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Ein kaputtes Kabel kann in Corona-Zeiten zum Problem werden.

© Ragnar Vogt / Tsp

Die Homeoffice-Katastrophe: In Corona-Zeiten ein neues Laptop-Netzteil finden? Eine Odyssee!

Unser Autor brauchte schnell ein neues Laptop-Kabel. Die Suche brachte ihn dazu, in einem menschenleeren Parkhaus ein Rolltor anzuschimpfen.

Von Ragnar Vogt

Zwei Stunden vor Feierabend ist es soweit: Das Netzteil meines Laptops ist kaputt. Das Kabel war schon länger hinter dem Stecker ohne Isolierung, jetzt hat es ganz den Geist aufgegeben. 

Was in normalerweise eine Kleinigkeit ist, wirkt wie eine Katastrophe in Corona-Zeiten mit Homeoffice und geschlossenen Geschäften. In der Tagesspiegel-Redaktion würde ich einfach auf einen der vielen anderen Computer ausweichen. Doch ich bin zu Hause, es ist der einzige Rechner, den ich habe. 

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Naja, für den Rest der Schicht müsste der Akku reichen. Doch da habe ich nicht mit der Videokonferenz des Homepage-Teams gerechnet: Meine Akkuanzeige zählt runter: 67 Prozent, 43 Prozent, 21 Prozent. 

Verzweifelt ruckele ich am Stecker – und ich habe Glück: Ein ganz bisschen Strom kommt nun doch an, der Akkustand stabilisiert sich bei 13 Prozent. Nach dem Videocall ist sogar noch genug Strom, um in Ruhe die Übergabe an meinem Nachfolger an der Tagesspiegel-Homepage zu machen. 

Ein neues Netzteil muss her

Es bleibt bei den 13 Prozent auch eine Stunde nach dem Feierabend, ich bekomme den Akku nicht aufgeladen. So ist klar: Es muss ein neues teures Netzteil her. Online-Bestellung? Auch mit Expresslieferung hätte ich Angst, es nicht rechtzeitig zu bekommen bis zu meiner Sieben-Uhr-Frühschicht morgen. 

Vielleicht klappt ja was anderes. Manche Elektronikmärkte schreiben auf ihren Webseiten, dass man Produkte direkt in der Filiale abholen kann. Stimmt das wirklich? Ich hänge 30 Minuten in der Warteschleife von Saturn. Derweil stelle ich fest, dass man bei der Konkurrenz Mediamarkt auf der Homepage das Produkt auswählen kann: Ist in der Filiale vorrätig, kann zur Abholung bestellt werden. 

Mein Netzteil gibt es in der Filiale im Einkaufszentrum „Das Schloss“ in Berlin-Steglitz, ich gebe meine Daten ein, bezahle. In der Mail-Bestätigung heißt es, ich muss auf die Abholbestätigung warten, erst dann kann ich auch abholen.

Was ist, wenn es doch nicht klappt in der Filiale?

Ich warte. Nach einer Stunde wird mir mulmig. Was, wenn das heute doch nicht klappt? Dann kann ich morgen nicht arbeiten. Ich greife wieder zum Telefon. Wieder Warteschleife, diesmal die von Mediamarkt. Und dann meldet sich wirklich jemand. Der geduldige Mann in der Leitung kann mir nur nicht sagen, ob ich heute noch mein Netzteil bekomme. Nur, dass ich eben die Abholbestätigung brauche und dass die Abholstelle der Filiale nur bis 18 Uhr geöffnet ist. 

Inzwischen ist es 16:30 Uhr und ich stelle mir vor, dass es eine lange Schlange an dieser Abholstelle geben wird, lauter Verlorene, die unbedingt noch heute irgendein Elektronikteil brauchen. Also fahren meine Freundin und ich mit dem Rad von Schöneberg nach Steglitz.

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Im Mediamarkt-Schaufenster hängt ein Hinweis, dass sich die Abholstation im Parkhaus befindet – und die Telefonnummer der Filiale ist auf dem Schild notiert. Wir rollen mit den Rädern ins gespenstisch leere Parkhaus hinab. Nirgends die Schlange von Abholern, die ich mir vorgestellt habe, nirgends ein Anzeichen, wo die Abholstelle sein könnte, nirgends ein Mensch, den ich fragen könnte. Ich rufe die Telefonnummer der Filiale an, niemand antwortet. 

Ich schimpfe das Rolltor an

Dann taucht doch jemand auf, der Mann hat das Logo des Einkaufszentrums auf seiner Jacke. Er weist auf ein heruntergelassenes Rolltor, das ich vorher nicht bemerkt hatte. Dort soll die Mediamarkt-Stelle sein, es gibt sogar eine Klingel. Niemand antwortet auf mein Klingeln. 

Jetzt bin ich wirklich verzweifelt und schimpfe das Rolltor an: Warum bietet Mediamarkt diese Möglichkeit der Filialabholung, wenn sie nicht funktioniert? In den Stunden seit meiner Bestellung hätte ich doch längst irgendwas anderes organisieren können! Wie albern mein Schimpfen im menschenleeren Parkhaus ist, merke ich erst, als ich den belustigten Blick meiner Freundin bemerke. 

Das Wunder geschieht

Ich wähle noch einmal die Filialnummer – und das Wunder geschieht: Eine surreal fröhliche Frauenstimme antwortet. Eigentlich brauche es meine Abholbestätigung, sagt sie. Sie hätte Hunderte Bestellungen, die müsse sie abarbeiten. Dann die erlösenden Worte: „Aber ich schaue mal, ich glaube ich habe vorhin einen weißen Apple-Netzteil-Karton gesehen.“ 

Und fünf Minuten später geht tatsächlich das Rolltor hoch, die Frau mit der fröhlichen Stimme steht schon da und sie hat den weißen Karton in der Hand. Sie legt ihn auf eine Mauer, von da kann ich ihn mir nehmen. Ich bin euphorisch. So sieht also das kleine Glück in der Corona-Krise aus.

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