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Um vor der Kamera Küsse zeigen zu können, waren die Darsteller Ulrike Frank und Jan Kittmann in Teilquarantäne.

© TVNOW/dpa

Die Show muss weitergehen: So entstehen TV-Soaps wie „GZSZ“ in Coronazeiten

Die Ufa dreht in Babelsberg trotz der Pandemie ihre Daily Soaps. Das funktioniert nur mit einem präzisem Regelwerk.

Das Timing war eher ungünstig. Mitte Dezember strahlte RTL eine Folge der Vorabend-Soap „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ (GZSZ) aus, in der sich zwei Figuren um einen Weihnachtsbaum balgten. Eine harmlose, humorvoll gemeinte Szene. Doch Joachim Kosack konnte nicht wirklich darüber lachen, denn er ist von Beruf für Illusion zuständig.

Kosack ist Geschäftsführer sowohl der Ufa als auch von deren Tochtergesellschaft Ufa Serial Drama GmbH, dem nach eigener Auskunft deutschen Marktführer im Bereich lang laufender Unterhaltungsserien, beide mit Sitz in Potsdam-Babelsberg. Das Problem: Wenige Stunden vor der Ausstrahlung der fröhlichen Weihnachtsszene hatte die Bundesregierung den harten Lockdown verkündet. Die Nachrichten der Realität kollidierten auf unangenehme Weise mit der heilen Serienwelt – denn dort gibt es gar keine Pandemie.

GZSZ war die erste tägliche Seifenoper im deutschen Fernsehen. Seit 1992 läuft sie ununterbrochen montags bis freitags im Vorabendprogramm des Privatsenders RTL. Am Donnerstagabend ist dort Folge 7179 zu sehen. Auf der RTL-eigenen On-Demand-Plattform TV Now sind die Episoden zudem online verfügbar. Die Handlung spielt in einem fiktiven Kiez in Berlin.

In den ersten Jahren wurde noch in den Studios in Tempelhof gedreht, seit 1995 nun im traditionsreichen Potsdamer Studio Babelsberg. In der Medienstadt hat die Produktion ein eigenes Außenset, das 15 Häuser und mehrere Straßenzüge umfasst. Die Gestaltung soll an typische Ecken in Berlin-Mitte oder Prenzlauer Berg erinnern.

Ende 2020 wurden die Kulissen abgerissen und komplett neu errichtet. Seit Kurzem wird in der neuen Anlage gedreht. Dort gibt es einen U-Bahnhof, einen Späti, ein Café und echte Bäume. Aber kein Coronavirus.

Baustelle des neuen GZSZ-Außensets, das Ende 2020 errichtet wurde.
Baustelle des neuen GZSZ-Außensets, das Ende 2020 errichtet wurde.

© TV NOW / Benjamin Kampehl

Im Gegensatz etwa zur britischen Serie „Coronation Street“, die die Pandemie thematisiert, haben sich die Babelsberger Serienmacher dagegen entschieden. „In England sind die Serien traditionell näher am wirklichen Leben“, sagt Joachim Kosack. Für den deutschen Markt produziere man eher Unterhaltung, die der Lebenswirklichkeit der Zuschauer zwar möglichst nahekomme, am Ende aber „doch einen Tick schöner als der Alltag“ sei.

Kosack glaubt, dass „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ mit Corona nicht funktioniere. Man langweilte sich einfach, wenn die Figuren – genau wie ihre Zuschauer – isoliert in ihren Wohnungen säßen, meint er. Für die Macher spielt die Infektionsgefahr hingegen eine sehr große Rolle. Seit dem ersten Lockdown gelten strikte Abstandsregeln.

Die Schauspieler kommen einander in der Regel nicht nahe, was durch geschickt gewählte Kamerawinkel kaschiert wird. Wenn Prügeleien oder Küsse auf dem Drehplan stehen, müssen die Schauspieler einen Corona–Schnelltest machen oder sogar in Quarantäne gehen. Es gibt dafür ein detailliertes Regelwerk.

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Doch das war nicht von Anfang an so. Der Ausbruch der Pandemie brachte die eingespielten Abläufe durcheinander. „Wir rasselten da alle verhältnismäßig ungeordnet rein“, gibt Kosack zu. Es komme ihm vor, als sei all das fünf Jahre her, so viel sei seither geschehen. Ab März habe es Schwierigkeiten bei den Drehgenehmigungen gegeben für einige Formate, die außerhalb von Privat- oder Studiogelände gefilmt werden sollten. Etwa der dritte „Ku’damm“-Dreiteiler, den die Ufa für das ZDF produziert.

"Eine Daily, die nicht täglich sendet, ist keine mehr."

Das sei ein Signal gewesen, sagt Kosack. Die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verständigten sich darüber, dass etwas getan werden müsse. Klar war: Vor allem die Produktion der täglichen Serien müsse auf sichere Weise fortgesetzt werden. Ein Film kann zur Not auch einige Wochen später gezeigt werden. „Aber eine Daily, die nicht täglich sendet, ist keine mehr.“ Die Zuschauer müssen sich darauf verlassen können, am Abend eine Folge zu bekommen.

Für Illusion zuständig. Joachim Kosack, Geschäftsführer von Ufa Serial Drama und Ufa Fiction.
Für Illusion zuständig. Joachim Kosack, Geschäftsführer von Ufa Serial Drama und Ufa Fiction.

© Bernd Jaworek

Die Dreharbeiten wurden für eine Woche gestoppt. Dann setzten sich Führungsteams, Arbeitsschutzbeauftragte und medizinisch Beratende zusammen, entwickelten einen 80-Punkte-Plan. Der gilt seither für alle drei täglichen Formate der Ufa Serial Drama, also auch für „Unter uns“ und „Alles was zählt“. Im Normalbetrieb stehen die Drehbücher für die kommenden sechs Wochen fest, sagt Kosack, was mindestens 35 Folgen entspricht. Diese Skripte seien umgeschrieben worden, um Abstände zu ermöglichen.

Der Writer’s Room, in dem die Autoren nach amerikanischem Vorbild gemeinsam arbeiten, sei von einem Tag auf den anderen ins Internet verlagert worden, als Videokonferenz. Eine Dauerlösung sei das aber nicht, denn das Geschichtenerzählen brauche den kreativen Austausch. Insbesondere, wenn es um die Entwicklung langer Erzählbögen geht, die die Entwicklungen von mehreren Jahren umfassen.

Schauspieler schminken sich selbst

Doch unter Kosacks Führung schaffte es die Ufa Serial Drama, den Laden trotz erschwerter Bedingungen am Laufen zu halten. Seither müssen sich die Schauspieler selbst schminken, die Maskenbildner geben nur noch Anleitungen. Die Produktion auf dem eigenen Studiogelände hat sich als Vorteil herausgestellt für die Abstandsregeln. Die Laufwege und Standorte der Schauspieler wiederholen sich dort. Kulissen wurden zum Teil angepasst.

Im Gegensatz dazu sei es bis heute schwierig, Drehs außerhalb dieser festen Strukturen zu organisieren, sagt Kosak. Wenn Abstände nicht möglich seien, werde auf Teststrategien und zum Teil Quarantäne zurückgegriffen.

Besonders drastisch waren die Einschnitte bei der Serie „Sunny – Wer bist du wirklich?“, die im Sommer gedreht wurde. Das ist ein Spin-Off, also Ableger, von GZSZ. Darin geht es um die aus GZSZ bereits bekannte Figur Sunny Richter, gespielt von Valentina Pahde, die für einige Wochen in München lebt. Bei „Sunny“ spielten häufig Nähe, Sex und Intimität eine Rolle, sagt Kosak. Daher sei klar gewesen, dass man nicht mit Abstand drehen könnte.

"Sunny" in Quarantäne

Alle Schauspielerinnen und Schauspieler begaben sich deshalb für die Dauer der Dreharbeiten in Quarantäne. 15 Wochen lang lebten sie zusammen in einer Villa in Potsdam. Bei „Sunny“ setzt RTL auf Streaming. Nur die ersten beiden Folgen wurden im Free-TV gezeigt, sie erreichten zusammen etwa 1,3 Millionen Zuschauer. Weitere 17 Folgen können seither online bei TV Now geschaut werden.

Wichtig für die Zuschauer-Bindung sind die sozialen Medien. Die Schauspieler interagieren auf Instagram und Facebook mit ihren meist jungen Fans, gewähren auch Blicke hinter die Kulissen. Das Ergebnis ist eine halbfiktive Welt. „Da vermengen sich Rolle, Schauspieler und Rezeption“, sagt Kosack. Anfangs wurde Corona auch in diesem Kosmos nicht thematisiert. Doch seit dem Sommer erlaubte die Ufa, diese Realität zu zeigen.

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