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Berlin: Die Lage in Berlin - Pappbrillen ausverkauft, und am Mittwoch sollen Wolken aufziehen

Der ungeschützte Blick zur Sonne während des Naturschauspiels am Mittwoch birgt große Gefahren für das Augenlicht. Berliner Augenärzte haben am Montag ausdrücklich davor gewarnt, die Sonnenfinsternis ohne Spezialbrille zu betrachten.

Der ungeschützte Blick zur Sonne während des Naturschauspiels am Mittwoch birgt große Gefahren für das Augenlicht. Berliner Augenärzte haben am Montag ausdrücklich davor gewarnt, die Sonnenfinsternis ohne Spezialbrille zu betrachten. So gut der Rat gemeint war, so schwierig ist er umzusetzen. Die Berliner Optiker meldeten am Mittag, dass die Pappbrillen mit metallbedampfter Folie ausverkauft sind. Bis Mittwoch sei an Nachschub nicht mehr zu denken, hieß es übereinstimmend.

Möglicherweise wird von der schwarzen Sonne aber gar nicht viel zu sehen sein, denn die Meteorologen haben für Mittwoch zunächst starke Bewölkung vorhergesagt. Die Sonnenfinsternis beginnt um 11.21 Uhr. Die Abdeckung der Sonne zu 87,2 Prozent wird um 12.40 Uhr erreicht, um 13.59 Uhr verschwindet der letzte Mondschatten wieder von der Sonne. Gefährlich ist das Ganze wegen der ultravioletten und infaroten Anteile des Sonnenlichts. Beobachter sollten auf keinen Fall ungeschützt zur Sonne sehen oder zu untauglichen Hausmitteln wie rußgeschwärzten Glasscheiben greifen. Augenärztin Kristine Kruse sprach von einem extremen Risiko. "Sekunden genügen, um die Netzhaut zu schädigen", sagte die Medizinerin, nach deren Ansicht Bewölkung das Risiko nur unwesentlich mindern würde.

Eine Garantieerklärung für die Spezialbrillen wollte sie nicht abgeben. "Hundertprozentige Sicherheit gibt es nur für die, die wegschauen", sagte die Ärztin, die mit gutem Beispiel vorangehen will. Mit drastischen Worten schilderte die Augenärztin Gabriele Adolf, was ungefiltertes Sonnenlicht anrichten kann. "Das Licht führt zu einer fotochemischen Reaktion der Netzhaut. Dabei wird die wichtige Netzhautmitte verbrannt." Unheilbare Schäden seien die Folge. Wer sie davontrage, könne nie wieder scharf sehen. Als Beispiel nannte die Ärztin, dass Buchstaben beim Lesen nur noch zum Teil zu erkennen seien.

Auch Christian Hartmann, der die Augenklinik der Charité leitet, warnte vor den Risiken. "Bei der partiellen Sonnenfinsternis im Jahr 1954 sind in Berlin über 50 Fälle mit Augenschäden aufgetreten", sagte der Augenarzt, nach dessen Ansicht nur die Spezialbrillen vom Optiker ausreichenden Schutz bieten. "Ein solche Brille schwächt das Sonnenlicht um das hunderttausendfache ab", sagte Hartmann, der gleichwohl noch einen Tipp parat hatte: Die Betrachtung der Sonnenfinsternis mit einer Lochblende sei gleichfalls sicher. Dabei stanzt man ein Loch aus einem Stück Karton und läßt das Licht wie bei einer Lochkamera auf den Boden fallen. Hartmann warnte davor, durch die Lochblende direkt in die Sonne zu gucken. Auch geschwärzte Filmstreifen, Sonnenbrillen, Compact Discs (CDs) oder Ferngläser seien untauglich für die risikolose Betrachtung des Naturereignisses. Die Apothekerkammer warnte ebenso vor Selbstgebasteltem, etwa mit Rettungsfolie aus dem Verbandskasten. Am sichersten ist: Augen zu - und fertig. Beschwerden können nach einer Stunde oder einem Tag auftreten. Typisch sind laut Hartmann Sehkraftminderung, Verzerrtsehen, Gesichtsfeldausfälle, Kopfschmerzen, Nachbilder und Störungen der Farbwahrnehmung. Über Schweißerbrillen gingen die Ansichten auseinander. Während ein Optiker der Meinung war, dass sie ausreichenden Schutz bieten, widersprachen Ärzte. Trotz des Booms bei den Spezialbrillen sahen die Optiker gestern keine Chance, für Nachschub zu sorgen. "Am Morgen um 9 Uhr hatten wir noch 150 Stück. Die waren nach 20 Minuten alle", sagte Optiker Marco Braumann von einer Fielmann-Filiale in Tiergarten. Bei Ruhnke war von 7000 Spezialbrillen die Rede, die zum Stückpreis von 3,90 Mark über die Ladentische gegangen waren. Als Ursache für den Engpass wurde der "große Rummel von Sendern und Zeitungen" genannt. Bei Hugendubel am Potsdamer Platz hieß es gestern, Kunden haben Brillen aus Büchern über das Phänomen einfach herausgerissen. Sollte die Bewölkung rechtzeitig auflockern, so würde die Dunkelheit in etwa so wirken wie die Phase 20 Minuten vor Sonnenuntergang an einem klaren Tag, erklärte Astrophysiker Horst Balthasar. Mit viel Glück kann man die Venus in der Nähe der Sonne blinken sehen, ein kompletter Sternenhimmel wie in Süddeutschland erscheine nicht.

Unterdessen hat die Flugsicherungszentrale alle Sportflugzeug-Piloten darauf hingewiesen, dass zu dieser Zeit Nachtflugbedingungen herrschen und nur Piloten fliegen dürfen, die eine entsprechende Erlaubnis besitzen. Während der etwa zweiminütigen Kernphase müßte wie in der Nacht auf Sicht geflogen werden. Sportpiloten dürfen etwa nicht in Wolken eintauchen, dies gilt nachts wie tags. Bei der Abwicklung des Verkehrs auf den großen Flughäfen spielt die Finsternis keine Rolle, da die Maschinen ohnehin nach Radar fliegen, hieß es bei der Flughafen-Pressestelle. Nach Auskunft der Senatsverwaltungen und Behörden sollen die Ampeln hier nicht abgeschaltet werden, auch Bahnen und Busse verkehren nach Fahrplan. Der ADAC hat Autofahrer erneut vor Staus auf den Straßen Richtung Süden gewarnt.

Sollte es mit der Sonnenfinsternis 1999 in Berlin finster aussehen - die nächste Totale ist in unseren Breitengraden 2135 zu sehen.

Michael Brunner, Annette Kögel

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