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Noch sind die Bäume am Fraenkelufer in Kreuzberg kahl. Angesichts des Klimas wird es für sie schwer, gesund und grün zu bleiben.

© imago images/Stefan Zeitz

„Die Stadt heizt sich immer mehr auf“: Berlins Baumbestand laut BUND um 30 Prozent geschrumpft

Zu trocken, zu viel Salz, zu wenig Schutz: Laut dem Baumreport des BUND steht es zunehmend schlecht ums Berliner Stadtgrün. Besonders die Straßenbäume leiden.

Von Louise Otterbein

Einen Vorgeschmack auf den Frühling gab es schon, nun warten viele darauf, dass die Knospen aufspringen und Berlin wieder etwas grüner wird. Wie grün – das hängt nicht zuletzt von den Stadtbäumen ab. Deren Zustand hat sich der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) angeschaut und am Dienstag den Berliner Baumreport veröffentlicht.

Er umfasst die Entwicklung des Bestands in den Jahren 2012 bis 2019 und die Bilanz ist erschreckend: Berlin verliert stetig Straßenbäume – zuletzt durchschnittlich 1100 pro Jahr. Zwar würden jährlich viele neue Bäume gesetzt, doch kommen die Neupflanzungen nicht an die Zahl der gefällten Bäume heran. Denn ein neu gepflanzter Baum kommt in Berlin auf 2,4 gefällte Exemplare. Der Gesamtbestand schrumpfte im Untersuchungszeitraum um rund 9000 auf 431.101 Bäume.

„Wir haben keine Zeit. Die Stadt heizt sich immer mehr auf und die Klimakrise kommt in großen Schritten auf uns zu“, sagt Christian Hönig, Baumschutz-Fachreferent beim BUND. Er warnte vor dem weiteren Rückgang des Bestandes und wünschte sich besonderen Schutz der alten Bäume. Denn bis die jungen Pflanzen ihre Funktion erfüllen und das Stadtklima verbessern können, bräuchte es mehrere Jahrzehnte.

Gerade in Hinblick auf die heißen Sommer in den vergangenen Jahren betonte er, dass der Schatten eines Baumes die Häuser und Straßen um mehrere Grad herunter kühlen könne – im direkten Schatten unter dem Baum um bis zu zehn Grad.

„Den Bäumen geht es schlecht“, sagt Christian Hönig. „Das kann man vielerorts in den Bäumen sehen, auch als Laie.“ In den vergangenen Jahren hätte sich zwar schon einiges gebessert, doch läge immer noch eine große Aufgabe vor Berlin, wenn es um die Bäume geht.

Bezirke pflanzen zu wenig neue Bäume

Das Verhältnis von gefällten und neu gepflanzten Bäumen in den Bezirken zeige laut BUND, dass kein Stadtteil die Baumpflege und -pflanzung ausreichend verfolgt. Besonders Steglitz-Zehlendorf hat eine negative Bilanz, dort muss ein neugepflanzter Baum drei gefällte ersetzen. Besser sieht es in Mitte und Tempelhof-Schöneberg aus – dort kommt ein neu gepflanzter Baum auf knapp 1,5 verlorene.

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Doch wieso nimmt der Berliner Baumbestand so stark ab? Von 2012 bis 2016 wurden in Berlin durchschnittlich 4.700 Bäume pro Jahr gefällt. Aus der Statistik sticht ein Zeitraum besonders heraus: 2017 hat sich die Zahl der gefällten Bäumen um 60 Prozent erhöht. Grund dafür war das Sturmtief Xavier, dass im Oktober 2017 über Berlin hinwegfegte und großen Schaden anrichtete. Insgesamt wurden in dem Jahr fast 8000 Bäume gefällt.

In den Jahren darauf folgte extreme Trockenheit, die sich stark auf den Berliner Baumbestand ausgewirkt hat und ihn jeweils um knapp 30 Prozent schrumpfen ließ. „Die konkreten Gründe für die Fällungen sind allerdings nicht erfasst und auch sehr schwer zu bestimmen“, erklärte Hönig. „Die Bäume erliegen komplexen Schäden.“

Es braucht mehr Geld und mehr Personal

Was muss also getan werden? Hönig fordert vom Land Berlin, mehr Geld in die Baumpflege zu investieren. Gerade im Frühjahr sei es wichtig die Bäume stark zu wässern und zu düngen, um Schäden durch Streusalz zu verhindern. Dazu fehle momentan jedoch sowohl Personal als auch Geld. Die Umweltverwaltung habe den Bezirken in diesem Jahr zwar mehr Geld zur Verfügung gestellt, doch dass das reicht, bezweifelt Hönig.

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Gerade die Straße sei ein schwieriger Standort für Bäume, nicht nur wegen des Platzmangels – da sei besondere Pflege dringend notwendig. Auch eine Änderung des Baumschutzgesetzes forderte Hönig, so würden Bäume auf Baustellen als Störung angesehen und könnten oft recht einfach gefällt werden – hier müsse sich die Rechtsgrundlage ändern.

Berlinerinnen und Berlinern, die mithelfen wollen, ihre Kieze grün zu halten und den Baumbestand zu schützen, rät der Experte etwa Baumpatenschaften zu übernehmen, sich in Naturschutzgruppen zu engagieren, diesen Geld zu spenden oder einfach mal selbst zur Gießkanne zu greifen und die Bäume vor der eigenen Haustür zu wässern.

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