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"Überall leuchtete was." Der S- und U-Bahnhof Schönhauser Allee bei Regenwetter.

© Lars von Törne

Die Station meines Lebens in Berlin: Im richtigen Film – an der Schönhauser Allee

In der Kolumne „Die Station meines Lebens“ erzählt unsere Autorin, wie sie vor zehn Jahren an der Schönhauser Allee ankam - und warum es im Kiez nicht langweilig wird.

Auf der Treppe zum S-Bahnsteig fand ich vor Jahren mal einen weggeworfenen Schwangerschaftstest. Damals lachte ich über das Klischee: Im Mami-Kiez Prenzlauer Berg müssen die Frauen nun offenbar schon am Bahnhof ihren hCG-Wert checken. Mittlerweile bin ich selber eine von den ansässigen Müttern.

Als ich 2009 als frischgebackene Medienwissenschaftlerin mit dem Auto über die A24 nach Berlin kam, endete die Fahrt in der Schönhauser Allee, nahe der U- und S-Bahn-Station. Ich war vorher schon in Berlin gewesen, hatte Ausstellungen besucht, war durch die Clubs gestromert und hatte an den seltsamsten Orten die interessantesten Menschen getroffen. Jetzt wollte ich bleiben. Es war bereits dunkel und spätwinterlich nasskalt. Oben fuhr die U-Bahn, unten die S-Bahn und auf der Straße und dem Gehweg wuselte das Leben. Überall leuchtete was.

Ich stand vor dem Colosseum-Kino mit seinem geschwungenen grünen Schriftzug und träumte vom kulturellen Überfluss der Großstadt. Gegenüber entdeckte ich eine Videothek, die ihre Filme nach Regisseuren sortierte. Ich ging zwischen den Regalen durch und war überzeugt, im Paradies gelandet zu sein.

Während sich Berlin, die Stadt im Dauerwandel, in den folgenden Jahren pausenlos veränderte und mein Berufsleben seine geisteswissenschaftlich bedingten Umwege einschlug, blieb die Schönhauser Allee als meine Hausstation konstant.

Wenn die Durchsage in der Bahn ihren Namen schepperte, beschlich mich bald ein leises Heimatgefühl. Egal wie müde ich war, den Ausstieg an meiner Haltestelle verpasste ich nie. Ab und zu schlurfte ich in Jogginghose rüber ins Colosseum und gönnte mir, tief in den Sitz gefläzt, Filme auf der großen Leinwand wie in einem zweiten Wohnzimmer.

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Mittlerweile ist das Kino geschlossen und die Videothek gab es bald nach meinem Umzug nicht mehr. Aber ich mochte immer das Randstädtische an dieser Hauptverkehrsstraße, wo sich durch die in alle Richtungen fahrenden Bahnen so viele Wege öffnen. In ein paar Minuten ist man raus aus Berlin – oder mittendrin. Gleichzeitig wirkt die Gegend stets ein wenig verlangsamt. Hier wird in erster Linie gewohnt und nicht getanzt, für Touristen gibt es kaum was zu sehen.

Stattdessen kann man sich, mitten im ehemals kinderreichsten Stadtteil Berlins, an einer Vielzahl von Spielplätzen erfreuen. Langweilig ist es trotzdem nicht. Man begegnet – typisch Berlin – genügend eigenwilligen oder schrulligen Charakteren, wie dem Pöbler von der Ecke oder dem älteren Herrn, der meist eilig auf dem Gehweg wandelt, freundlich grüßt und sagt: ‚Schön, schön!"

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