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Björn König kennt seine Route bestens, und viele seiner Empfänger auch.

© Mike Wolff

Die Post im Weihnachtsstress: Unterwegs mit einem DHL-Boten

Der Advent ist für Paketzusteller die anstrengendste Zeit des Jahres. Sie fahren doppelt so viele Päckchen zu den Kunden wie sonst. Dafür gibt’s manchmal Kekse.

Bevor Björn König zum Weihnachtsmann wird, braucht er erst mal eine Zigarette und einen Kaffee. Schwarz mit viel Zucker. „Für den Job muss man geboren sein“, sagt er und inhaliert das Nikotin. Der Rauch der Zigarette vermischt sich in der Morgenkälte mit seinem Atem.

König ist einer von 60 Paketzustellern der DHL-Zustellbasis in Köpenick. Zusammen mit 20 zusätzlichen Aushilfskräften sind sie die stillen Helden der Weihnachtszeit im Berliner Südosten. Für sie bedeutet der Advent vor allem eins: Stress. Während sie normalerweise 6000 Päckchen und Pakete pro Tage ausfahren, verdoppelt sich die Zahl in der Vorweihnachtszeit beinahe. Kurz vor Heiligabend rechnet die Post deutschlandweit mit acht statt der üblichen vier Millionen Pakete, die täglich zugestellt werden müssen.

Für König sind an diesem Morgen 228 Sendungen aus dem Paketzentrum in Rüdersdorf östlich von Berlin angekommen. Auf einem Förderband gelangen sie aus einem LKW zu den Zustellern. König steht am Band und wirft einen routinierten Blick auf jedes Paket. Ist eine Adresse verzeichnet, die auf seiner Route liegt, nimmt er das Paket, scannt es und verstaut es im vorgesehenen Regal in seinem Wagen.

Oft lässt sich von außen erahnen, was in den Sendungen steckt. Deichmann, Zalando, Tchibo. Am häufigsten sind aber Pakete von Amazon. „Es gibt Tage, an denen jedes zweite Paket von Amazon kommt“, sagt König. Andere Lieferanten versuchen dagegen, den Inhalt ihrer Sendung zu verschleiern – König weiß trotzdem Bescheid. „Bei Sexspielzeug schreiben die Firmen immer andere Namen auf den Karton. Da wundert man sich schon manchmal, wer das so bestellt“, sagt König und schmunzelt.

Mehr als die Hälfte der Adressaten ist nicht daheim

Weil er pro Tag nur etwa 160 Sendungen schafft, nimmt ihm ein Aushilfskollege einige Päckchen ab. Kurz vor der Abfahrt gibt es dann noch einmal Aufregung. Zehn Pakete, beschriftet mit dem Logo des Tierfutter-Hersteller Fressnapf, liegen noch neben dem Förderband. Jedes Paket wiegt 20 Kilo und ist an dasselbe Ehepaar adressiert. „Dabei haben die nur einen kleinen Hund“, sagt König. „Wahrscheinlich war das im Angebot“, murmelt er, zuckt mit den Schultern und holt die Sackkarre.

Königs erste Lieferung muss in ein ruhiges Einfamilienhaus mit Garten irgendwo in Bohnsdorf. Die Adressatin kennt er. „Frau Müller arbeitet – die ist eigentlich nie da“, sagt König und klingelt bei Frau Müller. Er macht das immer auf die gleiche Art. Zweimal schnell hintereinander, abwarten, dann noch mal klingeln. Erst dann geht es zu den Nachbarn. Auch bei Frau Müllers Nachbarn weiß König schon vor dem Klingeln, dass niemand zu Hause sein wird. „Hier steht die Mülltonne vor dem Haus“, sagt er, klingelt trotzdem, wartet und läuft weiter.

Erst beim dritten Haus hellt sich seine Miene auf. „Da ist ein gekipptes Badezimmerfenster“, sagt er und deutet auf einen winzigen Spalt eines kleinen Fensters. König klingelt und hat wenige Sekunden später zwei Pakete weniger. Nur noch 158.

Zur Post kam König vor elf Jahren. „Ich kam aus der Selbstständigkeit und wollte eigentlich nur drei Monate bleiben“, sagt er. Doch der Job machte ihm Spaß und die Sozialleistungen überzeugten ihn, länger zu bleiben. Für immer will der 36-Jährige aber nicht Paketzusteller bleiben. „Ich würde bei der Post gerne leiten und organisieren – irgendwann reicht es auch mal mit der Straße.“

"Nach Weihnachten ist vor Weihnachten"

Auf der geht es an diesem Dezembermorgen aber im Zick-Zack durch Bohnsdorf und Altglienicke. 18 Kilometer absolviere er mit dem Auto, 15 weitere zu Fuß. Sport brauche er jedenfalls nicht, sagt König und springt zurück in seinen Wagen. Ein paar Häuser weiter wird er bereits von einer älteren Dame erwartet. „Wie immer pünktlich“, sagt sie, lächelt und drückt dem Zusteller ein Zwei-Euro-Stück in die Hand.

Manchmal bekomme man zum Jahresende auch einen Umschlag, sagt König. Ihm gehe es aber nicht um das Geld, sondern um die Anerkennung, die hinter solchen Gesten liegt. „Von älteren Leuten wird man auch mal zum Kaffee eingeladen oder man bekommt Kekse geschenkt.“ Den Kaffee müsse er dann ausschlagen, aber die Kekse nimmt er gerne mit.

Die meiste Zeit verliert König an diesem Morgen mit Warten. Mehr als 50 Prozent der Adressaten seien im Schnitt nicht zu Hause, berichtet König. Er macht seinen Job mit Engagement, doch genügend Kunden wissen von anderen Erfahrungen zu berichten: von Boten, die gar nicht erst klingeln, sondern gleich eine Karte einwerfen, von Paketen, die bei angeblichen Nachbarn gelandet, aber nicht auffindbar sind.

Nach zwei Stunden hat König etwas Verspätung. „Mit ein bisschen Glück bin ich aber bis 17 Uhr fertig“, sagt er. Morgen früh wird sein Auto wieder voll sein, die Tour beginnt aufs Neue. Und wie geht es weiter, wenn der 24. endlich rum ist?

„Nach Weihnachten ist vor Weihnachten“, sagt König. Viele Beschenkte würden die Gaben dann per Paket umtauschen oder Gutscheine online einlösen. „Für uns ist Weihnachten eigentlich erst Mitte Januar vorbei.“

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