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Sänger mit Herz. Seit 27 Jahren veranstaltet der mittlerweile 79-jährige Frank Zander eine Weihnachtsfeier für Obdachlose und andere Bedürftige. Coronabedingt kann die erneut nicht stattfinden – stattdessen kommt nun der Caritas-Truck.

© Fabian Sommer/dpa

„Die meisten kommen wegen Frank“: Schlagersänger Frank Zander startet Tour für Berlins Obdachlose

Zum 27. Mal serviert der Sänger vor Weihnachten ein festliches Menü an Bedürftige – in diesem Jahr per Foodtruck. Auch Impfungen stehen im Programm.

Die Zwillingstürme der Liebfrauenkirche ragen still in den Himmel. Ihre gotischen, aufwendig gestalteten Verzierungen wirken an diesem Nachmittag in der Adventszeit jedoch nahbar – eher wie alter, geliebter Weihnachtsschmuck. Der Winterhimmel mit seinen grauen Wolken, die jederzeit bereit zu sein scheinen, sich wieder einmal in Regen oder Schnee zu verwandeln, hängt wie unmittelbar über den Köpfen der Menschen, die sich auf dem nun vollen Kirchenvorplatz herumtreiben: Obdachlose, Polizisten, Promis.

Aus dem türkisfarbenen Foodtruck der Caritas packt Frank Zander das festliche Essen in eine Verpackung aus Styropor – zum Mitnehmen – und reicht es durchs Fenster an die zierliche ältere Frau. „Ich wollte unter den ersten sein“, sagt Lilli Münch, die ihre blonden Haare offen trägt. „Frank Zander serviert das Essen einfach mit Liebe.“

Münch kommt nach eigenen Angaben „von Anfang an“ zum traditionellen Weihnachtsessen des Berliner Sängers, das sich an Menschen ohne Obdach und andere Bedürftige richtet und sich in diesem Jahr zum 27. Mal jährt. In früheren Jahren hat sie ihre sechs Kinder mitgebracht. Inzwischen sind sie groß, sie komme nun alleine.

Münch will ihr Alter nicht verraten, sie ist vielleicht in ihren Fünfzigern, vielleicht auch älter. „Die Leute kommen immer wegen Frank“, sagt sie. „Die stehen schon seit zwei Stunden Schlange.“ Zander gebe ihnen mit seiner Feier „eine Pause von dem Elend da draußen“, sagt Münch.

„Frank Zander serviert das Essen einfach mit Liebe“, sagt Lilli Münch.
„Frank Zander serviert das Essen einfach mit Liebe“, sagt Lilli Münch.

© Stella Venohr/dpa

Auch der Schlagersänger freut sich sichtlich. In seinem Leben habe er so viele Shows gemacht, „aber das hier trägt über die Jahre“. Der 79-Jährige hat die Kriegsjahre erlebt und erinnert sich noch daran. „Ich bin in Neukölln aufgewachsen, das war keine High Society“, sagt er. Seine Familie hatte zu Hause einen Weihnachtsbaum mit vier oder fünf Kerzen. „Ich weiß aus meiner Kindheit noch, wie es sich anfühlt, von wenig bis gar nichts zu leben“, sagt er.

Vom eigenen Wohlstand etwas zurückgeben

Nach Angaben der Berliner Stadtmission leben in Berlin schätzungsweise bis zu 40.000 wohnungslose Menschen – etwa ein Viertel davon sind Frauen. Die meisten sind alleinstehend, es gibt aber auch obdachlose Paare und Familien. An die will Zander von seinem eigenen Wohlstand etwas zurückgeben. Und er ermuntert auch andere dazu, es ihm gleichzutun. Angelika Kaljic, die für die Caritas den Foodtruck koordiniert, kann ihm nur zustimmen. „Die meisten Menschen spenden einmal an Weihnachten etwas, aber das Jahr ist lang“, sagt sie.

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Weil dies eben so ist, gibt es auf Zanders Aktion, die er bis zum 17. Dezember an verschiedenen Standorten anbietet, auch Geschenke, die das ganze Jahr über halten sollen. So verteilt die Gewerkschaft der Polizei in einem Zelt warme Pullis, Trainingsanzüge und Handschuhe. Martin Schilff, früher im Vor- und jetzt im Ruhestand, ist seit sieben Jahren dabei. Die Kleidung hatte die Bundespolizei aussortiert, weil es neue gab, daher die Spende. Nur die Ärmelabzeichen wurden von einer Schneiderei entfernt. „Wir wollen den Menschen in diesen schweren Zeiten ein bisschen Freude machen“, sagt Schilff.

Norbert Baudach hat einen dunkelblauen Pulli in seiner Größe und eine ebenfalls dunkelblaue Hose bekommen. Der 62-Jährige freut sich darüber. Er schlafe nicht wirklich auf der Straße, nur „so halb“: seit drei oder vier Jahren etwa in S-Bahnhof-Eingängen, sagt er. Vor Corona konnte er tagsüber oft in Bibliotheken am Computer sitzen, erzählt der gelernte Elektroanlagenmonteur. Jetzt nicht mehr. Er trinkt gerade einen Glühwein. Bei Zanders Fest ist er seit 2000 dabei. Einmal habe er ihm im Estrel die Hand gereicht. „Das dürfen Sie ruhig in der Zeitung schreiben.“

Weihnachtsfeier mit Impfangebot

Damit Leute wie Baudach künftig noch irgendwo hineindürfen, haben die Malteser in der Kirche eine mobile Impfstelle aufgebaut. Sechs Kräfte und zwei Ärzte bieten an diesem Tag Impfstoff für 100 Menschen. Nach einer Dreiviertelstunde hatten sich 15 schon impfen lassen.

Währenddessen werden weiter Essen und Geschenke ausgegeben. Die Schauspieler Katy Karrenbauer und Wolfgang Bahro helfen als prominente Gäste fleißig mit. Bahro spielt in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ eigentlich den intriganten Anwalt, einen Bösewicht. Auf dem Fest hatte er deshalb aber nie Probleme. „Zum Glück können die Leute zwischen der Figur und mir unterscheiden“, sagt er. Seit mehr als zwölf Jahren sei er bei Zanders Weihnachtsfeier dabei. Den Moment, als Zander zum Schluss „Nur nach Hause geh'n wir nicht“ sang und die obdachlosen Menschen alle mit angezündeten Feuerzeugen da standen, Tränen in ihren Augen, werde er nicht vergessen. „Vor der Pandemie habe ich jeden meiner Gäste persönlich am Eingang begrüßt und teilweise umarmt“, erzählt Zander. „Das waren sehr emotionale Momente.“

Inzwischen hat es auf dem Kirchenplatz angefangen, immer stärker zu regnen. Der Himmel hat sich offenbar entschlossen, noch näher zu kommen.

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