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In Berlin steige seit Jahren die Mieten.

© Getty Images/EyeEm

"Diese eG" will Anleihe ausgeben: Genossenschaft braucht 20 Millionen Euro

Die „Diese eG“ hat sieben Häuser erworben - Finanzierungszusagen aber fehlen. Eine Anleihe könnte die Kapitallücke schließen. Doch es gibt Risiken.

Um eine millionenschwere Finanzierungslücke zu schließen, prüft die „Diese eG“ derzeit die Ausgabe einer Anleihe. Das erklärte der Berliner Senat in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Die "Diese eG" erklärte dazu auf Tagesspiegel-Anfrage, Details, etwa über die Verzinsung der Schuldverschreibung, stünden noch nicht fest. In der Antwort auf die FDP-Anfrage hatte Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) zuvor allerdings mitgeteilt, dass mit der Anleihe eine Summe von „mindestens 20 Millionen Euro“ finanziert werden soll.

Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte in den vergangenen Monaten insgesamt sechs Mal* das bezirkliche Vorkaufsrecht zu Gunsten der Genossenschaft ausgeübt. Auf der „Diese eG“ lasten deshalb mittlerweile Zahlungsverpflichtungen in Höhe von rund 50 Millionen Euro. Ein langfristiges Finanzierungsmodell haben die Genossen bislang aber noch nicht gefunden.

Zwar hat die Genossenschaft – wie berichtet - für drei der sieben Häuser Finanzierungszusagen von der GLS Bank bekommen. Zusagen für Darlehen von der Berliner Förderbank IBB oder anderen Kreditinstituten gibt es hingegen nicht. Auch Landeszuschüsse wurden der „Diese eG“ bislang nicht gewährt, heißt es in der Antwort.

Kritik von der Opposition

„Dass die Genossenschaft nun versucht, mit einer Anleihe die Hälfte ihres Kapitalbedarfs zu decken, lässt erahnen, wie verzweifelt die Lage sein muss“, sagt Sibylle Meister, haushaltspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Eine Schuldverschreibung ist ein riskantes Finanzprodukt und es stellt sich die Frage, wie es um die Zahlungsfähigkeit der ‚Diese eG‘ bestellt ist, wenn mittlerweile derartige Geschütze aufgefahren werden.“

Die FDP-Politikerin sieht vor allem Baustadtrat Schmidt in der Pflicht, jetzt Transparenz sicherzustellen. „Schmidt muss darlegen, inwiefern er die Wirtschaftlichkeit der Hauskäufe vorab geprüft hat, um den Landeshaushalt vor Schaden zu bewahren.“ Denn letztendlich müsse bei einer Insolvenz der Genossenschaft der Bezirk – und damit auch das Land – als Haftender einspringen: „Die ‚Diese eG‘ wird damit zum Millionenrisiko für Berlin.“

Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass der Grünen-Politiker den Ankauf von Häusern durch die Genossenschaft in aller Eile forciert hat. Damit habe er auch finanzielle Risiken für den eigenen Bezirk in Kauf genommen, sagen Kritiker.

So bemühte sich sein Bezirksamt im Juni darum, ein Haus in der Rigaer Straße per Vorkaufsrecht zu erwerben und an die landeseigene Wohnungsgesellschaft WBM weiterzureichen. Die aber lehnte den Erwerb ab, weil sie einen zu hohen Sanierungsbedarf für die Immobilie sah.

Das geht aus den Akten des Bezirksamtes hervor, deren Wortlaut dem Tagesspiegel in Auszügen bekannt sind. Um die Wirtschaftlichkeit des Hauskaufs sicherzustellen, sei ein Zuschuss von mindestens 24 Prozent zum Kaufpreis notwendig, befand die WBM – was deutlich über den Landeszuschüssen liegt, die auf zehn Prozent begrenzt sind.

WBM lehnte Mieterhöhungen ab

Baustadtrat Schmidt fragte deshalb bei der WBM nach, ob die Differenz nicht durch Mieterhöhungen gedeckt werden könnte. Ein Vorschlag, den die WBM ablehnte: Freiwillige Mieterhöhungen hätten nur einen geringfügigen Einfluss, „außerdem sehen wir diese vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um den Mietendeckel kritisch“, schrieb das Unternehmen.

Nach der Absage der WBM fragte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am 17. Juni bei der „Diese eG“ nach, ob die Genossenschaft nicht einen Hauskauf prüfen wolle. In einer mit der Betreffzeile „EILT“ verschickten Mail des Bezirksamtes wurde dafür plädiert, kurzfristig eine Mieterversammlung in dem Haus einzuberufen.

Doch Genossenschafts-Chef Werner Landwehr schien nicht überzeugt: „Lieber Florian, wir unternehmen hier nichts, wenn von dir kein Signal kommt, dass die Leute im Haus wollen, dass wir kaufen“, schrieb er in einer Mail an Baustadtrat Florian Schmidt am 19. Juni.

Auch der Grünen-Politiker schien mittlerweile desillusioniert: „Leider hat bei der Rigaer 101 unser System der Zusammenarbeit von BA, Asum, AKS nicht recht funktioniert“, schrieb er einen Tag später mit Verweis auf die bezirklichen Beratungsstellen, die kaufinteressierte Mieter in Kreuzberg im Auftrag des Bezirksamtes betreuen.

Kauffreudig. Baustadtrat Florian Schmidt.
Kauffreudig. Baustadtrat Florian Schmidt.

© imago images / Christian Ditsch

Zu einem Kauf kam es dann aber dennoch: Für den 24. Juni wurde eine Mieterversammlung einberufen, an der auch Florian Schmidt persönlich teilnahm. Einen Tag später dann, am 25. Juni, schrieb Landwehr an den Bezirk: „Ergebnis ist, dass wir (Anmerkung der Redaktion: Die „Diese eG“) und wesentliche Teile der Menschen aus der Rigaer Str. 101 es miteinander versuchen wollen. Wir wären deshalb dem Bezirk dankbar, wenn er von seinem Vorkaufsrecht mit der Diese usw. wie Verpflichtungserklärung schnell Gebrauch machen würde.“

Schmidt hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Vorkaufsrecht zu Gunsten der „Diese eG“ ausgeübt.

Anwalt warnt vor Risiko für Bezirk

Seinen plötzlichen Meinungsumschwung rechtfertigt der Baustadtrat mit den Rückmeldungen, die er bei der Mieterversammlung erhalten habe. „Als ich die Veranstaltung vorzeitig verlassen habe, stand das mündliche Zwischenergebnis, dass die anwesenden Mieter*innen sowie die durch sie vertretenen Mieter*innen den Vorkauf durch die ‚Diese eG‘ wünschen und sich dazu bereiterklären, für mindestens 70 Prozent der Wohnfläche die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen in Höhe von 500 Euro/m² zu stemmen“, teilte er dem Tagesspiegel schriftlich mit.

Inwiefern es sich bei den Wortmeldungen der Mieter allerdings um verbindliche Zahlungszusagen handelt, ist unklar. Bis heute ist es der Genossenschaft nicht gelungen, einen nennenswerten Betrag an Eigenkapital bei ihren Mitgliedern einzuwerben, wie aus der Antwort von Bausenatorin Katrin Lompscher an die FDP-Fraktion hervorgeht.

Das wiederum könnte mittelfristig zum Problem für Baustadtrat Schmidt werden: „Für den Bezirk besteht das Risiko, am Ende den Kaufpreis zahlen zu müssen“, erklärt Uwe Bottermann, ein auf Immobilienrecht spezialisierter Anwalt. „Denn wenn sich herausstellen sollte, dass die Genossenschaft nicht zahlungsfähig ist, steht das Bezirksamt als Gesamtschuldner in der Haftung.“

- Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels stand, Baustadtrat Florian Schmidt habe sieben Mal zu Gunsten der "Diese eG" das Vorkaufsrecht ausgeübt. Tatsächlich waren es bislang nur sechs Mal - der siebte Vorkauf zu Gunsten der "Diese eG" wurde vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg ausgeübt. Wir bitten, diesen Irrtum zu entschuldigen. Daneben haben wir die Passage zu den Finanzierungszusagen und Darlehen präzisiert, ebenso dazu, dass der Senat Auskunft über die Anleihe gegeben hat und die "Diese eG" hierzu noch keine Details nennt.

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