse“

Noch aber finden sich hinter der Ruine große Schuttberge und ein abgewrackter Autoscooter-Pavillon – und daneben das „Haus der Materialisation“, wie die Engagierten ihr neues Domizil getauft haben.

„Refuse, reduce, reuse“ ist das griffige Motto, das die rund 15 Engagierten des Vereins bewegt. Sie sortieren, beraten, verkaufen zu geringen Preisen, halten Kontakt mit Firmen, und pflegen das Sortiment.

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Auch Bildungsarbeit wird hier betrieben. Dann geht es um nachhaltige Kreislaufwirtschaft, Ressourcennutzung, aber auch Aufklärung über die Materialien – ob etwa Holzfaserplatten gesundheitsschädlich sein können. Oder auch die simple Frage, was alles passiert mit dem Holz, bis aus dem Rohstoff eine Latte geworden ist. 

In dem Flachbau gibt es auch ein Repair-Café, wo geschraubt und gebastelt werden kann. Seit der Gründung 2006 gibt es einen „Zero-Waste-Materialmarkt“ in der Berliner Straße in Pankow und in Treptow kann man Lastenräder selbst bauen.

Menschen anregen, kreativ mit dem zu arbeiten, was schon vorhanden ist

Viele Menschen schmeißen funktionierende Sachen einfach weg, sagt Corinna Vosse mit hörbarem Unverständnis. Sie möchte dagegen Menschen anregen, kreativ mit dem zu arbeiten, was schon vorhanden ist – und nicht immer nur auf Neues setzen. Mit untergekommen in der Lagerhalle ist deswegen der Gebrauchtwarenverkauf der Stadtmission mit Hausrat vom Kleiderschrank bis zum Radio.

In den hohen Regalen in der Halle ist fast alles zu finden. Einiges sieht fast unbenutzt und wie neu aus, anderen Dingen sieht man ihre Geschichte durchaus an. Trotzdem kann man damit gut bauen oder basteln.

[Mehr Infos: kunst-stoffe-berlin.de]

Anfänglich kauften viele Kunstschaffende und Bildungseinrichtungen, heute kämen zunehmend die ganz normalen Menschen, erzählt Corinna Vosse. Sehr viele Materialien erhält die Gruppe von Messebaufirmen oder Theaterwerkstätten, die kurzlebige Bühnenbilder oder Messestände gestalten und dann weitergeben.

Es dauerte, bis die amtliche Betriebserlaubnis vorlag

Auch das „Haus der Materialisierung“ sah übel aus, als die Ehrenamtlichen vor zwei Monaten anfingen. Fenster wurden eingesetzt, aber man sieht, dass hier lange nichts passiert ist. Es dauerte, bis die amtliche Betriebserlaubnis vorlag, weil die Halbruine erst gesichert und ein Fluchtwegekonzept erstellt werden musste. 

Am 16. September wird von 16 bis 20 Uhr offiziell Eröffnung gefeiert – und im Rahmen der „Gemeinsamen Sache“ sind alle herzlich eingeladen, die „Kunst-Stoffe“ unterstützen möchten. Die Ärmel aufkrempeln und anpacken können Freiwillige zudem am 15. September von 15 bis 18 Uhr, um die Lagerhalle herzurichten. 

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