zum Hauptinhalt
Der Geister-Airport Berlin Brandenburg.

© Imago/Stefan Zeitz

Die Jobmaschine: So soll der BER die regionale Wirtschaft ankurbeln

Am 31. Oktober sollen die ersten Flüge abgefertigt werden. Experten fürchten aber, dass viele Arbeitsstellen zum Start unbesetzt bleiben.

Wer dieser Tage auf der Autobahn A113 das durchgestrichene Flugzeugsymbol ignoriert und die Abfahrt „Flughafen Berlin Brandenburg“ nimmt, hat die Fahrbahn zumindest am Abend für sich allein. Das imposante Hauptterminal 1, auf das man dann zusteuert, ist hell erleuchtet. Trotzdem erfordert es ein wenig Fantasie, um sich vorzustellen, dass dieser Geister-Airport in wenigen Monaten Berlins wichtigstes Tor zur Welt sein soll. Dass hier bald fast rund um die Uhr Tausende Menschen arbeiten, starten, landen, warten, essen, trinken, schlafen – und dabei jede Menge Geld ausgeben werden.

Engelbert Lütke Daldrup, der Chef der Flughafengesellschaft (FBB), versucht die Öffentlichkeit langsam auf diese neue Zeit, von der zu viele dachten, sie würde niemals kommen, einzustimmen. Er habe sich die Augen reiben müssen, als er im „für Lob völlig unverdächtigen“ Tagesspiegel-Newsletter „Checkpoint“ das Ergebnis einer Civey-Umfrage gelesen habe, wonach nun immerhin 54 Prozent der Bürger an den neuen Eröffnungstermin glauben würden. Zwischenzeitlich seien es ja kaum mehr als zehn Prozent gewesen, berichtete Lütke Daldrup am Montagabend vor rund 100 Gästen bei einem erstmals veranstalten „Wirtschaftsgespräch am BER“.

Er selbst versuchte, keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass nach neun Jahren voller Planungsfehler, Baumängel und langwieriger Sanierungen am 31. Oktober die ersten Flugzeuge am BER abgefertigt werden würden. Wenige Tage später, nach der zweiten und dritten Umzugsphase am 3. und 4. beziehungsweise 7. und 8. November solle der gesamte Flugverkehr in Schönefeld abgewickelt werden. „Wir haben fast alles fertig, und zwar richtig fertig. Das heißt, auch von den Prüfern komplett abgenommen“, erklärte der Flughafenchef. Eine Sache fehle noch: „Wir müssen bei der Sicherheitsverkabelung und der Notstromversorgung die Prüfungen bis Ende März abschließen, dann können wir ,fertig‘ melden.“ Im April solle der Probebetrieb beginnen.

FBB-Chef Engelbert Lütke Daldrup auf der BER-Baustelle.
FBB-Chef Engelbert Lütke Daldrup auf der BER-Baustelle.

© imago images/Stefan Zeitz

Spätestens dann wird auch ernst für viele der insgesamt 2200 Mitarbeiter der Flughafengesellschaft und externer Firmen. 3700 Personen arbeiten allein für Bundespolizei und den Dienstleister Securitas an den Berliner Flughäfen. Bald solle jeder von ihnen wissen, wo er am BER arbeiten soll, hieß es. Gleichwohl geht man bei der FBB davon aus, dass etwa 40 Prozent der Angestellten von Fremdfirmen in Tegel den Umzug nicht mitmachen möchten.

Womöglich bleiben Stellen vorerst unbesetzt

Bernd Becking, der Chef der Regionaldirektion Berlin Brandenburg bei der Bundesagentur für Arbeit (BA), warnte am Montag davor, dass die nötigen Stellen womöglich nicht alle sofort besetzt werden. „Der BER muss sich anstrengen. Das wird kein Selbstläufer.“ Becking kündigte für März eine Veranstaltung für die Unternehmen der Region an und im Juni eine weitere am BER, um „eine gute Kräftezufuhr“ sicherzustellen. Immerhin: Fast alle der 500 direkt bei der FBB in Tegel Beschäftigten wollen mitkommen zum BER.

Bei der Flughafengesellschaft gibt man sich dennoch selbstbewusst. Auf die etwa 200 im vergangenen Jahr ausgeschriebenen Stellen hätten sich rund 1200 Bewerber registriert, hieß es. Doch man weiß, dass nicht alle Arbeitgeber am Flughafen so gut zahlen (können) wie der Flughafenbetreiber, dem die Eigentümer Bund, Berlin und Brandenburg in den vergangenen Jahren mit mehreren dreistelligen Millionenspritzen aus der Klemme geholfen hatten.

Lütke Daldrup hatte das abendliche Treffen, an dem viele Unternehmer aus den vier regionalen Industrie- und Handelskammern Berlin, Potsdam, Cottbus und Frankfurt teilnahmen, organisiert, um die Bedeutung des Airports für die Region deutlich zu machen. „Wir sind Wirtschaftsmotor für Tourismus, das Messegeschäft und Start-ups und wir werden einen großen Beitrag leisten, dass weiter wirtschaftliche Dynamik entsteht“, versprach der FBB-Chef.

Eine vor drei Jahren erstellte Studie auf Basis von Zahlen aus 2016 hatte ergeben, dass Berlins zwei Flughäfen direkt und indirekt etwa 41 000 Vollzeitstellen sichern. Im Jahr 2035 könnten der BER und Geschäftspartner sogar 60 000 bis 70 000 Menschen ein volles Gehalt finanzieren, erklärten die Autoren der Studie von der Leipziger Beratungsfirma Conoscope und des Kowid-Kompetenzzentrums an der Uni Leipzig.

Diese Zahlen basieren freilich auf einer Prognose der Flughafengesellschaft, wonach die Zahl der Passagiere in den kommenden 15 Jahren von knapp 36 Millionen (2019) auf dann mehr als 50 Millionen (2035) steigen wird. Der dafür nötige Ausbau der Abfertigungskapazitäten ist also Voraussetzung für die Wachstumsprognose und die daraus resultierenden Job-Effekte.

IHK-Chef fordert das dritte Terminal

„Wir haben den Flughafen viel zu klein gedacht“, sagte Berlins IHK-Chef Jan Eder. „Wir werden das dritte Terminal bauen müssen.“ Er forderte zudem mehr Start- und Landerechte für Airlines, die Langstrecken nach Nahost und Südostasien bedienen. „Es darf nicht sein, dass ein Bundesverkehrsminister von der CSU den Hub einer Airline schützt und wir nicht stärker direkt in diese Regionen fliegen dürfen“, sagte Eder und erinnerte an die in Berlin gut gepflegte These, wonach die Bundesregierung Berlins Airports klein hält, um die Drehkreuze der Lufthansa in Frankfurt am Main und München vor Konkurrenz zu schützen.

Eder erklärte auch, dass es keine Ausweitung des nächtlichen Flugverbotes geben dürfe, solle der BER erfolgreich werden. Seine Kammer habe schon vor vielen Jahren geraten, den Flughafen im südlicheren Sperenberg (Kreis Teltow-Fläming) zu bauen. Die Politik habe aber anders entschieden, damit müsse man sich nun arrangieren. Auch er persönlich. Eder lebt privat in der Stadtrandgemeinde Kleinmachnow.

Zur Startseite